Wir schreiben das Jahr 1943. In Europa tobt ein blutiger Krieg, den ein Österreicher vom Zaun gebrochen hat, der nun Diktator eines «Grossdeutschen Reiches» ist. Elisabeth Breinreich ist gerade mal volljährig und braucht Arbeit. Das zuständige Amt in Wels in Oberösterreich hat einen ganz besonderen Job in Bayern für sie.
Breinreich soll eines von 22 Mädchen werden, das in Hitlers Berghof am Obersalzberg die dreckige Wäsche des Despoten waschen soll. Elisabeth Breinreich, die heute 89 ist und seit ihrer Heirat Kahammer heisst, erinnert sich in Interviews mit den Salzburger Nachrichten an ihren Frondienst im Zentrum der nationalsozialistischen Macht.
Drei SS-Posten habe sie im Jahr 1943 passieren müssen, bis sie beim Haus angekommen war und sich der Verwalterin vorstellen konnte. «Sie hat gesagt, ich soll sofort kommen, weil das Haus jetzt total voll ist. Der Hitler war dort.» Kalhammer musste über Nacht bleiben.
Die junge Frau war vom Prunk der Mächtigen beeindruckt, denn für damalige Verhältnisse schlief sie luxuriös. «So ein schönes Zimmer! Da trau ich mich ja gar nicht zu schlafen», erinnert sich die Seniorin an ihre Gefühle. «Jesus! Telefon, Waschbecken, alles drin. Schön!»
Ihre Mutter war nicht erfreut über das neue Engagement. Kein Wunder: In Abwesenheit der Tochter war bereits die Polizei erschienen, um zu prüfen, ob Hitlers neue Helferin nicht vielleicht doch eine Gegnerin des Nationalsozialismus sei.
Auf dem Arbeitsamt reagierte die Beamtin «entsetzt», als Kalhammer sagte, es sei zwar schön auf dem Berghof gewesen, aber ihre erste Wahl wäre der nicht. «Sie hat mir einen Vortrag gehalten: Tausende Mädchen wären froh, wenn sie die Chance hätten, dahin zu fahren.» Der Amtsleiter wisse auch schon Bescheid, sie müsse den Job annehmen.
Auf dem Berghof waren, wie sollte es anders sein, die Vorschriften besonders wichtig. «Es darf nichts aus dem Haus rauskommen. Also wehe, das wird schwerst bestraft. Man hat nur hören können, sagen durfte man nichts. Du hast auch niemanden fragen können, man hat Angst gehabt.»
Wie streng das Regime war, zeigt ein Beispiel: «Eines Tages wurde ich so zur Sau gemacht. Eine Freundin hat angerufen, ob ich mit ihr ins Kino gehe. Das Telefon stand am Gang. Ich sagte ihr, ich könne nicht, weil bei uns gerade ein Film gedreht werde.» Dass sie das preisgegeben hatte, brachte der jungen Frau eine Woche Ausgangssperre ein.
Eva Braun markierte die Hausherrin. «Sie war eine ganz Liebe. Sie hat immer nach den Mädels geschaut.» Die Berufskleidung der Haushälterinnen hatte die Führer-Freundin selbst entworfen: Eine schräge Knopfreihe zierte die Schürzen. «Als die Schneiderin fertig war, haben wir uns Frau Braun vorstellen müssen. ‹Heil, gnädiges Fräulein›, haben wir gesagt.» Die Braun habe immer zurückgegrüsst.
Gegessen wurde spät, gearbeitet bis in den Morgen und geschlafen habe Hitler lange. Vor 14 Uhr sei er selten aufgestanden. Getrunken habe er nur lauwarmes Wasser. «Und schwerst Diät hat er gehalten.»
Es sei denn, es gelüstete dem Massenmörder nach seinem «Führerkuchen»: «Es war ein Blechkuchen mit Apfelspalten, die haargenau in einer Reihe aufgestellt worden sind. Und dann mit Rosinen, Zimt und Nüssen. Um drei, vier in der Früh ist er oft noch gekommen, um ein Stück Kuchen zu essen.»
Dass Kalhammer Hitler nie persönlich ansprach, lag in der Natur der Sache: Dessen persönliche Bewirtung übernahmen SS-Männer mit weissen Handschuhen. Frauen spielten da keine Rolle – was scheinbar auch für sein Privatleben galt. Er teilte sein Zimmer nicht mit Eva Braun, Kalhammer sah das Duo selten miteinander.
Für die Nazis verlief der Krieg im Folgenden katastrophal. Das habe sich an Hitlers gebückter Haltung gezeigt. «Na, so ein armseliges Mandl», dachte die junge Kalhammer. Am 14. Juli 1944 war der Diktator zum letzten Mal auf dem Berghof. Sechs Tage später entging er knapp einem Attentat.
Es bleibt unruhig auf dem Obersalzberg und als 1945 schliesslich die Amerikaner vor dem Einmarsch stehen, müssen die Angestellten noch die Schätze der Machthaber fortschaffen.Gemälde, Bilder und Spiegel hätten die Haushälter verladen, während ihnen Schauermärchen erzählt wurden. «Uns haben sie erzählt, dass die ‹Neger› kommen, uns die Haare abschneiden und vergewaltigen.»