Nationalrat geht beim Waffenrecht auf Kollisionskurs mit der EU

Nationalrat geht beim Waffenrecht auf Kollisionskurs mit der EU

30.05.2018, 19:12

Die EU verschärft das Waffenrecht, die Schweiz muss nachziehen. Der Nationalrat hat den neuen Vorschriften am Mittwoch zugestimmt, aber ohne Begeisterung. Für die Mehrheit ist es bloss das kleinere Übel.

Die Verschärfung des Schweizer Waffengesetzes verärgert die Schützen und liefert der SVP Munition im Kampf gegen die EU. Die Europapolitik wird dadurch sicher nicht einfacher. Wenn aber die Schweiz als Schengen-Land die neuen EU-Vorschriften nicht umsetzt, droht die Beendigung der Schengen/Dublin-Zusammenarbeit.

Dieser Preis ist den bürgerlichen Fraktionen zu hoch. Die Zahl der Asylgesuche könnte massiv ansteigen. Polizei und Grenzbehörden hätten keinen Zugang mehr zu den europäischen Datenbanken. Der wirtschaftliche Schaden ginge nach Berechnungen der Verwaltung in die Milliarden.

«Souveränitäts-Exempel»

Seine Fraktion sei nicht bereit, die Abkommen «für ein am untauglichen Ort statuiertes Souveränitäts-Exempel» zu opfern, fasste CVP-Sprecher Nicolo Paganini (SG) die Position der Mitte zusammen. Die Linke wünschte sich weitergehende Einschränkungen des Waffenrechts, signalisierte aber grundsätzliche Unterstützung für die Umsetzungspläne.

Damit fand sich die SVP allein in der Opposition. Ihrer Ansicht nach tragen die neuen Regeln nichts bei zur Terrorbekämpfung. Mit diesem Ziel hatte die EU-Kommission nach den Anschlägen von Paris im November 2015 die Änderung der Waffenrichtlinie in Angriff genommen. SVP-Vertreter wiesen darauf hin, dass sich Terroristen ohnehin nicht ans Waffenrecht hielten. An der Vorlage sehe man auch, was mit einem Rahmenabkommen passieren würde, sagte Werner Salzmann (SVP/BE).

Rote Linie überschritten

Einschneidende Einschränkungen für Waffenbesitzer sind jedoch nicht vorgesehen. Der EU ging es darum, den Informationsaustausch zu verbessern, den illegalen Waffenhandel einzudämmen und den Zugang zu besonders gefährlichen Waffen einzuschränken. Der Bundesrat nutzte den Spielraum bei der Umsetzung grosszügig aus. Der Nationalrat ist möglicherweise über die Grenzen des Zulässigen hinausgegangen.

Nicht betroffen sind Jagdwaffen und die Waffen von Polizei und Armee. Die Regeln gelten auch nicht für Ordonnanzwaffen, die nach der Dienstzeit zu halbautomatischen Waffen umgebaut und von vielen Armeeangehörigen in Privatbesitz übernommen werden. Die Schweizer Diplomaten konnten eine entsprechende Ausnahme bereits in der EU-Richtlinie unterbringen.

Auf Antrag der Kommission hat der Nationalrat beschlossen, dass in Privatbesitz übernommene Ordonnanzwaffen gar nicht erst zu den verbotenen Waffen gezählt werden. Ausnahmen sind daher unnötig. Damit habe die Schweiz gegenüber der EU Erklärungsbedarf, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga.

Ausnahmebewilligung nötig

Als verbotene Waffen gelten damit nur noch halbautomatische Waffen, in die ein grosses Magazin eingesetzt ist. Bei Pistolen liegt die Grenze bei 20 Schuss, was unüblich gross ist. Bei Gewehren sind es 10 Schuss. Das Standardmagazin des zivilen Sturmgewehrs 90, das unter Schweizer Schützen weit verbreitet ist, fasst 20 Patronen. Ist ein solches Magazin eingesetzt, gilt die Waffe künftig als verbotene Waffe.

Wer eine verbotene Waffe erwerben will, muss Sammler oder Sportschütze sein. Als Sportschütze gilt, wer Mitglied eines Vereins ist oder regelmässig schiesst. Diese Nachweise müssen nach dem Willen des Nationalrats nach fünf und dann wieder nach zehn Jahren erbracht werden. Wer bereits eine verbotene Waffe besitzt, kann diese behalten, ohne die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung zu erfüllen.

EU-Vorschriften nicht umgesetzt

Umstritten war auch, wie grosse Magazine an sich behandelt werden. Der Bundesrat beantragte, dass ein grosses Magazin nur kaufen darf, wer eine Ausnahmebewilligung für eine verbotene Waffe besitzt. Auf Antrag der Kommission beschloss der Nationalrat jedoch, beim geltenden Recht bleiben.

Heute werden die Magazine frei verkauft. Dafür wurden vor allem praktische Gründe genannt. Millionen von Magazinen sind bereits im Umlauf. Eine Seriennummer müssen Magazine auch in Zukunft nicht tragen. Der Mehrheit schien die Vorschrift daher nicht durchsetzbar.

Laut Justizministerin Simonetta Sommaruga führt das zu einer «inkohärenten Umsetzung» der EU-Richtlinie. Ohne minimale Regulierung der Magazine sei keine Kategorisierung der Waffen möglich.

Klarer Verstoss

Einen klaren Verstoss gegen EU-Recht sieht sie jedoch im Entscheid des Nationalrats gegen die Ausweitung der Markierungspflicht für Waffenbestandteile. Das gleiche gilt für den Entscheid, dass Waffenhändler nicht über grosse Magazine Buch führen müssen.

Weitere Vorschriften betreffen Herstellung und Umbau von Waffen oder die Buchführungspflicht für Waffenhändler, Beschlagnahmung oder Nachregistrierung verbotener Waffen. Gescheitert sind alle Anträge der Linken, die weiter gehende Verschärfungen verlangte. Die meisten Anträge der SVP, die sich gegen die Umsetzung der EU-Vorschriften stemmte, fanden ebenfalls keine Mehrheit.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 114 zu 67 Stimmen bei 8 Enthaltungen an. Diese geht nun an den Ständerat. Die Schweiz muss die EU-Vorschriften bis Ende Mai 2019 umsetzen. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!