Das ist das Pendant São Paulos zur Zürcher Bahnhofstrasse, sagen mir zumindest Einheimische. Beim Schlendern durch die grosse und stark befahrene Strasse fallen die vielen Parfumerien auf, aus welchen süsse Düfte strömen, die sich sofort mit dem Abgas des Strassenverkehrs mischen. Dutzende Banken und Kleiderläden verteilen sich auf die drei Kilometer lange Strasse. Sie gehört zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in São Paulo und ist laut Reiseführern ein «Must-See» für alle Touristen. Doch man kann sich ernsthaft fragen, wieso das so ist: Es ist eine laute, stinkige, graue Strasse ohne jegliches Flair und voll von gestressten Menschen, die durch den Verkehr hetzen.
Man droht nicht nur wegen der vielen Abgase zu ersticken, sondern auch ob der erschreckenden Vielzahl Obdachloser, die mitten auf der Strasse und den Trottoirs hausen. Nur durch Wolldecken oder Karton-Abfälle geschützt. Zum Teil auch halbnackt, der Kopf auf einem Stein liegend – direkt vor dem Eingang einer brasilianischen Grossbank. Es scheint, als sei das jedem egal. Sowohl der omnipräsenten Polizei wie auch den Schlipsträgern und feinen Damen, welche mit Luis «Witong»-Taschen (ja, Witong – gefälscht sind die nämlich…) rumlaufen.
Über den Hochhäusern hört man immer wieder mal die Rotoren eines Helikopters. Weil São Paulo dermassen gross ist, fliegen viele Reiche mit dem Helikopter arbeiten oder sogar shoppen (São Paulo ist laut Wikipedia die Stadt mit der höchsten Helikopterdichte)!
Noch bei der Ankunft dachte ich, dass mich in São Paulo eine fröhliche Menschenmenge und zahlreiche Fussballfans erwarten. Nach einem ersten Eindruck rund um die Avenida Paulista sind meine Erwartungen jedoch nicht erfüllt worden. Die Fussgänger erwecken einen gestressten Eindruck, die Blicke sind stets auf den Asphalt gerichtet oder sie sprechen gehetzt in ihre Handys und gestikulieren wild vor sich her. Und dabei übersehen sie die allgegenwärtige Armut in der berühmtesten Strasse São Paulos.
Übrigens: Von Fussball, WM und der vermeintlichen Euphorie merkt man (noch) erstaunlich wenig bist gar nichts – trotz des kurz bevorstehenden Eröffnungsspiels. Mehr dazu folgt jedoch im kommenden Eintrag.