
Teilnehmende eines Demonstrationsspaziergangs gegen die Maskenpflicht in Altdorf vom 5. September 2020. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt die Corona-Massnahmen des Bundes.Bild: KEYSTONE
Kommentar
Die Volksvertreterinnen politisieren an ihrem Auftraggeber vorbei. Denn sich von jenen leiten zu lassen, die am lautesten schreien, ist riskant.
04.03.2021, 13:0105.03.2021, 15:19
Am Mittwoch votierten 97 Politiker und Politikerinnen aus dem Nationalrat für eine Turbo-Öffnung (90 dagegen, 6 Enthaltungen). Vergangene Woche sprach sich die Mehrheit der nationalrätlichen Wirtschaftskommission dafür aus, dass sich die Mitglieder der Covid-19-Taskforce des Bundes nicht mehr öffentlich äussern dürfen. Das Ganze wird gesäumt von Diktaturvorwürfen und persönlichen Angriffen gegen einzelne Mitglieder der Landesregierung.
Die Anträge dürften kaum Chancen haben. Am Donnerstagmorgen sprach sich die kleine Kammer deutlich dagegen aus. Egal, was der Schwesterrat entscheide: «Vom Ständerat wird kein Öffnungsdatum ins Gesetz geschrieben», so Mitte-Ständerat Pirmin Bischof. Man wolle den Bundesrat nicht übersteuern. Am Montag kommt es zur Abstimmung.

Mit 97 zu 90 Stimmen und 6 Enthaltungen wurde die Erklärung im Nationalrat angenommenbild: screenshot/parlament
Die Anträge scheinen ein Sturm im Wasserglas. Doch der Schaden ist bereits angerichtet.
Die Mehrheit der Bevölkerung wähnt sich weder in einer Diktatur noch befürwortet sie Turbo-Öffnungen oder will nichts mehr von den Wissenschaftlerinnen der Taskforce hören. Das zeigen mehrere Bevölkerungsmonitorings.
- Gemäss dem Politgeografen Michael Hermann befürworten die Schweizerinnen und Schweizer die Corona-Massnahmen des Bundes nicht nur, ein Teil wünscht sich gar schärfere Massnahmen. Dies sagte Hermann gegenüber den Zeitungen der Tamedia-Gruppe.
- Eine Mitte Januar von Tamedia durchgeführte repräsentative Studie zeigte: Von 15'000 Befragten finden 68 Prozent die Einschränkungen angemessen oder würden diese gar verschärfen.
- Das Monitoring «Covid Norms» der Universität Zürich konnte nachweisen, dass der Bundesrat mit seiner Linie die Bevölkerung auf seiner Seite hat. Die Umfragen belegen, dass das Volk die Abstandsregeln und die Maskenpflicht unterstützt – und dies auch bei sinkenden Fallzahlen.
- Eine weitere Studie der Universität Zürich, die zwar nicht direkt mit den Corona-Massnahmen zu tun, soll hier ebenfalls erwähnt sein: «In einer Untersuchung gaben 66 Prozent der Befragten an, dass sich die Wissenschaft in die politische Debatte einmischen soll. Nur 12 Prozent möchte das nicht», so Mike Schäfer, Professor für Wissenschaftskommunikation an der Uni Zürich, gegenüber «10vor10».
Es ist relativ klar, was die Mehrheit der Bevölkerung will. Warum aber politisieren die Volksvertreterinnen an ihrem Auftraggeber vorbei?
Vor der Debatte schrieben wir:
Politgeograf Hermann erklärt das so: «Es ist der klassische Fehler der Politiker: Sie erhalten ein paar Dutzend Mails von Unzufriedenen und schliessen daraus auf die Stimmung in der Bevölkerung», sagte er gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Wähnt sich plötzlich eine Minderheit in der Mehrheit, kippt die Stimmung.
Diese Schlussfolgerung der Politiker ist gefährlich. Wenn sie nur jene vertreten, die am lautesten schreien, propagieren sie eine Minderheitsmeinung. Wähnt sich plötzlich eine Minderheit in der Mehrheit, kippt die Stimmung.
Wer bis anhin hinter den Massnahmen stand und sich vorbildlich daran gehalten hat, beginnt zu glauben, er sei in der Minderheit. Dieser vermeintliche Meinungsumschwung schadet am Ende allen ausser dem Virus. Halten sich nur noch die Wenigsten an die Massnahmen oder werden diese trotz ungünstiger epidemiologischer Lage gelockert, hat das Coronavirus ein leichtes Spiel.
Mit Material der sda
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Die Resultate:
Es ist so offensichtlich, dass sich diese Öffnungs - Befürworter inm Nationalrat von ihren Eigeninteressen und dem ihrer Lobbys leiten lassen. Und ganz bestimmt nicht das Wohl der Bevölkerung im Blick haben.
das ist widerlich, ja eklig .
Mittlerweile besinnt sich Ueli Maurer:
"Finanzminister Ueli Maurer warnte dagegen vor dem Schritt: «Wir wecken damit sofort wieder Erwartungen, dass die Kantone wieder sehr viele Freiheiten haben.» Im vergangenen Herbst sei diese Lösung gescheitert. «Die Kantone forderten eine nationale Steuerung, wir sollten dabei bleiben.» (sda)"
Hoffe der Rest kommt auch wieder zur Vernunft und lassen nicht zu, dass Fehler vom Frühling/Sommer 2020 wiederholt werden.