Zumindest Politikstrategen kamen gestern im Nationalrat auf ihre Kosten. Wer nach Schlagworten für den politischen Nahkampf suchte, dem bot sich ein wahrer Fundus. Die einen sprachen von «Ehe light», mit der man ja nur «ein bisschen verheiratet» sei. Bei den anderen war derweil die Rede von einem «Angriff auf die Ehe», der zur «Abschaffung der traditionellen Familie» führe.
Die grosse Kammer diskutierte erstmals über den «Pacte civil de solidarité», kurz Pacs. Dabei handelt es sich um einen Solidaritätsvertrag für Paare, die sich auch ohne Heirat rechtlich absichern wollen. Der Pacs ist populär in Frankreich, und jetzt wird er auch in der Schweiz ernsthaft zum Thema: Der Nationalrat sagte Ja zu zwei Postulaten, die einen «Pacs nach Schweizer Art» fordern. Einzig CVP und SVP stellten sich dagegen.
Stimmt auch der Ständerat dafür, muss sich der Bundesrat mit dem Pacs befassen und einen Bericht dazu vorlegen. Das dürfte ganz im Sinne der Landesregierung sein. Sie hatte selbst damit geliebäugelt, einen Pacs zu schaffen. Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) gab dem Parlament zu verstehen, es solle den Bundesrat doch mit der Umsetzung des Berichts beauftragen. Für «tiefgreifende Reformen der Gesellschaft» brauche es eine breite Debatte. Eines sei klar, sagte Sommaruga: «Ein Pacs würde niemandem etwas wegnehmen, schon gar nicht der Ehe.»
Die Franzosen lieben ihren Pacs. Über 40 Prozent der Paare entscheiden sich mittlerweile dafür. Und das Verb «pacser» ist in Frankreich längst so geläufig wie «marier», heiraten also. Der Pacs wurde 1999 für Homosexuelle geschaffen. Sie durften damals noch nicht heiraten. Heute aber werden 96 von 100 Pacs von heterosexuellen Paaren eingegangen.
Wer einen entsprechenden Vertrag schliessen will, kann das ohne grossen Aufwand tun: Zum zuständigen Amtsgericht gehen, ein Formular unterschreiben und die Sache ist erledigt. Trauzeugen gibt es nicht. «Verpacste» sind beim Erbrecht und in Steuerfragen den Verheirateten gleichgestellt, gegenüber Behörden oder Spitälern sind sie als Paar anerkannt. Ansonsten bestimmt das Paar selbst, wie es sein Leben vertraglich regeln will. Keinen Einfluss hat ein Pacs etwa auf den Namen der Partner.
Was ein Pacs in der Schweiz regeln soll, ist noch unklar. Justizministerin Sommaruga sagte, man wolle nicht einfach eine Lösung aus dem Ausland kopieren. Dass Handlungsbedarf besteht, ist für sie klar. Aber wie kann man dem rasanten gesellschaftlichen Wandel gerecht werden?
Die Schweiz kennt nur die Ehe und die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle. Dabei gibt es auch hierzulande mehr Ledige und Geschiedene als Verheiratete. Manche leben in einer Partnerschaft, wollen aber nicht oder nicht noch einmal aufs Standesamt. Andere haben Kinder und sind Teil von Patchworkfamilien. Wie viele einen Konkubinatsvertrag abgeschlossen haben, ist nicht bekannt.
Klar ist: Zerbricht die Beziehung oder stirbt ein Partner, bleibt ohne Vertrag oft ein Wirrwarr. Eine Modernisierung ist laut dem Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann unausweichlich. «Ihr Monopol hat die Ehe verloren.» Die Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog entgegnete, die Ehe sei keinesfalls ein Auslaufmodell. «Die traditionelle Familie ist das Rückgrat der Gesellschaft», sagte sie. Die Befürworter wollten mal wieder «den Fünfer und das Weggli». Für den Walliser CVP-Nationalrat Yannick Buttet ist der Pacs schlicht nutzlos. Das Familienrecht werde dadurch nur komplizierter.
Eines der Hauptargumente der Gegner entkräftigte Simonetta Sommaruga sogleich. Für die Auflösung eines Pacs genügt eine Erklärung vor den Behörden. In den Augen von Herzog und Buttet würde das gerade bei Familien mit Kindern für instabile Verhältnisse sorgen. Doch die Bundesrätin verwies auf Zahlen aus Frankreich: Nur ein Drittel der Pacs wird wieder aufgelöst. Das ist weniger als in der Schweiz bei der Ehe. Die Scheidungsrate liegt deutlich bei über 40 Prozent.