Die Luft für Eritreer wird dünner: Der Bund verschärft seine Asylpraxis. Was für neue Antragsteller seit 2016 gilt, bekommen nun auch Menschen zu spüren, die teilweise seit Jahren in der Schweiz leben. 3200 vorläufig aufgenommene Eritreer erhielten jüngst Post von den Behörden, wie die «Rundschau» von Fernsehen SRF publik machte.
Im Brief des Staatssekretariats für Migration (SEM), welcher der «Nordwestschweiz» vorliegt, heisst es: «Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Vollzug der Wegweisung nach Eritrea grundsätzlich als zumutbar. Das SEM beabsichtigt deshalb, Ihre vorläufige Aufnahme aufzuheben und den Vollzug der Wegweisung anzuordnen.» Die Betroffenen erhalten Gelegenheit für rechtliches Gehör.
Basis für dieses strengere Regime bilden Erkenntnisse aus einer Fact-FindingMission, die das SEM Ende Juni 2016 öffentlich machte. Der Bund beruft sich in seinem Bericht darauf, dass illegal Ausgereiste straffrei zurückkehren können, wenn sie Forderungen wie etwa die Bezahlung einer Zwei-Prozent-Steuer erfüllen.
Diese erhebt Eritrea bei Landsleuten im Ausland. Für Betroffene gebe es keine begründete Furcht vor Verfolgung mehr, heisst es. Der Bund änderte darauf seine Praxis und gewährte Eritreern nicht mehr allein wegen der illegalen Ausreise Asyl. Zudem ist Eritreern, die vom Nationaldienst befreit worden sind oder diesen geleistet haben, eine Rückkehr grundsätzlich zumutbar.
Die Überprüfung der vorläufigen Aufnahme begründet das SEM mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom August 2017. Dieses stützte die Einschätzung des SEM. «Die Praxisänderung des SEM beruht auf unsicheren Informationen», kritisiert dagegen Michael Flückiger von der Flüchtlingshilfe. Die Situation in Eritrea habe sich nicht grundlegend geändert. Der Zugang zu Informationen sei schwierig.
Fakt ist: Die Schweiz kann derzeit gar keine Zwangsausschaffungen nach Eritrea durchführen. Das ostafrikanische Land weigert sich, seine Landsleute wieder aufzunehmen. Zugleich fehlt ein Rückübernahmeabkommen mit der Schweiz. Wird den Betroffenen der Status aberkannt, bleibt ihnen die Nothilfe.
Diesen Zustand gilt es laut UN-Flüchtlingswerk zu vermeiden: «Was wir nicht wollen, ist eine Situation, in der den Leuten keine dauerhafte Lösung offensteht, weil sie weder legal in der Schweiz bleiben dürfen, noch in Sicherheit und Würde zurück in ihre Heimat kehren können», sagt Anja Klug vom UNHCR.
Schon heute ist die Schweiz punkto Eritrea deutlich restriktiver als andere EU-Staaten. Die Schutzquote ist von 95.5 Prozent im Jahr 2015 auf 83 Prozent im letzten Jahr gesunken. Grund: die Praxisänderung. Im europäischen Schnitt lag die Anerkennungsquote 2017 bei 90 Prozent.
Auch Staaten, die wie die Schweiz in der Vergangenheit besonders viele Eritreer aufgenommen haben, handhaben Asylgesuche grosszügiger: In Deutschland werden nur gerade 2.4 Prozent abgelehnt, in den Niederlanden 11.5 Prozent und in Schweden 4.8 Prozent.
«Kein anderes Land kennt so rigide Bestimmungen wie die Schweiz», sagt Michael Flückiger. Andernorts gelte ein Eritreer, der nachweisen könne, dass er im wehrpflichtigen Alter und illegal aus dem Land ausgereist sei, als Flüchtling und werden aufgenommen.
Auch hätten Länder wie Dänemark und Norwegen ihrerseits Fact-Finding-Missionen nach Eritrea durchgeführt. Und keines dieser Länder habe seine Praxis danach verschärft. «Unsere Situationsanalyse aus Eritrea wird von den EU-Staaten geteilt», betont dagegen Lukas Rieder vom SEM. Doch auch dem SEM seien keine Verschärfungen in anderen Ländern bekannt. (aargauerzeitung.ch)