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Historische Züge im Oberland verschwinden – Heimatschutz wehrt sich

Der Berner Heimatschutz setzt sich für den Erhalt historischer Fahrzeuge ein, darunter dieser Triebwageb ABDeh 4/4 302 der Berner Oberland Bahn.
Der Berner Heimatschutz setzt sich für den Erhalt historischer Fahrzeuge ein, darunter dieser Triebwageb ABDeh 4/4 302 der Berner Oberland Bahn.Bild: Peter Hürzeler / bahnbilder.ch

Historische Züge im Oberland verschwinden – Heimatschutz wehrt sich

Es erinnert an den Kampf zwischen David und Goliath: Auf der einen Seite die mächtigen Unternehmen Jungfraubahnen und Berner Oberland-Bahn, auf der anderen Seite eine Regionalgruppe des Berner Heimatschutzes. Es geht um den Erhalt von historischen Zügen.
28.10.2024, 09:5829.10.2024, 09:50
David Kocher / ch media
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Mit einem alten Tram durch Bern tuckern und dazu ein Fondue geniessen oder mit dem historischen Bus Nr. 5 nach Bümpliz fahren – das ermöglicht die Stiftung «Bernmobil historique». Zwischen Sumiswald, Wasen und Huttwil gibt es dank der Museumsbahn Emmental regelmässig historische Fahrten mit Dampflokomotiven und alten Elektrotriebwagen. Auch den Brünigpass kann man wie vor 100 Jahren überqueren – mit der Brünig Dampfbahn.

Historisches Rollmaterial gibt es im Oberland auch Richtung Grindelwald und Lauterbrunnen – aber vielleicht nicht mehr lange. Die Jungfraubahn-Gruppe dünnt den Bestand ihrer historischen Fahrzeuge immer weiter aus. Eine Regionalgruppe des Berner Heimatschutzes stemmt sich seit Jahren dagegen.

Kritik an der Erhaltungsstrategie der Jungfraubahnen

Die Regionalgruppe Interlaken Oberhasli will diese historischen Bahnen erhalten. «Wir sind überzeugt, dass man einige dieser mobilen Kulturgüter zu schützen versuchen sollte», sagt Peter Oeschger, Präsident der Regionalgruppe.

Er vergleicht es etwa mit den historischen Schiffen der BLS-Schifffahrt auf dem Thuner- und Brienzersee, der Blümlisalp, Lötschberg, dem Spiezerli und der MS-Oberhofen, die weiterhin im Einsatz stehen. Diese werden vom Verein «Freunde der Dampfschifffahrt Thuner- und Brienzersee», der BLS selbst oder der Berner Oberland Carterschiff AG erhalten.

Im Gegensatz zu immobilen Kulturgütern wie Häusern oder Bahnanlagen ist der Schutz und Erhalt von mobilen Gütern noch ungenügend rechtlich verankert. «‹Bewegliche› Denkmäler – wie dies zum Beispiel bei historischem Rollmaterial der Fall sein kann – sind nicht im Bauinventar erfasst und unterliegen nicht den Schutzbestimmungen im Baugesetz», teilt die Berner Bildungs- und Kulturdirektion auf Anfrage mit. Mobile Kulturgüter im Eigentum privater Unternehmen können durch die kantonale Denkmalpflege nur dann unter Schutz gestellt werden, wenn die Eigentümerschaft damit einverstanden ist.

Jungfraubahnen: Wir machen genug

Für die Jungfraubahnen ist klar, dass bereits genug für den Erhalt historischer Wagen gemacht wird. «Die Jungfraubahnen haben immer darauf geachtet, dass die wichtigsten historischen Wagen der Nachwelt erhalten bleiben», sagt Kathrin Naegeli, Mediensprecherin des Unternehmens. Eine wichtige Rolle spiele etwa das Verkehrshaus Luzern. Dort seien bereits mehrere historische Wagen verschiedener Bahnen der Jungfraubahnen ausgestellt. «Gerade letzte Woche zog ein weiterer historischer Wagen (‹z'Elfi›) der Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren (BLM) ins Verkehrshaus Luzern», so Naegeli.

Auch an weiteren Orten seien alte Wagen und Lokomotiven ausgestellt. «So steht eine historische Jungfraubahn-Lok aus dem Jahr 1912, die früher den Eiger Ambassador Express gezogen hat, im Flagship-Store der Jungfraubahnen in Interlaken, ein weiterer historischer Wagen der Jungfraubahn steht bei der Stiftung ‹UNESCO-Welterbe Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch› (SAJA) in Naters.»

