Der angeklagten Vivian Obenauf schien es den ganzen Tag nicht gutzugehen. Am Vormittag fällt die ehemalige Boxerin gar in Ohnmacht. Nach wenigen Sekunden kommt sie wieder zu sich und beginnt zu weinen. Vor dem Mittag bittet die 37-Jährige um eine vorzeitige Pause. Diesem Wunsch wird stattgegeben. Am Nachmittag läuft der Prozess ohne Zwischenfälle ab. Später sagt Obenaufs Anwalt, dass der Schwächeanfall am fehlenden Frühstück am Morgen liegen könnte.
Vivian Obenauf beteuerte mehrmals ihre Unschuld und fragte, weshalb sie so etwas tun sollte. Zudem sagte die Angeklagte während des Prozesses, dass ein Polizeibeamter ihr den Mord anhängen wollte. So habe der Beamte ihr in ihrer Wohnung blutige Gegenstände vorbeigebracht, um falsche Spuren zu legen. Diese Aussage stellte sich im Verlauf des Prozesses als unpräzise heraus.
Der Präsident der Strafkammer gab am Nachmittag bekannt, dass ein Polizist der Angeklagten tatsächlich ein Portemonnaie und eine Uhr des verstorbenen Gatten ausgehändigt hatte, allerdings nicht in der Wohnung der Angeklagten, sondern in ihrem Boxstudio.
Der Verteidiger der wegen Mordes angeklagten Ex-Boxerin forderte, wie erwartet, einen Freispruch. Die Indizien seien nicht ausreichend, vielmehr könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine andere Täterschaft das Opfer umgebracht habe. Neben dem Freispruch fordert die Verteidigung, für die ausgestandene Haft von über drei Jahren mit 200 Franken pro Tag zu entschädigen.
Er nannte zahlreiche entlastende Elemente. Laut dem Verteidiger hätte Vivian Obenauf die nötigen Schläge nicht ausführen können, weil sie zur Tatzeit an Schulter- und Ellenbogenproblemen gelitten habe und krankgeschrieben gewesen sei.
Auch das Argument, dass nur die Angeklagte einen Schlüssel zur Wohnung des Opfers hatte, lässt die Verteidigung nicht gelten. Der Mann hätte eine notorische Unordnung mit seinem Schlüssel gehabt. Zudem habe er die Balkontüre bisweilen offen gelassen, weshalb eine Täterschaft auch über den Balkon in die Wohnungen hätte gelangen können.
Auch dass Zeugen das Auto der Angeklagten zur Tatzeit an einem Geräusch erkannt haben wollten, bezweifelte der Verteidiger. Der entsprechende Zeuge schildere den Ton, den er gehört haben wolle, immer wieder anders.
Gemäss dem Verteidiger könnten die Blutspritzer auf den Schuhen der Angeklagten auch in anderem Zusammenhang als der Tat dorthin gelangt sein. Als sie ihren getöteten Gatten in dessen Wohnung fand, sei noch nicht alles Blut am Tatort trocken gewesen.
Laut dem Verteidiger hat seine Klientin am Abend der Tat ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Das lasse sich aus den Daten ableiten, dass sie zuerst mit dem Sohn einen Film geschaut, ihn ins Bett gebracht und anschliessend selber noch einen Film geschaut habe, der nicht ganz bis zum Ende durchgelaufen sei. Das heisse, dass sie ihn abgeschaltet habe. Dazu habe sie zu Hause sein müssen.
Insgesamt liessen die Indizien keinen Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten aufkommen, hielt die Staatsanwaltschaft fest. Sie forderte eine Verurteilung wegen Mordes und zusätzlich zur Freiheitsstrafe auch einen Landesverweis von 14 Jahren. Es sei im Rahmen der Ermittlungen eingehend abgeklärt worden, dass es keine Hinweise auf eine Dritttäterschaft gebe.
Die Beziehung der Angeklagten mit ihrem Gatten habe sich stark verschlechtert. Er habe sie abgewiesen und das Paar habe auch nicht mehr zusammen gewohnt. Das habe der stolzen, dominanten Frau stark zugesetzt. Sie habe über einen Schlüssel zur Wohnung ihres Mannes verfügt. Die Angeklagte habe die Balkontüre geöffnet, um einen Einbruch vorzutäuschen. Als der Ehegatte nach Hause gekommen sei, sei er direkt im Eingangsbereich von der Frau angegriffen worden. Diese habe 19 Mal mit einem Baseballschläger auf ihn eingeschlagen.
Dass die Frau viel mehr Gewalt angewendet habe als nötig, deute auf ein Beziehungsdelikt hin. Ausserdem sei das Smartphone des Gatten kurz vor der Tat in seiner Wohnung zertrümmert worden und am Boden hätten die Ermittler den Ehering gefunden.
Nach der Tat sei sie als erste am Tatort erschienen und habe die Wohnung zusammen mit ihrem kleinen Sohn betreten, um Spuren zu kontaminieren. So habe sie etwa den blutverschmierten Baseballschläger ihrem kleinen Sohn in die Hände gedrückt.
Beim Prozess wurde nur ein Verhandlungstag angesetzt. Nach der Befragung von Vivian Obenauf und den Plädoyers von Verteidigung und Staatsanwaltschaft muss nun das Obergericht ein Urteil fällen. Es wird am kommenden Freitag erwartet.