Norwegische Zeitung wirft Facebook Zensur und Machtmissbrauch vor

Norwegische Zeitung wirft Facebook Zensur und Machtmissbrauch vor

09.09.2016, 15:16

Die norwegische Zeitung «Aftenposten» wirft Facebook Zensur vor, nachdem ein berühmtes Foto aus dem Vietnamkrieg von der Seite des Blatts beim Online-Netzwerk gelöscht wurde. Das Bild zeigt ein Mädchen, das nach einer Napalm-Attacke nackt über eine Strasse läuft.

Das Bild verstosse gegen die Regeln zu Nacktheit, begründete Facebook den Schritt. Am Freitag veröffentlichte die grösste norwegische Zeitung einen offenen Brief an Facebook-Chef Mark Zuckerberg, in dem sich «Aftenposten»-Chefredaktor Espen Egil Hansen gegen die Massnahme wehrt.

«Ich finde, dass Sie Ihre Macht missbrauchen, und ich tue mich schwer damit zu glauben, dass Sie das gründlich durchdacht haben», schrieb der Journalist. Er sei «verärgert, enttäuscht» und besorgt darüber, dass «das wichtigste Medium der Welt Freiheit einschränkt anstatt zu versuchen, sie auszuweiten, und dass das gelegentlich auf eine autoritäre Weise passiert».

Facebook erklärte in einer Reaktion am Freitag, es sei schwierig, bei Fotografien mit nackten Kindern einen Unterschied zu machen und die Veröffentlichung in einem Fall zu erlauben und in einem anderen nicht.

«Wir versuchen, die richtige Balance zu finden zwischen der Möglichkeit für Menschen, sich auszudrücken, und einer sicheren und respektvollen Umgebung für unsere globale Gemeinschaft. Unsere Lösungen werden nicht immer perfekt sein, aber wir werden versuchen, unsere Regeln und die Art, wie wir sie anwenden, zu verbessern.»

Protest auch von Ministerpräsidentin

Die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg veröffentlichte am Freitag das Vietnam-Bild aus Solidarität ebenfalls auf ihrer Facebookseite.

Sie «schätze die Arbeit von Facebook und anderer Medien», um die Verbreitung unangemessener Inhalte zu stoppen, schrieb Solberg dazu. «Aber Facebook schlägt den falschen Weg ein, wenn es solche Fotos zensiert.» Damit bremse Facebook die Meinungsfreiheit aus. Kurz darauf war das Bild von Solbergs Facebookseite wieder verschwunden. Wer das Foto entfernt hat, war zunächst unklar.

Die Aufforderung an die Zeitung, das Bild zu entfernen, sei am Mittwochmorgen in Form einer E-Mail vom Hamburger Facebook-Büro gekommen, erklärte der «Aftenposten»-Chefredaktor.

«Weniger als 24 Stunden, nachdem die E-Mail abgeschickt worden war, und bevor ich Zeit hatte, zu antworten, sind Sie selbst eingeschritten und haben den Artikel und das Bild von der Facebookseite von »Aftenposten« entfernt», schrieb Egil Hansen.

In dem Artikel auf der Facebook-Seite hatte die Zeitung über den norwegischen Autor Tom Egeland berichtet, den das soziale Netzwerk vor einigen Wochen blockiert hatte, nachdem er sieben berühmte Kriegsfotos - darunter das mit dem nackten Mädchen - auf seiner Facebook-Seite gepostet hatte. Wegen der Veröffentlichung erlitt die Zeitung nun dasselbe Schicksal.

Zensur befürchtet

Es ist nicht das erste Mal, dass Facebook Fotos oder Abbildungen von Kunstwerken entfernt, weil sie gegen Richtlinien des Online-Netzwerks zur Abbildung von Nacktheit oder Gewalt verstiessen.

Da für immer mehr Menschen Online-Netzwerke zu einer zentralen Nachrichtenquelle werden, gibt es unter anderem in der Medienbranche grosse Sorgen, das Informationen sie nur noch gefiltert erreichen, sei es durch Software-Algorithmen oder Facebook-Mitarbeiter, die mit der Einhaltung der Regeln betraut sind.

«Es geht nicht an, dass wir uns nach Moralvorgaben aus Silicon Valley richten müssen», twitterte Mathias Müller von Blumencron, Chefredaktor Digitale Medien der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Er sprach von einem «Sündenfall von Facebook». (sda/dpa/afp)

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