Aufrecht sitzt der Mann auf seinem Stuhl. Frisch frisiert, in Hemd und Krawatte, höflich im Ton. Man könnte meinen, der 30-jährige Kosovare bewerbe sich auf einen Job. Seine Erklärungen leitet er auch dann noch jedes Mal schon fast penetrant mit «Lieber Herr Gerichtspräsident» ein, als dieser längst genervt die Augen verdreht. Drei Polizisten beobachten den Prozess. Denn der durchtrainierte Angeklagte ist kein Unbekannter. Als Kickboxer haben er und seine Brüder regional eine gewisse Berühmtheit erlangt. Nach eigenen Angaben ist er mehrfacher Welt-, Europa- und Schweizermeister.
Doch noch häufiger als im Ring schlug er offenbar im privaten Rahmen zu. Insgesamt 17 Fälle von häuslicher Gewalt über einen Zeitraum von drei Jahren listet die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft auf. Die Anklagepunkte reichen von Tätlichkeiten, einfacher Körperverletzung bis hin zu Gefährdung des Lebens, versuchter schwerer Körperverletzung und versuchter vorsätzlicher Tötung.
Das Muster ist immer das Gleiche: Offenbar gerät der Mann, der seinen Lebensunterhalt auf dem Bau verdiente, sehr schnell in Rage. Meist waren völlige Nichtigkeiten der Anlass für den Streit. Einmal fand er ein Bild mit Rosen auf dem Handy seiner Freundin und vermutete einen Nebenbuhler, einmal beschuldigte er sie, dass sie die Zugtickets verlegt habe, einmal wollte er nicht, dass sie noch in die Disco geht.
Dann eskalierte die Situation jeweils schnell: Beschimpfungen, Schläge, Tritte und auch brutales Würgen waren keine Ausnahme. Anschliessend habe ihm die Sache immer sehr leid getan, sagte die Ehefrau vor Gericht. Weinend habe er sich entschuldigt und ihr dann in der Apotheke eine Salbe gegen die Blessuren besorgt.
Der gravierendste Vorfall ereignete sich im Juli 2015 in der gemeinsamen Wohnung in Basel. Bei einem Streit schlug der Mann laut Anklageschrift mehrfach mit der Faust auf seine Frau ein, während diese die gemeinsame zwei Monate alte Tochter auf dem Arm hielt. Dabei traf er den Säugling mit einem Schlag am Hinterkopf und brach ihm dabei den Schädel.
Als er realisiert habe, dass er seine Tochter verletzt hatte, habe der Mann sie seiner Frau entrissen und ihr die Schuld für die Situation gegeben. «Dabei hat er mich weiter getreten», so die Frau vor Gericht. Dann seien sie beide zum Kinderspital gefahren. Dort habe der Angeklagte seiner Frau wegen ihrer offensichtlichen Verletzungen befohlen, im Auto zu warten.
Den Ärzten erzählte er, dass seine Tochter sich den Kopf an der Bettkante angestossen habe. Allerdings kauften ihm die Mediziner die Geschichte nicht ab. Im Protokoll des Spitals ist festgehalten: «Der Vater kann den Unfall nicht genau schildern.» Auch der Gerichtspräsident wies bei der Einvernahme auf Ungereimtheiten in der Aussage hin. Obwohl das Kind glücklicherweise keine bleibenden Schäden davongetragen hat, habe der Vater mit seinen Schlägen in Kauf genommen, dass seine Tochter stirbt oder schwer verletzt wird, so die Staatsanwaltschaft.
Der Angeklagte selber streitet alle Vorwürfe durchs Band ab. Einzig einmal habe er zur Verteidigung seiner Frau «eine Lähmung» an den Arm geschlagen, als diese ihn angegriffen habe. Entlastet wurde er vor Gericht von der Frau seines Bruders, belastet dagegen von der Schwester des mutmasslichen Opfers.
Seine Frau selber rang vor Gericht immer wieder um Fassung. Während sie ihre Aussage machte, zeigte er im Nebenraum mehrfach ein breites Grinsen, live übertragen auf Grossleinwand in den Gerichtssaal. Die Situation wird für das Gericht dadurch verkompliziert, dass die Frau ihre Aussagen während des Ermittlungsverfahrens zwischenzeitlich zurückgezogen hat: «Ich habe mich schuldig gefühlt, weil meine Tochter ohne Vater aufwächst und wollte ihm noch eine zweite Chance geben», sagte sie vor Gericht. Er habe ihr versichert, dass er sich ändern wolle und einen Kurs zum Thema häusliche Gewalt besucht.
Die beiden heirateten und die Frau wurde erneut schwanger. Allerdings hielt der Hausfrieden nur kurze Zeit. Wenige Wochen nach der Geburt des zweiten Kindes begann die Gewaltspirale wieder zu drehen, und dieses Mal sogar noch schlimmer. Mehrfach soll der Angeklagte seine Frau mit dem Tod bedroht haben, bevor sie endgültig ihre Sachen packte.
Das Bild eines jähzornigen Mannes, das die Staatsanwaltschaft zeichnet, wird durch einen eigentlich nebensächlichen Anklagepunkt gestützt. So ist der Mann offenbar auch ausgerastet, als er vor ein paar Jahren beim ersten Versuch durch die praktische Fahrprüfung fiel. Anschliessend habe er den Experten lautstark beschimpft und ihm gedroht, dass er dies noch bereuen würde. Ein Kollege des betroffenen Mannes hielt den Vorfall schriftlich fest: «Ich wollte, dass so einer nicht auf die Strasse kommt», sagte er vor Gericht. Dazu kommt: Der Angeklagte ist vorbestraft, unter anderem wegen Raufhandels sowie Strassenverkehrsdelikten.
Bei einem Schuldspruch drohen dem Mann eine mehrjährige Haftstrafe und die Ausweisung. Denn im Gegensatz zu seiner Frau hat er keinen Schweizer Pass. Das Urteil wird am Donnerstag bekanntgegeben. (bzbasel.ch)