Zahlreiche Künstler und andere Persönlichkeiten haben sich in den Jahren von 1917 bis 1932 im Gästebuch des legendären Zürcher «Café Odeon» verewigt: Das Büchlein mit 61 Seiten ist am Dienstagabend vom Auktionshaus Christie's für 42'000 Franken versteigert worden.
Das Gästebuch erzielte damit einen deutlich höheren Preis, als dies im Vorfeld der Auktion erwartet worden war - der Schätzpreis lag bei 20'000 bis 30'000 Franken.
Ein aussergewöhnliches Zeitdokument
Das in braunes Leder gebundene Gästebuch misst 17.5 auf 13.5 Zentimeter und ist bloss einen Zentimeter dick - und es ist trotz seiner äusseren Unscheinbarkeit ein «aussergewöhnliches Zeitdokument», wie es das Auktionshaus Christie's im Katalog beschrieb.
Denn auf den 61 Seiten schrieb sich unter anderem General Ulrich Wille (1848-1925) am 20. Juli 1920 ein - in einer kurzen Jasspause eher hastig. Und Augusto Giacometti (1877-1947), der ab 1915 im gleichen Haus wie das «Odeon» sein Atelier hatte, malte am 10. April 1923 eine Farbstudie ins Gästebuch.
Zahleiche weitere Schauspieler, Künstler und Literaten hinterliessen zumindest ihre Signatur, meist aber auch eine Bleistift- oder Federzeichnung. Laut Christie's bildet das Gästebuch einen «wichtigen Querschnitt der damaligen, blühenden Kunstszene in Zürich ab».
Nach Amerika mitgenommen
Das Büchlein hatte Helen May-Otto, die ab 1917 mit ihrem Ehemann Werner May das «Odeon» betrieb, ausgewählten Café-Besuchern vorgelegt. 1932 verliessen die Mays Europa in Richtung Amerika. Die in Kanada lebende Enkelin der ehemaligen «Odeon»-Wirtin fand es nun wieder und bot es dem Auktionshaus Christie's zum Verkauf an.
Das Gästebuch des Jugendstil-Cafés am Bellevue ist am Dienstagabend im Rahmen der Auktion «Swiss Art» unter den Hammer gekommen, an der gegen 100 Werke versteigert wurden.
Darunter befanden sich unter anderem solche von Alberto Giacometti (1901-1966), Meret Oppenheim (1913-1985) und Hansruedi Giger (1940-2014). Das Bild «Mädchen, mit Dominosteinen spielend», das Albert Anker (1831-1910) um 1900 malte, wechselte dabei für 1.3 Millionen Franken (ohne Gebühren) den Besitzer. (sda)