Erdbeben in Mittelitalien wecken alte Ängste

Erdbeben in Mittelitalien wecken alte Ängste

27.10.2016, 05:00

Zwei Monate nach der Erdbeben-Katastrophe in Mittelitalien mit fast 300 Toten haben erneut mehrere schwere Erdstösse die Region erschüttert. Der Zivilschutz schätzte die Folgen zunächst aber weniger schwer als befürchtet ein.

Nach offiziellen Angaben starb ein Mann, weil er wohl in Folge der Beben vom Mittwochabend einen Herzinfarkt erlitten hatte. Berichte über weitere Todesopfer gab es zunächst nicht. Es gab Schäden an Gebäuden in der Gegend nahe der Grenze der Regionen Marken und Umbrien. Das Ausmass der Schäden dürfte am Morgen deutlich werden.

Der heftigste Erdstoss wurde nahe der Ortschaft Visso südöstlich von Perugia gemessen. Die Stärke variierte nach Angaben unterschiedlicher Erdbebenwarten zwischen 5.9 und 6.1 auf der Richter-Skala. Viele Menschen hatten wegen eines Vorbebens schon ihre Häuser verlassen und hielten sich im Freien auf.

Die Erdstösse ereigneten sich in jener Region, die erst Ende August von einem heftigen Beben getroffen worden war. Damals kamen 298 Menschen ums Leben, die meisten davon in der Ortschaft Amatrice.

Schwere Schäden an Gebäuden

Nach den Beben vom Mittwochabend sei die Situation «weniger dramatisch als gedacht», sagte Zivilschutz-Chef Fabrizio Curcio der Nachrichtenagentur Ansa zufolge um Mitternacht auf einer Pressekonferenz.

Fernsehbilder zeigten schwere Schäden an Gebäuden. Spezial-Teams suchten nach möglichen Vermissten - es sehe derzeit aber so aus, als gebe es keine. Die nächsten Stunden würden zeigen, ob die Einschätzung der Lage so bleibe, sagte Curcio.

Der Bürgermeister von Camerino, Gianluca Pasqui, sagte Ansa zufolge, wie in anderen betroffenen Gemeinden gebe es auch in seiner Stadt keine Berichte über Vermisste, Verschüttete, Schwerverletzte oder Tote. «Das ist, was zählt.»

Rund 40 Menschen seien aber wegen leichter Verletzungen oder anderer Beschwerden aufgrund eines Schocks behandelt worden. Der Turm der Kirche Santa Maria in Via in Camerino stürzte auf ein Wohnhaus.

Die Kirche war laut Ansa bereits bei dem verheerenden Erdbeben vom 24. August beschädigt worden. Insassen eines Gefängnisses der Stadt wurden in eine andere Haftanstalt verlegt.

Erneute Beben wecken die Angst

Der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, sagte, auch in seinem Ort sei es erneut zu Schäden gekommen. «Es gab Einstürze, aber nur von Gebäuden, die schon beschädigt waren», sagte er laut Ansa. «Natürlich weckt das wieder die Angst.»

Augenzeugen in der Unglücksregion sprachen zunächst von einer «apokalytischen Situation». Die Erde habe «furchtbar lang» gebebt, sagte Marco Rinaldi, Bürgermeister der Gemeinde Ussita dem TV-Sender Sky TG24.

«Die kritischste Situation ist in Castelsantangelo sul Nera, wo die Stromversorgung fehlt», sagte Cesare Spuri vom Zivilschutz in der Region Marken. Der Bürgermeister des Ortes, Mauro Falcucci, sagte einem Fernsehsender: «Mit Sicherheit gab es Einstürze.»

In den Marken sollten drei Krankenhäuser geräumt werden. Am Donnerstag sollten mehrere Schulen in Mittelitalien geschlossen bleiben.

Schäden auch in Rom

Auch in Rom gab es Schäden. In mehreren Gebäuden seien Risse festgestellt worden, meldete Ansa. Nach dem ersten Erdstoss seien binnen einer halben Stunde rund hundert Notrufe beim Zivilschutz eingegangen.

Menschen liefen auf die Strasse, einige twitterten Videos von wackelnden Lampen und Fenstern, die sich durch das Zittern geöffnet hatten. Auch das Aussenministerium wurde sicherheitshalber geräumt.

Das jüngste Beben und die vorherige Katastrophe in der Region Ende August könnten nach Experteneinschätzung direkt miteinander zusammenhängen.

«Die Entfernung zwischen beiden Beben ist rund 30 Kilometer. Es ist also durchaus möglich, dass da eine gewisse Wechselwirkung ist», sagte der Seismologe Frederik Tilmann der Deutsche Presse-Agentur.

Der Forscher am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam hält es für denkbar, dass beide Ereignisse damit Teil eines grösseren Abbaus von Spannungen sind - mögliche weitere Beben sind damit nicht ausgeschlossen. (sda/dpa)

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