Gotthard 2016: Buntes Farbspektakel zu ersten Zugfahrten durch den neuen Gotthard

Gotthard 2016: Buntes Farbspektakel zu ersten Zugfahrten durch den neuen Gotthard

01.06.2016, 13:16

Die ersten Züge sind durch den neuen Gotthard-Basistunnel gefahren. Sie kamen gleichzeitig - unter Pfiffen und tosendem Applaus - im Süden und im Norden an. Eine bunte Show auf der Freilichtbühne vor dem Südportal rundete das Spektakel ab.

Die Freilicht-Inszenierung in Pollegio TI ging nach tagelangen Regenfällen im Tessin am Mittwoch sogar trocken über die Bühne. Ein buntes Ensemble aus Tänzern, Sängern und Akrobaten entführte in die Welt der Mythen und Mineure, auch im Norden des Tunnels.

Mit 600 Darstellerinnen und Darstellern inszenierte der Theaterregisseur Volker Hesse ein Spektakel zum Mythos Gotthard und dem hochmodernen neuen Tunnel. Auch diverse Musiker, darunter Alphornbläser, das Armeespiel und lokale Chöre hatten ihren Auftritt. Die internationalen Künstler stammen aus Chile, Spanien, Frankreich und Deutschland - sie arbeiten zusammen mit Laien aus der Gotthard-Region.

Bereits im Vorfeld hatte Hesse bei einer Probe verlauten lassen, dass ein «nichtsprachliches Programm» geschaffen werden solle, sodass alle Gäste die Inszenierung problemlos verfolgen können. Wesentliche Unterstützung für die Inszenierung kam von der Accademia Teatro Dimitri aus Verscio TI.

Die Inszenierung in Rynächt UR fand in einer langen und kahlen Betonhalle statt. Sie wurde durch Licht und Ton in eine gespenstische Atmosphäre getaucht. Eine Reprise der Inszenierung ist für den Publikumsanlass vom 4. und 5. Juni am Südportal vorgesehen.

«Bahn frei!»

Kurz nach 12.15 Uhr hatte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann das Signal für die beiden Eröffnungszüge gegeben. An Bord waren jene 1000 Personen, die in der Verlosung Anfang Jahr ein Ticket ergattert konnten.

Schneider-Ammann endete mit den Worten: «Bahn frei! Place aux trains! Via libra pils trens! Via libera ai treni!» Der Tunnel wurde rund 17 Jahre nach Baubeginn eröffnet - es ist der längste Eisenbahntunnel der Welt.

3000 Personen stehen im Einsatz, damit der Anlass glatt über die Bühne geht, 300 in- sowie ausländische Medienvertreter werden über den Anlass in alle Welt berichten. Für die Sicherheit der Gäste sorgen neben der Polizei bis zu 2000 Armeeangehörige.

Rund 8 Millionen Franken soll der gesamte Anlass kosten. Über dem «Grossraum Gotthard» gilt eine Verkehrssperre für die Zivilluftfahrt und die Luftwaffe.

Tunnel gesegnet

Zuvor war der Tunnel feierlich gesegnet worden. Geistliche dreier Religionen führten vor der offiziellen Eröffnung gemeinsam eine Segnungszeremonie im Berg durch. Pater Martin Werlen besprengte den sogenannten Mustertunnel mit Weihwasser.

Zwei Kilometer tief im Berg drin, umgeben von den grauen Betonwänden des Zuganggsstollens Amsteg, segneten die Geistlichen den wenige Meter entfernten Basistunnel. Im Licht von einigen wenigen Scheinwerfern beteten ein Pater, eine Pfarrerin, ein Imam und ein Rabbiner um den Segen für alle Reisenden und Arbeiter im Tunnel. Auch ein Atheist nahm an der Zeremonie teil.

Diese fand aus Sicherheitsgründen nicht im Tunnel selbst, sondern in einem sogenannten Mustertunnel statt - einer grauen, rund zehn Meter langen Röhre mit Geleisen in der Mitte. Die schlichte Zeremonie kam ohne Musik und Publikum aus. Szenen von der Segnung sollen aber später an der Eröffnungsfeier gezeigt werden.

Hindernisse überwinden

Die Geistlichen baten Gott um den Schutz der Reisenden. «Halte Deine segnende Hand über allen, die in Zukunft in diesem Tunnel arbeiten oder als Reisende unterwegs sind», betete die reformierte Pfarrerin Simona Rauch auf Italienisch. Sie gedachte der neun Todesopfer, die der Bau des Tunnels gefordert hatte.

Die aus Lugano stammende Pfarrerin rief angesichts der Eröffnung des längsten Eisenbahntunnels der Welt dazu auf, Hürden zu überwinden: «Ermutige uns, dass wir nicht vor hohen Bergen ratlos stehen bleiben, sondern über alle Hindernisse hinweg immer neu den Weg zum Miteinander suchen.»

Auch Rabbiner Marcel Yair Ebel aus Zürich und Imam Bekim Alimi aus Wil SG nahmen in ihren kurzen Gebeten Bezug auf den neuen Reiseweg. Ebel bat Gott, «uns friedlich zu führen, gefahrlos gehen zu lassen, damit wir wohlbehalten ans Ziel gelangen».

Imam Bekim Alimi aus Wil SG bat Allah um Sicherheit und Brüderlichkeit. «Erleichtere den Weg derjenigen, die uns diese Reise erleichtert haben, und ermögliche uns, anderen ihre Reise zu erleichtern», betete er laut Redetext.

Vertrauen in die Macht des Guten

Die in der Schweiz wachsende Gruppe von Menschen ohne Religionszugehörigkeit wurde an der Zeremonie durch Pieter Zeilstra vom Bundesamt für Verkehr (BAV) vertreten. Der Gotthard-Basistunnel sei eine Gelegenheit, um Nord und Süd nicht nur geografisch näher zu bringen, sagte der Leiter der Abteilung Sicherheit beim BAV.

Der Tunnel verbinde Regionen, Kulturen, Sprachen, aber auch Religionen und Menschen, die zu keiner Religionsgemeinschaft gehörten. Die vielen Menschen, die am Bau des Tunnels beteiligt waren oder ihn künftig nutzen werden, verbinde «das Vertrauen in die Macht des Guten im Menschen», sagte Zeilstra.

Vor der Zeremonie waren die Geistlichen begleitet von Polizisten in den Zugangsstollen gefahren worden. Mit dabei waren auch einige Medienschaffende. Auf Bitten der Kameramänner segnete Werlen den Tunnel gleich zwei Mal. (sda)

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