Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf tritt am 9. Dezember nicht zur Wiederwahl an. «Ich scheide per Anfang Jahr aus dem Bundesrat aus», sagte BDP-Finanzministerin am Mittwoch vor den Bundeshausmedien in Bern. «Ich habe intensive Jahre hinter mir.»
Den Entscheid, am 9. Dezember nicht mehr als Bundesrätin anzutreten, habe sie mit ihrer Familie, ihren Freunden, den Parteikollegen diskutiert, sagte Widmer-Schlumpf. Vor der offiziellen Bekanntgabe habe sie den Nationalratspräsidenten Stéphane Rossini (SP/VS) informiert.
Die abtretende Finanzministerin sagte, sie habe in den vergangenen Tagen Hunderte Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern erhalten. Das habe sie gefreut.
Widmer-Schlumpf zählte wichtige Stationen ihrer mittlerweile dreissig Jahre dauernden politischen Laufbahn auf - darunter die acht Jahre in der Bundesregierung. «Ich hatte als Anwältin und Juristin eine sehr interessante Zeit im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD).»
Die abtretende Bundesrätin zählte vor allem ihre Erfolge auf. «Wir haben viele Reformen durchgebracht.» Namentlich erwähnte sie auch die Affäre Tinner und den Fall Polanski. Schmunzelnd fügte sie hinzu: «Da waren meine Ferien im Eimer.»
Bevor sie ihren Entscheid mitteilte, spannte die abtretende Bundesrätin aber die Journalisten auf die Folter: «Es gibt nichts gratis jetzt» und spielte auf den vollen Mediensaal an und referierte zuerst fünf Minuten über die zweite Etappe der Energiestrategie 2050.
Ende der Spekulationen
Mit der Bekanntgabe beendet damit die Spekulationen über ihre politische Zukunft, die die Schweiz in den letzten Tagen in Atem gehalten haben. Derzeit erläutert sie vor den Bundeshausmedien ihren Entscheid.
Widmer-Schlumpf hatte stets betont, über eine erneute Kandidatur erst nach den Wahlen zu entscheiden. Mit dem schlechte Abschneiden der Mitteparteien und der Stärkung des Rechtsblocks am 18. Oktober hat sie in der Bundesversammlung an Rückhalt verloren.
Nach entsprechenden Signalen aus der CVP, auf deren geschlossene Unterstützung Widmer-Schlumpf für eine Wiederwahl angewiesen wäre, war ein Rücktritt allgemein erwartet worden.
Geheimplan gegen Blocher
2007 war die damalige Graubündner Finanzdirektorin und SNB-Bankrätin von den Fraktionsspitzen von SP, Grünen und CVP in einer geheimen Absprache als Gegenkandidatin zu Christoph Blocher aufgebaut worden. Am 12. Dezember wählte die Bundesversammlung Widmer-Schlumpf anstelle des amtierenden Justizministers in den Bundesrat. Diese nahm die Wahl am Tag darauf an.
Der darauf folgende Ausschluss der Bündner Kantonalpartei aus der SVP führte 2008 zur Gründung der BDP. 2011 wurde Widmer-Schlumpf problemlos für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. In den letzten acht Jahren war sie massgeblich an der Lösung der Bankenkrise beteiligt. Unter ihrer Ägide wurde das Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland schrittweise aufgeweicht. Derzeit berät das Parlament die rechtlichen Grundlagen für den automatischen Informationsaustausch.
Zweiter Sitz für SVP in Reichweite
Die BDP-Bundesrätin dürfte durch einen SVP-Politiker ersetzt werden. Nach dem Wahlsieg der SVP haben sich die Stimmen gemehrt, die der Partei einen zweiten Sitz in der Landesregierung zugestehen wollen.
Wen die SVP als Kandidaten nominiert, ist offen. In den Medien werden unter anderen die Namen der Nationalräte Heinz Brand (GR) und Hansjörg Knecht (AG) und des Schaffhauser Ständerats Hannes Germann herumgeboten. Einige mögliche Papabili sind bereits vom Kandidatenkarussell abgesprungen, darunter der Eisenbahnbauer Peter Spuhler oder der Zuger Baudirektor Heinz Tännler. Auch SVP-Präsident Toni Brunner will nach eigenem Bekunden nicht Bundesrat werden.
Die SVP hat eine Findungskommission eingesetzt. Die Fraktion entscheidet am 20. November, wen sie ins Rennen um einen Sitz in der Regierung schickt. Möglich ist, dass auch andere Parteien Kandidaten oder Kandidatinnen für den frei werdenden Sitz nominieren. (sda)