Wenn sich eine Gemeinde demonstrativ gar nicht erst um die Unterbringung von Asylbewerbern bemüht und die Strafgebühr dafür fix ins Budget aufnimmt, ist das das Eine. Dass sich eine Gemeinde anerkannte Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsbewilligung durch einen Aufruf vom Leib halten will, keine Wohnungen an solche Personen zu vermieten, geht eigentlich noch einen Schritt weiter. Denn für diese Personen gilt die verfassungsmässig garantierte Niederlassungsfreiheit genauso wie für andere Einwanderer und Schweizer Bürger.
Entsprechend dezidiert reagiert die politische Linke. Bei allem Verständnis, dass es eine grosse finanzielle Belastung für eine Gemeinde darstellt, wenn Flüchtlinge auch nach Jahren nicht in den Arbeitsmarkt integriert und von der Sozialhilfe abhängig sind: Was Rekingen da mache, sei «politisch und moralisch verwerflich, schlicht inakzeptabel», sagt SP-Nationalrat Cédric Wermuth.
Schon aus diesem Grund hält Wermuth auch nichts vom Vorschlag von Renate Gautschy, der Präsidentin der Aargauer Gemeindeammännervereinigung: In der Tat werde viel zu wenig für die Integration von Flüchtlingen getan und die Ressourcen dafür seien zu gering. Aber abgesehen davon, dass anerkannte Flüchtlinge einen Anspruch auf die gleichen Sozialleistungen wie Schweizerinnen und Schweizer haben, würde für die Integration immer noch viel zu wenig zur Verfügung stehen, so Wermuth. Für ihn zeigt das Problem Rekingen das Problem der kleinen Gemeinden. Nicht die Flüchtlinge seien das Problem, sondern, dass wir schlicht zu kleinräumige Gemeindestrukturen hätten, die nicht mehr tragbar sind.
Gemeindeammänner-Präsidentin Renate Gautschy mag das Vorgehen in Rekingen nicht verurteilen. Obwohl damit das Problem nur an die nächste Gemeinde weitergereicht wird, ist es für sie nicht Ausdruck mangelnder Solidarität, sondern «eher ein Hilferuf». Das Problem, dass Gemeindehaushalte aus den Fugen geraten könnten, wenn die Leistungen des Kantons auslaufen und die Kosten bei den Gemeinden liegen, wenn Flüchtlinge auf Sozialhilfe angewiesen bleiben, ist für sie zwingend anzupacken.
Und ihr Vorschlag ist brisant: Sie fordert, dass für die Bemessung der Sozialhilfeleistungen für Personen aus dem Asylbereich andere Massstäbe angesetzt werden müssen als bei den allgemeinen Skos-Richtlinien, die der Aargau verbindlich übernehmen will. Konkret spricht sie von einer Halbierung der Ansätze. Das sei nicht im Sinne einer Kürzung als Sanktionsmassnahme zu verstehen. Die andere Hälfte des Geldes könnte nach Gautschys Plänen in die Förderung der Integration fliessen, damit mehr anerkannte Flüchtlinge Anschluss an den Arbeitsmarkt gefunden haben, bis die Gemeinden nach fünf Jahren für die Unterstützung aufkommen müssten.
Der Grundbedarf für eine Person (ohne Wohnungsmiete und Krankenkasse) liegt gemäss neuen Skos-Richtlinien bei knapp 1000 Franken. Das muss für den allgemeinen Lebensunterhalt reichen (Verpflegung, Kleidung, Telefon, Transportmittel etc.) und ist etwas weniger als eine minimale AHV-Rente. Wer heute in der Schweiz in erster Linie Schutz suche, erhalte praktisch gleich viel wie jemand, der hier 45 Jahre gearbeitet hat, rechtfertigt Gautschy ihren drastischen Kürzungsvorschlag.
Ausgegoren ist die Idee noch nicht. Könnte der Kanton so etwas überhaupt über das Sozialhilfegesetz lösen oder bräuchte es eine bundesrechtliche Grundlage, allenfalls sogar eine Verfassungsänderung wegen des eingangs erwähnten Diskriminierungsverbots? Sie sei mit entsprechenden Abklärungen beschäftigt, sagt Renate Gautschy, aber auf jeden Fall müssten nun handfeste Vorstösse dazu folgen, sei es im kantonalen oder eidgenössischen Parlament.
Das müsste eigentlich nach dem Gusto von Nationalrat Andreas Glarner sein, Asylchef der SVP Schweiz. Doch er winkt ab: «Reine Symptombekämpfung.» Für ihn bleibt es dabei: Kern des Problems ist eine verfehlte Asylpolitik von Bund und Kanton, die Schweiz kann nicht so viele Flüchtlinge aufnehmen und muss Asylbewerber konsequenter in ihre Herkunftsländer zurückschaffen. Und wenn über Änderungen in der Unterstützung für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge diskutiert werden soll, gibt es für ihn eine andere Lösung: «Der Bund muss für 10 oder 20 Jahre für alle finanziell haften, die er in das Land gelassen hat.»
Für den Gemeinderat von Rekingen hat Glarner nur Applaus übrig: Genau wie in «seinem» Oberwil-Lieli sei das quasi Notwehr, ein ziviler Ungehorsam als einziges Mittel, sich gegen die verfehlte Asylpolitik auf Bundesebene zur Wehr zu setzen, mit der die Gemeinden in den Ruin getrieben würden. Er sei sicher, dass in kurzer Folge weitere Gemeinden dem Beispiel folgen würden.
Jedenfalls erfreulich, dass auch in der Politik und den Medien langsam aufs Tapet kommt, was für jeden halbwegs rational denkenden Menschen längst absehbar war.
Krass! Schlaraffen-Flüchtlingsland Schweiz!!