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Ich hatte sie alle, Menschen mit Filmen, Büchern, Alben und Ansprüchen, sehr und weniger berühmte, und alle waren nette Interviewpartner. Nie angewidert. Weshalb ich mir an einem strahlend schönen Dienstag auch meine acht Minuten mit Hugh Grant nett vorstelle, nämlich ganz genau so:
Ich überreiche Hugh Grant einen Brief, den mir die Regisseurin von «Bridget Jones» extra für ihn mitgegeben hat. Sie sagte dazu: «This should break the ice.» Okay, das hätte mich stutzig machen müssen: Wo Eis gebrochen werden muss, ist ja wohl auch welches anzutreffen. Aber gut: Ich überreiche ihm also den lieben Brief einer lustigen Britin, seine müden Züge schmelzen, er sagt: «Oh, but that's lovely! How charming!», und wir beginnen eine enorm gelöste Plauderei.
In meiner Fantasie geht sie so: Ich gebe ihm zwei Klassiker der englischen Liebeslyrik, das «Sonnet 116» von Shakespeare und «Bright Star» von John Keats, beide spielen in Hugh Grants neuem Film «Florence Foster Jenkins» eine Rolle, er rezitiert sie für seine Filmgattin Meryl Streep, sie kann dann besser einschlafen.
Ich bitte also Hugh Grant darum, für uns vor laufender Kamera eins der unvergleichlichen, unsterblichen Gedichte vorzulesen. Natürlich macht er das von Herzen gern. Danach sage ich: «Let's talk about love.» Und er so: «Of course, just ask me anything!» Und wir beginnen eine lustige und irre kluge Metaunterhaltung über die Filmliebe zwischen ihm und Meryl Streep.
Hugh Grant spielt nämlich einen Mann mit zwei Frauen. Also sich selbst. Während Meryl Streep, die grösste Monogamistin Hollywoods, irgendwie auch sich selbst spielt. Hugh Grant hat schon oft gesagt, dass er Monogamie wirklich für das letzte und langweiligste aller Beziehungsmodelle halte.
Ich schwöre: Meine Fragen sind raffinierter formuliert, als dies jetzt vielleicht klingen mag. Und charming, oh so charming. Und ich hab sie geübt, ist ja schliesslich alles auf Englisch und erst noch mit einem besonders britischen Briten. Das ist der Plan. Am Ende, da bin ich mir sicher, wird er sagen: «That was lovely!» und das Interview vertwittern. Sowieso. Das ist der Traum.
Die Realität beginnt damit, dass Hugh Grant aufs WC muss. Vorbei an den wartenden Journalistinnen. Wir strahlen ihn an. Er uns nicht. Sicher wirken wir verzweifelt.
Dann müssen er und ich ins Interviewzimmer. Hinter mir läuft eine Kamera. Interviews mit Kameras sind tückisch. Sie dokumentieren das Zerrinnen von Zeit, Selbstsicherheit und guter Laune gnadenlos. Ich sag: «Ich bin von watson, das ist sowas wie das schweizerische ‹Buzzfeed›.»
«Ich weiss nicht, was ‹Buzzfeed› ist.»
Ich geb ihm den Brief der lustigen Britin. Das Eis bricht nicht, es wird noch dicker. Sicher denkt er: Ogott, nicht NOCH eine Bridget-Jones-Notting-Hill-Romcom-Tussi!
Ich beginne: «In Ihrem wunderbaren neuen Film spielen zwei Gedichte eine Rolle. Ich habe sie Ihnen mitgebracht und würde mich freuen, wenn Sie ...»
«Gut», sagt er, «ich lese den Keats.»
Er wirft einen fahlen, schalen Blick auf den Keats, der ihm schon begeistert «Bright star!» entgegen jubelt.
Hugh Grant denkt nach. In seinem Gesicht erlischt der letzte Funke von Goodwill.
Er sagt: «Nein, das ist seltsam, lassen wir das.»
Hm. Wäre er ein Amerikaner, er würde jetzt sein Profi-Lämpchen anknipsen und mitmachen. Pardon, Hugh Grant, ich wollte Sie nicht ärgern. Ja, Sie dürfen auch mal ein grantiger Grant sein, aber ich mein's doch nicht böse! Ich zapp auch nie weg, wenn Ihre Filme laufen! Ehrlich!
Ich sage: «Okay, beginnen wir von vorn: Sie standen nicht nur mit Meryl Streep, sondern auch mit Simon Helberg, dem Howard aus der ‹Big Bang Theory› vor der Kamera ...»
«Ich kenne die ‹Big Bang Theory› nicht. Aber es ist verrückt, wie reich Simon Helberg damit geworden ist.»
Die Fragen, die jetzt folgen, werden immer schlechter, da improvisiert. Also richtig schlecht. Im Stil von: «Es sieht aus, als hätten Sie enormen Spass gehabt beim Dreh.»
«Das meinen die Leute immer. Dreharbeiten sind langweilig.»
Wieso frag ich überhaupt so einen Scheiss? Weil es das einzige ist, was mir in den Sinn kommt. Und wo bleibt eigentlich sein berühmtes britisches Buben-Lächeln? Vielleicht für eine Viertelsekunde?
«Sie spielen einen Mann zwischen zwei Frauen, Sie selbst haben sich schon oft und öffentlich gegen die Monogamie ausgesprochen, was ist das ideale Konzept von Liebe?» –
«Keine Ahnung, ich bin kein Experte.»
«Meryl Streep dagegen ist eine grosse Advokatin der Monogamie.» Hab ich das echt gesagt? Wieso frag ich nicht: «Was halten Sie vom Brexit?» Das verdammte Unterbewusstsein macht die Sache mit Fleiss immer noch schlimmer.
«Echt?»
Okay, ich bin ein Krümel. Ein hässlicher, dummer, übel riechender Krümel, das hab ich jetzt begriffen. Bitte, lieber Aufnahmeleiter, gib mir das Zeichen, dass die acht Minuten um sind! Please! Pleaeaease! «Was macht Sie glücklich?»
«Die Minibar in meinem Hotelzimmer.»
Das Zeichen! Yesss! Es kommt!
Der Aufnahmeleiter drückt mir eine Speicherkarte mit dem Interview in die Hand. Niemand wird es jemals sehen. Ich werde das schwarze Stück Plastik von einem Redaktionshund irgendwo an einem dunklen Ort verscharren lassen.