Räte einigen sich auf Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative

Räte einigen sich auf Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative

12.12.2016, 17:48

Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative steht. Der Nationalrat hat am Montag die letzten Differenzen ausgeräumt. Nun muss das Gesetz am Freitag noch durch die Schlussabstimmung. Das Dossier Zuwanderung wird danach aber nicht zu den Akten gelegt.

Mehrmals im Lauf der Ratsdebatten war von einer «schrittweisen Umsetzung» der SVP-Initiative die Rede gewesen. Die Änderung des Ausländergesetzes, die das Parlament nun beschlossen hat, wäre demnach erst der erste Schritt - immerhin innerhalb der Frist von drei Jahren. Die Einigung macht den Weg frei für die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien und die Teilnahme der Schweiz an der EU-Forschungszusammenarbeit Horizon 2020.

Weil die Umsetzung dem Zuwanderungsartikel aber nicht gerecht wird, soll in einem nächsten Schritt die Verfassung angepasst werden - das zumindest plant der Bundesrat. Möglicherweise verabschiedet er unmittelbar nach der Schlussabstimmung vom Freitag einen Gegenvorschlag zur Initiative «Raus aus der Sackgasse» (RASA-Initiative).

Den entsprechenden Grundsatzentscheid hat die Regierung bereits gefällt. Statt gestrichen könnte der Zuwanderungsartikel angepasst werden, beispielsweise indem Kontingente und Inländervorrang entfallen. Zur Debatte steht auch, die bilateralen Verträge in der Verfassung zu verankern.

Neuer Urnengang

Je nachdem, wie die Initianten und das Parlament entscheiden, stimmt das Volk im Lauf der nächsten Jahre über die RASA-Initiative, einen direkten Gegenvorschlag oder beides ab. Schon nächstes Jahr würde eine Referendumsabstimmung über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative stattfinden. Die SVP hatte eine Unterschriftensammlung bereits verworfen, die Möglichkeit dann aber doch wieder in Erwägung gezogen.

Die Umsetzungsvorlage bekämpfte sie bis am Schluss. «Wir begehen einen nie dagewesenen Verfassungsbruch», sagte Thomas Burgherr (SVP/AG) im Nationalrat. Tatsächlich haben die Räte im Dilemma zwischen Personenfreizügigkeit und Verfassung erstere höher gewichtet.

Die nun beschlossene Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative schränkt den freien Personenverkehr mit EU/EFTA-Ländern nicht ein und verstösst damit laut Justizministerin Simonetta Sommaruga nicht gegen das Freizügigkeitsabkommen. Eine Beurteilung durch die EU-Kommission ist nicht vor nächster Woche zu erwarten, wie es in Brüssel hiess.

Arbeitsmarkt-Lösung

Die Vorlage konzentriert sich auf eine Vorzugsbehandlung für Stellensuchende, die bei der Arbeitsvermittlung gemeldet sind. In Berufsgruppen, Tätigkeitsbereichen und Wirtschaftsregionen, in welchen die Arbeitslosigkeit über dem Durchschnitt liegt, werden zeitlich befristete Massnahmen zur Förderung von Stellensuchenden ergriffen. Arbeitgeber müssen offene Stellen den Arbeitsämtern melden. Dort stehen die Inserate während einer gewissen Zeit ausschliesslich den gemeldeten Stellensuchenden zur Verfügung.

Die Arbeitsvermittlung stellt den Arbeitgebern zudem die Unterlagen von passenden Bewerbern zu. Diese müssen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu einem Bewerbungsgespräch oder einer Eignungsabklärung einladen. Das Resultat ist der Arbeitsvermittlung mitzuteilen, muss aber nicht begründet werden. Ausnahmen sind möglich, etwa in Familienunternehmen oder wenn die Stelle mit einer Person besetzt wird, die schon früher für das Unternehmen gearbeitet hat.

Kein Inländer-Vorsprung

Das entspricht den Beschlüssen des Ständerats. Im Nationalrat verhalfen SP, FDP, Grüne, GLP und BDP der Lösung zum Durchbruch. CVP und SVP versuchten bis zuletzt, der Vorlage ihren Stempel aufzudrücken.

Unter anderem wollten sie die Massnahmen auf inländische Stellensuchende beschränken. Sonst hätten eine halbe Milliarde EU-Bürger Anrecht auf Vermittlung durch Schweizer Arbeitsämter, kritisierte Gregor Rutz (SVP/ZH). Die Mehrheit blieb aber bei der geltenden Regel, dass sich auch Grenzgänger und stellensuchende EU-Bürger bei der Arbeitsvermittlung anmelden können.

CVP und SVP scheiterten auch mit der Forderung, dass die Ausführungsverordnungen dem Parlament vorgelegt werden müssen. Die Gesetzgebung lasse dem Bundesrat zu viel Spielraum, sagte Gerhard Pfister (CVP/ZG). Sommaruga warnte, dass rasche Reaktionen auf neue Entwicklungen so kaum möglich wären. (sda)

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