Seit mehreren Wochen kann das wichtigste Medikament für die Behandlung der Heroinsucht nicht geliefert werden. Der Grund für den Lieferengpass: unklar. Die Auswirkungen für die Betroffenen: fatal. Dabei ist die Therapie von Heroinsüchtigen simpel aufgebaut. An Drogenabgabestellen im Raum Basel können die Personen entweder eine kontrollierte Menge der Substanz oder aber ein Ersatzprodukt beziehen. So sollen Entzugserscheinungen verhindert und der Beschaffungsdruck reduziert werden.
In Basel-Stadt befinden sich aktuell 1145 Personen in einem Substitutionsprogramm. 983 davon lassen sich aufgrund einer Heroinsucht behandeln - und das, ohne Heroin zu konsumieren. Wer nun an die Methadonbehandlung denkt, liegt nicht falsch. Noch immer wird Methadon laut Bundesamt für Gesundheit an rund 18'000 Personen in der Schweiz abgegeben. Jedoch steigt der Anteil der Patientinnen und Patienten, die das Heroin-Ersatzmedikament Sevre Long erhalten. Rund ein Drittel der Betroffenen soll das Präparat einnehmen. Dieses Morphin hat laut Angaben weniger Nebenwirkungen und wird ebenso wie Methadon oral eingenommen.
Europaweit wird Sevre Long nun aber kaum mehr geliefert, wie Recherchen zeigen. Die Herstellerfirma Mundipharma GmbH aus Frankfurt bezieht bisher keine Stellung zu den Gründen. Auch eine Anfrage der bz bleibt unbeantwortet. Fachleute vermuten, Heroinsüchtige seien eine Randgruppe und das öffentliche Interesse an ihrer Therapie habe deutlich abgenommen.
Für Basel-Stadt bedeuten die Lieferengpässe eine Herausforderung. Anne Tschudin, Sprecherin des Basler Gesundheitsdepartements, sagt auf Anfrage: «Die nicht vorhandenen Medikamente werden durch andere ersetzt. Wir geben deshalb bei den Morphin-Präparaten den Behandlungsstellen unbürokratisch eine Ausnahmebewilligung für andere alternative Medikamente.» So seien keine separaten Einzelbewilligungen für die neuen Produkte nötig.
Aktuell werden Patientinnen und Patienten in einer Suchttherapie mit Kapanol behandelt. Die Umstellung auf das nahezu identische Medikament ist für die Betroffenen nicht unproblematisch. Einerseits lösten die Lieferengpässe Unsicherheiten aus. Andererseits «müssen wir bei jeder Person erst wieder die optimale Dosis finden, was vereinzelt zu Entzugserscheinungen führen kann», wie Kerstin Gabriel Felleiter, Chefärztin der Ambulanten Dienste der Luzerner Psychiatrie, gegenüber «zentralplus» sagt.
Doch auch bei Kapanol kommt es bereits zu Lieferengpässen. Am 1. Oktober 2021 wurde der Wirkstoff in der Schweiz zugelassen. Zuvor war das Medikament nicht erlaubt bei der Behandlung von Heroinsucht. Da die Nachfrage nun europaweit deutlich höher ist, gibt es das Medikament aktuell nur in australischer Verpackung und zu höheren Preisen. Diese Kapseln wurden von Swissmedic vorübergehend bewilligt. Denn: Kapanol ist für Menschen in Substitutionsprogrammen die einzige Lösung.
Die übrigen Ersatzpräparate scheiden aus, da entweder zu wenige klinische Erfahrungen damit gesammelt wurden oder aber die Wirkdauer nur halb so lang ist und die Betroffenen damit mehrere Tabletten täglich einnehmen müssten. Das würde Abgabestellen belasten. (saw/ch media)