Dafür hat Peter Oeschger vom Berner Heimatschutz wenig Verständnis: «Das ist kein Erhalt eines Kulturgutes. Das ist nur noch die Hülle und dient mehr als Werbegag.» Dass historische Wagen ins In- und Ausland abgegeben werden, will der Vereinspräsident gar nicht bestreiten; das Ziel der Gruppe ist aber ein anderes: «Die Bahnen sollen nicht in einen ‹Schopf› gestellt, sondern weiter betrieben werden.» Die Verantwortlichen der Jungfraubahnen seien angehalten, einen Bereich «Jungfraubahnen historic», beispielsweise in Form einer Stiftung zu gründen, wie das beispielsweise Bernmobil, SBB, BLS oder die Zentralbahn schon vor Jahren getan haben, so Oeschger. Dafür gebe es bei der heutigen Führung der Jungfraubahnen aber wenig Kooperationsbereitschaft.

Dieses historische Fahrzeug soll bald verschrottet werden

Wenn die Jungfraubahnen keine Lösung für ein historisches Fahrzeug finden können, wird diese verschrottet. Vor diesem Ende steht aktuell der Triebwagen 302 der Berner Oberland Bahnen BOB von 1948/49. «Rund fünf Jahre lang wurde eine Lösung beziehungsweise ein Abnehmer für den Triebwagen 302 der Berner Oberland-Bahn (BOB) gesucht, leider ohne Erfolg. Deshalb steht dort der Entscheid, dass dieser Wagen nicht mehr länger erhalten bleibt», erklärt Kathrin Naegeli von den Jungfraubahnen.

Der Berner Heimatschutz bemüht sich seit längerem um den Erhalt dieses Fahrzeugs. Dieser Triebwagen sei schützenswert, ist in internen Dokumenten des Heimatschutzes vermerkt, da sie «den Entwicklungsschritt zu höherer Kapazität und rationellerem Betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg» repräsentiere.

Mit rationellerem Betrieb ist gemeint, dass die Personen neu im Triebfahrzeug selbst transportiert werden konnten. Früher wurden drei solche Wagen (301-303) auf der Strecke eingesetzt, aktuell sei einzig der Triebwagen 302 «auf der Stammstrecke erhalten». Loswerden wollte die Berner Oberland-Bahn den Wagen eigentlich bereits 2023. Auf Betreiben des Berner Heimatschutzes wurde eine Gnadenfrist von einem Jahr verhängt – diese läuft nun Ende Oktober aus.

Ist die Verschrottung des Fahrzeugs überhaupt legal?

Wie hat der Heimatschutz diese Zeit genutzt? «In einer so kurzen Zeit ist das gar nicht machbar», erklärt Peter Oeschger. «Viele unserer Leute sind berufstätig und machen das in ihrer Freizeit.» Die Schonfrist habe eher symbolischen Charakter gehabt. Man habe aber Abklärungen getroffen, wo man das Fahrzeug auf einer Strecke platzieren könnte, erklärt Oeschger. Diese Diskussionen seien noch nicht abgeschlossen.

Für den Heimatschutz ist auch eine rechtliche Frage noch offen: Darf die Berner Oberland-Bahn überhaupt eigenmächtig über so eine Verschrottung entscheiden? Die Berner Oberland-Bahn AG ist zwar an die Jungfraubahnen Management AG angegliedert, die Aktienmehrheit liegt aber beim Kanton Bern und beim Bund – und könnte dadurch ein öffentliches Unternehmen sein. Bei öffentlichen Unternehmen kann die kantonale Denkmalpflege einseitig eine Unterschutzstellung verfügen.

Ist die BOB ein öffentliches oder ein privates Unternehmen?

Der Berner Heimatschutz hofft, dadurch den Abbau des historisch wertvollen Rollmaterials stoppen zu können. Als öffentlich-rechtliche Institution wäre die Berner Oberland-Bahn AG an das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz gebunden. Artikel 3 besagt: «Der Bund, seine Anstalten und Betriebe sowie die Kantone sorgen bei der Erfüllung der Bundesaufgaben dafür, dass das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler geschont werden und, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben.» Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat der Berner Heimatschutz kantonale Ämter kontaktiert, eine Bestätigung blieb bis jetzt aber aus.

Was passiert nach dem Machtwechsel im Oberland?

Mit ihrem Widerstand haben sich die Heimatschützer einen mächtigen Feind gemacht, vielleicht sogar «den mächtigsten» – so wurde Urs Kessler, CEO der Jungfraubahnen, von der «NZZ» etwa als der «mächtigste Mann im Berner Oberland» beschrieben. Und dieser ist über die Einmischung des Heimatschutzes gar nicht erfreut, wie BärnToday weiss.

Im Juni will der gebürtige Berner Oberländer aber in den Ruhestand treten. Seine Nachfolge tritt Oliver Hammel an. Ob es unter Hammel einen Kurswechsel betreffend Erhalt der historischen Bahnen geben wird? Mit einem Blick auf die Vita des 41-jährigen Hammel ist das eher nicht zu erwarten.

Stattdessen könnte der Fokus noch stärker aufs Geschäft mit asiatischen Touristen ausgerichtet werden, denn mit diesen Märkten kennt er sich bestens aus. Oliver Hammel arbeitete und lebte längere Zeit in Asien, davon viele Jahre in China und aktuell in Thailand.

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