Der Schweiz drohen weitere Probleme wegen Trump – und damit Negativzinsen
Lange triumphierte Trump. Doch über den Sommer sind die wirtschaftlichen Folgen zutage getreten, die der US-Präsident mit seinem Zoll-Chaos und Massendeportationen verursacht. Es ist kein schöner Anblick, weshalb Trump wild auf die Überbringer von «Bad News» schiesst. Für die Schweiz könnte es nach den 39-Prozent-Zöllen den nächsten Schock geben, der sie noch stärker hin zu negativen Zinsen drängt.
Am Anfang war Trumps Verrat. Vor den Wahlen hatte er noch versprochen: «Die Preise werden sinken. Sie werden es sehen.» Laut Umfragen verdankte er seinen Sieg dann tatsächlich ärmeren und schlecht informierten Wählern, die stark unter der Inflation gelitten hatten.
Trump dankte es mit rekordhohen Zöllen von aktuell durchschnittlich 18,6 Prozent auf alle Importe – und damit den höchsten Zöllen seit neun Jahrzehnten. Dann boxte er ein «grosses, schönes» Steuergesetz durch, eine Umverteilung von Arm zu Reich. Beides zusammen macht laut dem Budget Lab der Universität Yale nur die reichsten 10 Prozent reicher, alle anderen ärmer. Die untersten 10 Prozent verlieren gar 7 Prozent ihres Einkommens.
Ökonomen warnten, die Zölle würden wie eine Steuererhöhung auf den Konsum wirken, die Inflation beschleunigen und das Wachstum verlangsamen. Aber lange war davon nichts zu sehen. Als würden die Zölle die Amerikaner nichts kosten. Die Börse boomte. Trump triumphierte.
Doch im Juli zeigten erste Daten, dass die Zölle tatsächlich wehtun. Die Unternehmen zahlen viel mehr für ausländischen Stahl und Aluminium, viel mehr für Textilien, Gummi oder Kunststoffe. «Die Illusion kostenloser Zölle beginnt sich aufzulösen», schrieb die «Washington Post». Irgendwann würden die Unternehmen diese Kosten weitergeben und höhere Preise fordern für Autos, Häuser oder Kühlschränke.
Gemüsepreise gehen durch die Decke
Im August hatten die Zölle en masse die Konsumwaren erreicht. Als erstes Produkt wurden Spielzeuge teurer. Dann erhöhte Walmart, grösster US-Detailhändler, die Preise für Babyartikel oder Küchengeräte, Nike für einige seiner Schuhe, Procter & Gamble für ungefähr einen Viertel seiner Produkte wie Windeln, Waschmittel oder Zahnbürsten. Kaffee schlug im Einzelhandel um 14,5 Prozent auf.
Bei den Unternehmen hat sich schon weiterer Preisdruck aufgestaut. Das zeigt der Index der Produzentenpreise – jener Preise, die Unternehmen einander im Grosshandel verrechnen. Im Juli stiegen diese Preise so stark, dass mancher Analyst erst an einen Tippfehler glaubte: um 0,9 Prozent, aufs Jahr hochgerechnet wären das fast 11 Prozent.
Gemüse verteuerte sich um fast 40 Prozent. Zu verdanken haben dies die Amerikaner den Zöllen gegen Mexiko und den Massendeportationen. Mancher Farmer klagt über den Verlust von 70 Prozent seiner Arbeitskräfte. Neue Zölle erhebt Trump auch gegen Brasilien, von wo die USA rund einen Drittel ihres Kaffees bezieht. Gerösteter Kaffee kostet nun im Grosshandel verglichen zum Vorjahr um 30 Prozent mehr.
Früher oder später wird dieser Preisdruck voll bei den Konsumenten ankommen. Laut der Ratingagentur Moody’s wird dies im Frühling 2026 so weit sein und die Inflation dann einen Höchststand von 4 Prozent erreichen. Ein Problem bleibt selten allein.
Die Konsumenten sind so schlecht gestimmt wie sonst nur in Rezessionen. Anscheinend sparen sie bereits, wo sie sparen können. Im Sommer vor allem bei den Ferien: bei Hotels, Flügen und Restaurants. Im Alltag anscheinend beim Einkaufen. Im Detailhandel ist der Umsatz in diesem Jahr bisher dreimal langsamer gewachsen als letztes Jahr, nach Abzug der Inflation gar nicht mehr.
Trump schiesst auf Überbringer schlechter Nachrichten
Die Wirtschaft schafft viel weniger Jobs. Frühere Schätzungen zum Jobwachstum mussten so stark nach unten korrigiert werden, wie zuvor nur in der Corona-Pandemie. Und schliesslich ist die gesamte Wirtschaft nicht mehr, was sie letztes Jahr noch war: Ihr Wachstum hat dieses Jahr stark nachgelassen.
Die Zahlen irritierten Trump so sehr, dass er auf die Überbringer der schlechten Nachrichten losging. Er entliess die Chefin des Büros für Labour Statistics, das für die Jobzahlen verantwortlich ist. Und er wollte den Chefökonom der Investmentbank Goldman Sachs, Jan Hatzius, gefeuert haben. Hatzius hatte aus den tristen Zahlen triste Schlüsse gezogen.
Trump wird weiter auf die Überbringer schlechter Nachrichten schiessen müssen. Hatzius hat zuletzt gesagt, die Wirtschaft wachse «sehr langsam» und nähere sich einem «Stall Speed», unterhalb dessen sich der Arbeitsmarkt unkontrolliert abschwäche. Laut Mark Zandi, Chefökonom der Ratingagentur Moody’s, befindet sich ein Drittel der Branchen in einer Rezession, ein Drittel trete auf der Stelle und nur ein Drittel der Branchen wachse noch. Zandi folgert: «Die USA stehen am Rande einer Rezession.»
Für die Schweiz bedeutet dies, dass sie weiter in Richtung negativer Leitzinsen gedrängt wird. Die 39-Prozent-Zölle werden bereits diese Wirkung haben, sofern Trump nicht umdenkt. Die Ökonomen der Bank J. Safra Sarasin schreiben, ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen sei dann so gut wie sicher. Man glaube zwar nicht, dass es tatsächlich so komme, doch sei dadurch das Risiko «deutlich gestiegen», dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Dezember ihren Leitzins um einen halben Prozentpunkt senken muss – und die Schweiz wieder auf negative Zinsen zurückfällt.
Dieses Risiko wird noch grösser mit einer nur sehr langsam wachsenden oder gar in eine Rezession fallenden US-Wirtschaft. Die Schweizer Wirtschaft, die im ersten halben Jahr kaum gewachsen ist, wird zusätzlich gebremst. Die bereits schwache Inflation wird noch schwächer. Die SNB gerät noch mehr unter Zugzwang, etwas für die Konjunktur zu tun und die Inflation zu stärken.
Entscheidend wird sein, ob der Schweizer Franken noch stärker wird zum Dollar. Je mehr dies der Fall ist, desto eher wird SNB-Präsident Martin Schlegel nicht um den Negativzins herum können – auch wenn er dies laut eigener Aussage sehr gerne tun würde. (aargauerzeitung.ch)