Die europäischen Staatsoberhäupter haben in ihren Grussworten zur Gotthard-Eröffnung der Schweiz für ihre Weitsicht und den Mut gedankt, den Tunnel zu bauen. Er sei besonders wichtig für den europäischen Zusammenhalt.
«Der Gotthard ist weitaus mehr als ein Tunnel», sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel vor den geladenen Gästen in Pollegio TI. Damit gingen Norden und Süden aufeinander zu. Der Basistunnel stehe symbolhaft für das Verbindende, das es zu sehen und stärker zu nutzen gelte.
Der Tunnel erhöhe den Takt der Zusammenarbeit und schaffe neue Visionen der Freizügigkeit. In letzter Zeit sei viel über Grenzen gesprochen worden. Diese müssten geschützt werden, versicherte Merkel. Mit dem Tunnel würden die Binnengrenzen aber durchlässiger, was das Kernelement der europäischen Integration sei.
In guter Schweizer Tradition seien alle eingebunden worden, auch die Bevölkerung. Der Tunnel sei pünktlich fertig geworden, sagte Merkel selbstkritisch. «Der Gotthard ist wie das Herz, nun fehlt noch die Aorta», ergänzte sie mit Blick auf die deutsche Anbindung. Merkel versprach, mit noch mehr Elan an die anstehenden Aufgaben zu gehen.
«Ein solches Bauwerk geht nicht ganz ohne Unfälle», sagte Merkel. Sie gedachte deshalb der neun Mineure, die während der Bauarbeiten ihr Leben verloren hatten.
«Frankreich verneigt sich vor der Schweiz»
Der französische Präsident François Hollande benutzte seine Rede dazu, seine Vision eines gemeinsamen Europa zu betonen. «Heute ist in der Schweiz der europäische Traum Realität geworden.» Die Schweiz habe mit diesem Tunnel Tradition und Innovation verbunden und damit eine Zukunft für Europa gebaut.
«Sie haben aber noch mehr getan, als nur ihre eigenen Interessen zu dienen», sagte Hollande. Die Schweiz habe eine Infrastruktur geschaffen zum Transport von Waren und Personen, und das komme ganz Europa zu Gute. Dieser Geist sei notwendig, und dieser Wind sollte auch wieder in den Mitgliedsländern Europa wehen. «Wir befinden auf dem gleichen Kontinent», sagte Hollande. Europa müsse der Welt zeigen, wozu es fähig sei. Denn Europa sei auch ein Traum.
Je weiter das Ziel entfernt liege, desto genauer müsse man zielen. «Aber wenn man daran glaubt, kann man alles schaffen.» Grosse Werke hätten immer auch eine symbolische Bedeutung. Denn sie stünden für Öffnung, Freiheit, die Verbindung von Räumen, die getrennt vorher waren.
Frankreich bewundere grosse Werke und verneige sich deshalb vor der Schweiz. Dazu komme, dass hier die Züge mit 200 km/h fahren könnten. «Auch das wäre zur Zeit in Frankreich eine Leistung», sagte Hollande in Anspielung an die Streiks im öffentlichen Verkehr in Frankreich.
Die Infrastruktur des Gotthard-Basistunnels diene aber auch den Zielen der Pariser Umweltkonferenz. Denn das Projekt werde den CO2-Verringerung beitragen und die Fahrten zu beschleunigen. Die Schweiz habe damit die Beschlüsse der Pariser Umweltkonferenz sofort umgesetzt.
«Ein grosser Tag für Europa»
Auch der österreichische Bundeskanzler Christian Kern gratulierte der Schweiz zur Realisierung eines «aussergewöhnlichen Projekts». Das sei nicht nur ein grosser Tag für die Schweiz, sondern auch ein grosser Tag für Europa.
Denn die Schweiz habe eine Infrastruktur geschaffen, von der noch viele Generationen profitieren könnten, sagte Kern in seiner Rede in Pollegio TI . Die ambitionierte Politik der Schweiz, den Verkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern, sei eine Investition in die Lebensqualität und in den Umweltschutz. «Und davon werden auch wir als Anreinerstaaten im grossem Masse profitieren», sagte Kern.
Das Projekt habe aber nicht nur ökologische und soziale Aspekte. Hier gehe es auch um die Konkurrenzfähigkeit Europas und damit um Arbeitsplätze. Der Gotthard-Tunnel sei Teil des industriellen Erbes Europas. Denn der Kontinent sei entlang der Eisenbahn gross geworden.
Dieses Projekt zeige, dass Europa auf der ganzen Welt Massstäbe setzen könne. Kern dankte der Schweiz, dass sie symbolhaft gezeigt habe, «wie man unseren Kontinent wettbewerbsfähiger, erfolgreicher, lebenswerter machen kann.»
Appell an europäische Partner
Bundespräsident Schneider-Ammann sieht die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels als Ausdruck der gemeinsamen Werte in Europa. Um die bilateralen Fragen zu klären, sei der Weitblick gefragt, der auch zur Realisierung des Jahrhundertwerks notwendig gewesen sei.
Der heutige Tag falle in eine Zeit, in der einige Aspekte in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU geklärt werden müssten, sagte Schneider-Ammann im Grusswort in Pollegio TI in Anwesenheit europäischer Staatschefs. Für die Schweiz blieben sie die wichtigsten Partner.
Dank Weitsicht, Mut, Durchhaltewillen und viel Engagement sei es möglich gewesen, die Neue Eisenbahn-Alpentransversale NEAT mit dem Herzstück Gotthard zu vollenden.
Die Baustelle sei zwar geschlossen, aber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz und Europa hätten viele weitere zu bewältigen. «Ich bin überzeugt, dass wir diese grossen Herausforderungen meistern können», sagte er. «Wir müssen die Zukunft miteinander gestalten.»
Der Bundespräsident gedachte mit einem Schweigemoment auch der neun Menschen, die beim Bau des Tunnels ihr Leben verloren hatten. Ihnen gelte besonderer Dank. (sda)