Es braucht viel, um nach drei Jahren Krieg, Hunderttausenden von Toten, unzähligen Kriegsverbrechen und zahllosen Ortschaften in Trümmern noch Wut empfinden zu können. Doch die jüngste russische Luftangriffswelle auf die Ukraine scheint selbst jene Abgestumpften im Mark zu treffen, die sich an die Kriegsgräuel längst gewöhnt zu haben glaubten.
Der Tod von neun Kindern und Jugendlichen am Freitag auf einem Spielplatz in der Industriestadt Krywyj Rih war der erschütternde Tiefpunkt einer tragischen Vorwoche mit fast pausenlosen russischen Bombardements und über einem Dutzend getöteten oder verletzten Zivilpersonen. Neben den 3- bis 16-jährigen Opfern kamen in Wolodimir Selenskyjs Heimatstadt auch elf Erwachsene ums Leben, als eine russische Rakete ein Wohnquartier traf und vermutlich mit Streumunition das Blutbad anrichtete.
Am Sonntag folgte ein weiterer Luftangriff auf Kiew mit mindestens einem Toten und drei Verwundeten; in der Nacht auf Montag stieg die Zahl der Opfer der Luftangriffe um sieben weitere Verletzte. Nach Angaben Selenskyjs wurde die Ukraine in der vergangenen Woche mit mehr als 1460 Gleitbomben, 670 Kampfdrohnen und mehr als 30 Raketen beschossen.
Der Kreml bestätigte den Raketenangriff auf Krywyj Rih, behauptete aber, er hätte einem Treffen «von westlichen und ukrainischen Offizieren in einem Restaurant» gegolten, die erfolgreich ausgeschaltet worden seien – laut dem ukrainischen Generalstab eine glatte Lüge. Die «New York Times» zitierte eine UNO-Beobachtermission vor Ort, dass stattdessen in diesem Restaurant eine Zusammenkunft von Kosmetikerinnen stattgefunden hatte.
Er wolle jetzt nur noch «Russen töten, töten, töten», reagierte ein Drohnenlenker einer ukrainischen Spezialeinheit, der seine Ehefrau bereits 2022 bei einem Luftangriff verloren hatte. Ein anderer ukrainischer Soldat, «Dmitri», liess in den sozialen Medien seiner Wut über den US-Präsidenten Donald Trump freien Lauf. Dieser habe sein Land «an Putin verkauft». Jetzt wünsche er ihm «einen ebenso schmerzhaften und schwierigen Tod», wie ihn das dreijährige Kind auf dem Spielplatz erleiden musste.
Die Kritik an der Rolle des US-Präsidenten wurde von seinen politischen Gegnern im Inland geteilt, wenngleich in weniger drastischen Worten. Wenn die US-Regierung Putin unterstütze, werde sie zu dessen «Handlanger in diesem und vielen anderen Kriegsverbrechen». Das schrieb im Kurznachrichtendienst der frühere US-Dreisterne-General und Nato-Kommandeur in Europa, Mark Hertling.
When the US government supports Putin, we become accessory to these - and many other - war crimes. https://t.co/hhSuuCHEFa
— Mark Hertling (@MarkHertling) April 5, 2025
Der ehemalige republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses Newt Gingrich sprach seinerseits von einer «bewussten Beleidigung der USA», für die «Putin bezahlen» müsse. Indem Russland Selenskyjs Heimatstadt angreife und dort Frauen und Kinder töte, stelle dies «einen Test dar, wie viel Unehrlichkeit, Brutalität und Aggressivität wir tolerieren».
Putin attacking Zelenskii’s hometown and killing women and children is a deliberate insult to the United States and test of how much dishonesty. Brutality, and aggressiveness we will tolerate. He must be made ro
— Newt Gingrich (@newtgingrich) April 6, 2025
Pay for it,
Am Sonntag schrieb der ukrainische Präsident, ein Teil der Raketen sei von russischen Kriegsschiffen auf dem Schwarzen Meer abgefeuert worden, was einen Bruch der jüngsten Waffenstillstandsvereinbarung auf See bedeute und einen weiteren Beweis dafür darstelle, dass «Putin den Krieg nicht beenden will». Die Ukraine würde jetzt von den USA eine Reaktion erwarten sowie von all jenen «in Europa und der Welt, die wahrhaftig Frieden» wollten.
Von Donald Trump waren jedoch in den letzten Stunden keine Signale zu empfangen, die angesichts der fatalen Bombardierungen als eine Radikalumkehr im Verhältnis zu Moskau interpretiert werden könnten. Viel Spott und Verachtung erntete in der Ukraine seine Antwort auf Reporterfragen nach Verhandlungsfortschritten. Beim sonntäglichen Medientermin in der Air Force One sagte Trump bloss: «Wir reden mit Russland. Wir hätten gerne, dass sie damit aufhören. Ich mag diese Bombardierungen nicht.» (aargauerzeitung.ch)
“We’re talking to Russia.. We’d like them to stop. I don’t like the bombing…”
— Maria Drutska 🇺🇦 (@maria_drutska) April 7, 2025
Powerful. Truly terrifying for dictators. Putin almost looked sorry. I’m sure. pic.twitter.com/ccsBAXJ3US
Aber stoppen kann er ihn offensichtlich nicht. Was für zwei Kanaillen, der Putin und der Trump 🤮.