Im Haus des mutmasslichen Täters, der gestern Nachmittag am helllichten Tag zwei Frauen erstochen haben soll, ist es ungewöhnlich still. Die Namen an der Wohnungstür, wo der verhaftete Schweizer R.M. mit seiner Mutter und seinem Stiefvater seit fast 20 Jahren lebte, sind verschwunden. Zurück bleiben viele Fragen – und fassungslose Nachbarn.
Einer von ihnen sass dem mutmasslichen Amokläufer unmittelbar nach den Taten gegenüber. «Eine absurde Situation» sei das gewesen, sagt der Nachbar, der anonym bleiben will. «Ich war an diesem Nachmittag zuhause, als plötzlich die Tür aufging und R.M. meine Wohnung betrat», erzählt der Nachbar gegenüber watson. «R.M. setzte sich einfach auf einen Stuhl in meiner Wohnung und sagte nichts. Er war seelenruhig, unglaublich ruhig. Aber er schaute mich direkt an. Es war das erste Mal, dass er mich direkt anschaute», so der Nachbar weiter. «Zuvor habe ich ihn immer nur mit gesenkten Augen gesehen.»
Dass R.M. Minuten zuvor vermutlich zum Amokläufer wurde und unweit von seiner Wohnung zwei Frauen im Alter von 46 respektive 76 Jahren erstochen hatte, davon wusste der Nachbar nichts. «Seine Hose war voller schwarzer Flecken. Ich wusste aber nicht, dass es Blut war.»
«R.M. blieb einfach sitzen. Die Situation war absurd. Irgendwann begleitete ich ihn in seine Wohnung. 10 Minuten später kam die Polizei.»
Das Bild, das der Nachbar vom mutmasslichen Amokläufer zeichnet, passt zu den Aussagen anderer Augenzeugen. Auch der Sohn des Hausabwarts zeichnet ein Bild eines introvertierten Einzelgängers, vor dem er sich auch schon mal gefürchtet habe.
«Schon vor Jahren sagte ich zu meinen Freunden, dass mit diesem Jungen etwas nicht stimmt», sagt der junge Mann, der mit M. den Kindergarten besucht hatte. «Manchmal verliess er seine Wohnung wochenlang nicht», so der Sohn des Hausabwarts weiter.
Er sei im Bett gewesen, als R.M. nach Hause gerannt sei. «Meine Mutter rief an und sagte, ich solle die Türe abschliessen. Ich war in Panik, ich dachte ich sei der Nächste.» R.M. habe ihn nicht gemocht, meint er. «Wahrscheinlich weil ich eine Arbeit und eine Zukunft habe. R.M. hatte keine.» Einen Lehrabschluss habe er nie gemacht, gearbeitet auch nicht.
R.M. sei immer mit gesenktem Kopf und Händen in den Hosentaschen unterwegs gewesen. «Man sah ihn nie lachen», sagt auch die Frau des Hausabwarts. Er habe zwar meistens gegrüsst, aber er habe oft nervös gewirkt, irgendwie fahrig. «Ich glaube, er war mit Drogen vollgepumpt», sagt der Sohn. Von der Wohnung im obersten Stock sei ständig der Geruch nach Cannabis ausgegangen. «Die Polizei trug drei Taschen davon raus», sagt der Nachbar.