Gemalte Comics - Revolutionär im Cartoonmuseum Basel

Gemalte Comics - Revolutionär im Cartoonmuseum Basel

09.11.2017, 17:16

Mit Lorenzo Mattotti stellt das Cartoonmuseum Basel einen Comic-Revolutionär vor. Die Retrospektive zeigt die ganze Kunst des 1954 geborenen Italieners, von zarten Zeichnungen bis zu vor Farbigkeit berstenden Geschichten.

Die am Samstag öffnende Ausstellung verblüfft mit Mattottis stilistischer Vielfalt, zumal auch Bildende Kunst in seinen Werken aufblitzt: mal ein Pop-Art-Konzept für einen Comic, mal ein russischer Landschaftshintergrund bei einem Zeitschriftencover, mal ein surrealistisches Motiv in einer Freud-Bilderreihe.

Er glaube, Stil existiere gar nicht, erklärte Mattotti am Donnerstag vor den Medien im Cartoonmuseum, sondern es gebe Bedürfnisse sich auszudrücken, und diese nähmen dann eine Form an. Just in dieser Form liegt indes die Kunst, und er ist ein fantasievoller Meister, der sich immer wieder neu erfindet, indem er seinen Gefühlen folgt.

Von grell zu düster

Als Architekturstudent begann er in den 1970er-Jahren Comics zu zeichnen, und fand bald zu einem dynamischen, expressiven Stil ohne viele Worte. Kunst, Architektur, Film und Design zog er heran für üppige, grelle Bilder.

Damit berühmt geworden, wechselte er für den 1986 publizierten Comicroman «Feuer» zu Figuration und Abstraktion und düstereren, schwereren Farben. Innere Zustände und Prozesse macht er sichtbar mit der Verschmelzung von realen Motiven mit Mythen und mehr, dabei dominiert teuflisches Schwarz-Rot.

Für eine passende Dichte arbeitete er beim «Feuer» mit speziellen Pastellfarben, wie er erklärte, damit die Emotionen wirkten, von Expression und Narration zusammen gehalten. So haben zwischen vielen delirösen Frames auch einzelne fast kubistische oder Art-Déco-haft ruhige passend Platz. Nebenbei kamen im «Feuer» auch die Linien abhanden, was diese Comicbilder näher an Gemälde rückt.

Von Frauen fasziniert

Mattotti ist kein Getriebener, sondern komponiert sehr bewusst, wie ein Titelbild für der «New Yorker» von 2005 belegt: Darauf steht eine Frau in Schwarz für das (damalige) modische Comeback dieser Farbe; der Bildhintergrund zeigt knallbunte Frauen in wilder Bewegung - der Kontrast wirkt so stark und physisch greifbar.

Illustrationen hat er neben Zeitschriften auch etwa für Theater gemacht. In Basel zu sehen sind solche mit Anspielungen auf Shakespeare, Kafka und andere. Eine ganz andere Wirkung haben die Originale der schwarzweissen Bildergeschichte «L'homme à la fenêtre» von 1992, die Geschichte der Trennung von seiner Ehefrau.

Seine Art, Frauen zu sehen, habe sich mit der Zeit verändert, sagte er weiter. Einen Raum dominiert denn auch ein Zyklus von aus dem Gedächtnis portätierten, ihm unbekannten, zufällig gesehenen Frauen, «portraits imaginaires», wie er sie nennt. Mund, Augen, das Licht seien «Mysterien», die ihn an jenen Anonymen faszinierten.

Skizzen als Spielplatz

Seit langem begleiten ihn zudem Skizzenbücher, die er nicht für Übungsvarianten einer späteren definitiven Version benutzt, sondern für ausgearbeitete Improvisationen. Von deren Bandbreite zeugt eine Vitrine mit verschiedenen Skizzenbüchern, die teils erotische Motive und ein handkoloriertes Metall-Relief einer Strassenszene enthalten.

Das jüngste Buch - die meisten bisherigen sind weitgehend vergriffen - ist ein doppeltes Skizzen-Buch: Zur Basler Ausstellung hat der Christoph Merian-Verlag einige seiner Skizzen-Tuschzeichnungen unter dem Titel «Ligne fragile» zusammengestellt. Diese privaten Notizen würden selten gezeigt, sagte er; sie seien sehr persönlich, zeigten momentane Stimmungen und spontane Ideen, oft von Musik inspiriert.

Derzeit arbeitet Mattotti an einem Trickfilm, der im kommenden Jahr fertig werden soll. Neben dieser ungewohnten Teamarbeit im Studio komme er kaum dazu, für sich kreativ zu sein. So zeichne er halt im Hotel oder im Zug.

Wie Bild- und Erzählkonzepte von Comics und Malerei zueinander stehen erörtert übrigens am 13. Dezember der Basler Kunstmuseums-Direktor Josef Helfenstein in der Mattotti-Ausstellung im Gespräch mit Cartoonmuseum-Leiterin Anette Gehrig.

www.cartoonmuseum.ch (sda)

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