In Hanoi hat am Montag der Korruptionsprozess gegen den mutmasslich aus Berlin entführten Vietnamesen Trinh Xuan Thanh begonnen. Der Prozess soll zwei Wochen dauern
Dem ehemaligen KP-Funktionär und früheren Chef eines staatlichen Erdölförderanlagen-Unternehmens werden Missmanagement und Unterschlagung vorgeworfen.
Bei einer Verurteilung drohen ihm eine langjährige Haftstrafe oder sogar die Todesstrafe. Neben Thanh mussten sich auch das ehemalige Politbüro-Mitglied Dinh La Thang und 20 weitere ranghohe Funktionäre vor Gericht verantworten.
Thanh, der in Deutschland Asyl beantragt hatte, soll Ende Juli vom vietnamesischen Geheimdienst in Berlin verschleppt und nach Vietnam gebracht worden sein. Der Fall löste eine Krise im diplomatischen Verhältnis beider Länder aus: Das Auswärtige Amt sprach von «Menschenraub» und «Entführung».
Die vietnamesische Regierung bestreitet die Vorwürfe, sie betont, Thanh sei freiwillig zurückgekehrt, um sich dem Verfahren zu stellen. Die deutsche Regierung hatte angekündigt, den Prozess beobachten zu wollen.
«Vertrauen zerstört»
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte am Montag vor Journalisten, Berlin habe «von Anfang an die Entführung klar und deutlich als völlig inakzeptablen Bruch des Völkerrechts und als Vertrauensbruch verurteilt». Regierungssprecher Steffen Seibert fügte hinzu, es sei klar gesagt worden, «dass dadurch das Vertrauen zwischen unseren beiden Regierungen zerstört ist».
Das Auswärtige Amt dringe darauf, dass der Prozess «unseren hohen rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt», sagte der Ministeriumssprecher. In vertraulichen Gesprächen sei deutlich gemacht worden, «dass wir von der vietnamesischen Seite Signale erwarten, die uns dabei helfen, über diesen Vertrauensbruch hinwegzukommen».
Die Regierung in Hanoi wisse, was sie zu tun habe, «um zu einer Normalisierung der Beziehungen zurückzukehren». Vertreter der deutschen Botschaft seien im Gerichtsgebäude und beobachteten den Prozess.
Die Staatsanwaltschaft macht Thang und Thanh für den Verlust von umgerechnet 5 Millionen Franken des staatlichen Unternehmens PetroVietnam Construction verantwortlich. Ihnen drohen wegen Missmanagement 20 Jahre Haft. Ex-Chef Thanh muss sich zudem wegen Unterschlagung verantworten, ihm droht die Todesstrafe. Für den Prozess wurden zwei Wochen veranschlagt.
Politisch motiviertes Verfahren
Der plötzliche Sturz der ranghohen Funktionäre hat im autoritär regierten Vietnam für Überraschung gesorgt. Nach Angaben politischer Experten ist das Verfahren jedoch in erster Linie politisch motiviert: Zum einen wolle die Führung ihren Willen demonstrieren, gegen Korruption hart durchzugreifen, zum anderen nutze sie das Verfahren, um gegen politische Widersacher vorzugehen. Damit verfolge sie eine ähnliche Strategie wie die kommunistische Führung im benachbarten Peking.
Ein nach Singapur geflüchteter vietnamesischer Geheimdienstoffizier mit Hintergrundwissen zum Fall des aus Berlin verschleppten Thanh war vergangene Woche in sein Heimatland abgeschoben worden. Phan Van Anh Vu wurde unmittelbar nach seiner Ankunft in Hanoi am Donnerstag festgenommen und wegen Verstosses gegen das Einwanderungsgesetz in Singapur ausgeliefert worden, wie die vietnamesische Regierung mitteilte.
Die vietnamesische Polizei wirft dem 42-Jährigen den Verrat von Staatsgeheimnissen vor und schrieb ihn deshalb zur Fahndung aus. Vus Anwälte hatten die Aufnahme ihres Mandanten in Deutschland beantragt und davor gewarnt, dass ihm in Vietnam die Todesstrafe droht. Nach Angaben seines deutschen Verteidigers verfügt der 42-Jährige über «wertvolle Informationen» zur Verschleppung Thanhs aus Berlin «und darüber hinaus». (sda/afp/reu)