Die politische Auseinandersetzung geprägt hat in den letzten Wochen die SVP. Ihre Initiative verlangt, dass die Schweiz die Zuwanderung wieder mit Kontingenten steuert. Damit will die SVP die Zuwanderung aus der EU bremsen, die mit der Einführung des freien Personenverkehrs zugenommen hat.
Laut SVP und den Kleinparteien, die das Anliegen ebenfalls unterstützen, ist die Schweiz nicht in der Lage, jedes Jahr 80'000 neue Zuwanderer aufzunehmen. Als Beweis führen die Initianten die hohen Mieten, überfüllte Züge, Staus auf der Autobahn und angeblichen Druck am Arbeitsmarkt an.
Gegen die Initiative setzen sich die übrigen Parteien, Wirtschaftsverbände und der Bundesrat ein. Sie sehen das Erfolgsmodell Schweiz in Gefahr, weil mit der Personenfreizügigkeit der bilaterale Weg insgesamt in Frage gestellt wäre. Was genau bei Annahme der Initiative passieren würde, kann im Moment jedoch niemand sagen.
Das dürfte den Gegnern nicht geholfen haben. Bei der letzten Trendumfrage von Ende Januar lagen sie zwar vorne mit 50 Prozent Nein- zu 43 Ja-Stimmen. Gegenüber einer früheren Umfrage hatte die SVP-Initiative aber deutlich Boden gutgemacht.
Auch in der EU blickt man heute gespannt - und teilweise besorgt - auf die Schweiz. So sagt Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, im Interview mit der «NZZ am Sonntag»: «Die Schweiz würde kein einziges Problem lösen mit der Masseneinwanderungsinitiative, aber viele neue schaffen.»
Entschieden sich die Schweizer Stimmbürger heute Sonntag für ein Ja zur Volksinitiative der SVP, entstehe das Hauptproblem «ausgerechnet in der Beziehung zur EU, obwohl eine der Ursachen für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz ihre enge Verzahnung mit der EU ist», sagt der deutsche Sozialdemokrat.
Bei einem Ja werde die Europäische Union die bilateralen Verträge zwar wohl nicht von sich aus kündigen, sagt Schulz. Doch sie könne bei der Personenfreizügigkeit keine Einschränkung akzeptieren. Die Einwanderung bringe Probleme mit sich, räumt Schulz ein. Dies sei aber nicht ein Problem der Schweiz allein, sondern betreffe alle wirtschaftlich erfolgreichen Regionen. Laut Schulz hingegen würde die jahrhundertealte Geschichte der Schweizer als freiheitsliebendes Volk selbst dann nicht tangiert, falls die Schweiz Mitglied der EU würde.
Geht es nach Hans Grunder, Nationalrat und ehemaliger Präsident der BDP, bleibt am Sonntag möglicherweise kein Stein auf dem anderen. Falls die SVP-Masseneinwanderungsinitiative vom Volk angenommen wird, brauche es eine grosse Regierungsumbildung, die dem Ausgang der Abstimmung Rechnung trage. Dies sagt Grunder zur «Schweiz am Sonntag». Konkret verlangt Hans Grunder, dass dann alle Regierungsmitglieder ausser Ueli Maurer zurücktreten.
In dem mit grossem Einsatz und emotional geführten Abstimmungskampf gerieten die beiden anderen Vorlagen etwas ins Abseits. Dabei hat die FABI-Vorlage unmittelbar grosse Auswirkungen. Es geht um die Frage, wie in Zukunft die stark ausgelastete Eisenbahn-Infrastruktur finanziert werden soll.
Der Bundesrat und das Parlament schlagen vor, dass Betrieb, Unterhalt und Ausbau des Schienennetzes künftig aus einem Topf finanziert werden, dem Bahninfrastrukturfonds. Der Bund müsste mehr Mittel bereitstellen, im Jahr rund 5 Milliarden Franken statt wie bisher 4 Milliarden.
Aus Sicht der Befürworter ist dies dringend nötig, und zwar nicht nur für den Ausbau, sondern auch für die in den letzten Jahren vernachlässigte Sanierung des Schienennetzes. Gegen FABI stellen sich der Nutzfahrzeugverband ASTAG, der Verband der Autoimporteure auto-schweiz und die SVP. Sie kritisieren, dass Autofahrer über Strassenabgaben die Bahn mitfinanzieren.
Die dritte Vorlage, über die am Sonntag abgestimmt wird, wirft eine gesellschaftspolitische Frage auf: Soll die Allgemeinheit über die Grundversicherung der Krankenkasse Abtreibungen finanzieren? Es ist erst zwölf Jahre her, dass das Volk diese Frage mit Ja beantwortet hat.
Mit der Einführung der Fristenlösung wurde bei der Abstimmung im Juni auch die Kostenübernahme durch die Krankenkasse geregelt. Das wollen religiös-konservative Kreise wieder rückgängig machen. Ihrer Meinung nach soll niemand gezwungen werden, Abtreibungen mitfinanzieren zu müssen. Für die Gegner der Initiative handelt es sich dabei in Tat und Wahrheit um einen Angriff auf die Fristenlösung.
Grosskampftag für die Stimmenzählenden in fünf Zürcher Städten: In Zürich, Winterthur, Dietikon, Schlieren und Kloten werden am heutigen Sonntag Regierungen und Parlamente neu bestellt. Einzig in der Stadt Zürich ist das Stadtpräsidium umkämpft.
In Zürich treten zwei Mitglieder der Stadtregierung nicht mehr zur Wahl an. Heute sitzen in der Exekutive 4 Mitglieder der SP, 2 Grüne und je ein Vertreter von FDP, CVP und AL. Den Sitz des abtretenden Martin Waser will die SP mit Kantonsrat Raphael Golta verteidigen. Für die Grünen soll Gemeinderat Markus Knauss den Sitz von Ruth Genner verteidigen, die nicht mehr antritt.
Im Winterthurer Stadtrat stehen keine Rücktritte an. Heute setzt sich die Exekutive folgendermassen zusammen: 3 SP, 2 FDP, ein Grüner und ein CVP-Vertreter. Um die sieben Sitze kämpfen zehn Kandidierende. Neben den Bisherigen haben SVP, GLP und die Piratenpartei je einen Kandidaten ins Rennen geschickt.
Im Stadtrat von Dietikon sitzen heute je 2 Vertreter von SVP und CVP sowie je einer von FDP, SP und EVP. Ein CVP-Stadtrat tritt nicht mehr an und soll durch einen Parteikollegen ersetzt werden. Die SVP visiert einen dritten Sitz an, die SP einen zweiten. Neu in die Regierung drängen die Grünen, die AL und die Demokratische Partei (DP). Das Präsidium von Otto Müller (FDP) ist unbestritten.
Im Schlieremer Stadtrat halten heute SVP, FDP und SP je 2 Sitze, die EVP einen. Je ein amtierender Stadtrat von SVP und EVP tritt nicht zur Wiederwahl an. Die SVP will mit einem neuen Kandidaten ihren Sitz verteidigen. Von der EVP tritt niemand an. Diese Chance nutzen wollen GLP und CVP. Dem Stadtpräsidenten Toni Brühlmann (SP) macht niemand das Amt streitig. (sda/rey)