EU-Chefs: Einig beim Spitzenkandidaten-Modell - streit beim Geld

EU-Chefs: Einig beim Spitzenkandidaten-Modell - streit beim Geld

23.02.2018, 19:12

Während sich die EU-Staats- und Regierungschefs über den künftigen EU-Finanzrahmen streiten, sind sie sich beim Spitzenkandidaten-Modell einig: Sie lehnen das vom EU-Parlament beschlossene Verfahren zur Auswahl des nächsten EU-Kommissionspräsidenten ab.

Das bestätigten Diplomaten am Freitag in Brüssel am Rande des EU-Gipfeltreffens. Damit gehen die EU-Chefs bei der Vorbereitung der Europawahl im Mai 2019 auf Konfrontationskurs mit den EU-Abgeordneten.

Zwar könnten die europäischen Parteien wie gewünscht mit Spitzenkandidaten in die Wahl ziehen. Es gebe aber keinen Automatismus, dass einer dieser Kandidaten als Kommissionspräsident nominiert werde, hiess es.

Jean-Claude Juncker, der dank des Spitzenkandidaten-Modells zum EU-Kommissionspräsident ernannt worden war, verteidigte das Verfahren.

«Dieses Experiment war erfolgreich - nicht nur für mich, sondern auch generell», sagte er laut einem Tweet einer Kommissionssprecherin. Er wolle «keinen Rückschritt erleben, wo es Fortschritt für die Demokratie gab».

Tajani: Aufwertung der Europawahl

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani bezeichnete das Verfahren als Sieg für mehr Demokratie und als eine Aufwertung der Europawahl, in der die Wahlbeteiligung traditionell viel niedriger als bei nationalen Wahlen ist.

«Es ist eine klare Botschaft vor der Wahl, dass die Bürger mit ihrer Wahl bestimmen, wer Kommissionspräsident wird», sagte der Italiener. Tatsächlich wurde 2014 wie angekündigt der Spitzenkandidat der stärksten Parteiengruppe am Ende EU-Kommissionspräsident: Deshalb wurde der luxemburgische Christdemokrat Jean-Claude Juncker und nicht der Sozialdemokrat Martin Schulz gewählt.

Zustimmung gab es den Angaben zufolge beim Gipfel für den Vorschlag, das EU-Parlament nach dem EU-Austritt Grossbritanniens von 751 auf 705 zu schrumpfen.

Wenig Harmonie beim Haushalt

Weniger einig waren sich die EU-Chefs beim mehrjährigen EU-Finanzrahmen, wo es darum ging, die ersten Pflöcke einzuschlagen. «Das Budget war immer sehr umstritten. Es wird jetzt nicht anders sein», sagt ein EU-Vertreter. So zogen sich beim letzten Mal die Budget-Verhandlungen zweieinhalb Jahre hin.

Beim Gipfeltreffen ging es nun darum, neue wichtige politische Prioritäten zu definieren. EU-Ratspräsident Donald Tusk erwähnte in seinem Einladungsbrief an die EU-Staats- und Regierungschefs als Beispiel Migration, Sicherheit und Verteidigung.

Ausserdem nannte Tusk den Brexit als weitere Herausforderung für den künftigen Haushalt. Mit Grossbritannien verlässt nämlich bald einer der grössten Nettozahler die EU - das daraus resultierende Loch wird bei 12 bis 14 Milliarden Euro pro Jahr liegen.

Die EU-Kommission wirbt daher dafür, einen Teil der Briten-Lücke durch höhere Zahlungen der anderen 27 Mitgliedsländer aufzufüllen. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger brachte ein Plus von zehn bis zwanzig Prozent für jeden Staat ins Spiel. Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlanden lehnen diese Forderung jedoch ab.

Gespart werden soll gemäss der Brüsseler Behörde beim nächsten Haushalt vor allem bei den Agrar- und Strukturfonds gekürzt werden - den traditionell grössten Posten im EU-Budget.

Umstrittene Verknüpfung

Umstritten ist zudem die Forderung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, EU-Fördergelder künftig an die Bereitschaft der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zur Aufnahme von Flüchtlingen zu knüpfen.

Zuspruch erhielt sie von ihrem dänischen Kollegen Lars Løkke Rasmussen: «Für mich liegt es auf der Hand, dass man Bedingungen braucht. Mitglieder der Europäischen Union sind Vollmitglieder, und das bedeutet Rechte und Pflichten.»

Widerspruch kam hingegen von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Man müsse die Menschen an EU-Aussengrenzen stoppen und nicht auf Europa verteilen, sagte er.

Nach der Debatte der EU-Staats- und Regierungschefs ist es an EU-Haushaltskommissar Oettinger, einen ersten detaillierten Vorschlag für den künftigen Finanzrahmen vorzulegen. Als Datum dafür visiert er den 2. Mai an. Danach dürften die Diskussionen vermutlich erst richtig an Fahrt aufnehmen. (sda/dpa/apa/reu)

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