Blogs
Sektenblog

Die Geschichte von Leela, die in der Bhagwan-Sekte missbraucht wurde

The Bhagwan Shree Rajneesh tells a news conference on Monday, Sept. 17, 1985 in Rajneeshpuram, Oregon, that his former personal secretary and spokeswoman, Ma Anand Sheela and six other former commune  ...
Bhagwan baute eine grosse Kult-Gemeinschaft auf.Bild: AP
Sektenblog

Die Geschichte von Leela, die in der Bhagwan-Sekte als Mädchen missbraucht wurde

In vielen christlichen Gemeinschaften kommt es zu religiösen und sexuellen Übergriffen. In esoterischen und spirituellen Gruppen ist es kaum besser.
15.11.2025, 07:5715.11.2025, 07:57

Seit die christlichen Landeskirchen krebsen, hat die Spiritualität Hochkonjunktur. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass das «Gottes-Gen» über Jahrhunderte tief in uns verankert wurde und wir uns zu religiösen Wesen entwickelten.

Wenn jedoch Skeptiker Gott vom Himmelsthron stossen, braucht es einen Ersatz. Da kommt die Spiritualität gerade richtig. Doch sie ist ein Allerweltsbegriff, in den man Vieles hineininterpretieren kann.

Spiritualität ist eine Sinnsuche, die über den religiösen Glauben hinausgeht. Getrieben wird sie von der Sehnsucht, transzendentale Erfahrungen zu machen und den Weg zum höheren Bewusstsein zu finden.

Esoterik verspricht Erleuchtung

Wie soll das gehen? Als erstes kommt einem die Meditation in den Sinn. Auf dem Fuss folgt ihr die Esoterik, die nichts weniger als die Erleuchtung verspricht.

In der Theorie klingt das gut. Wir brauchen kein starres religiöses Konzept mehr, sondern können unsere eigene spirituelle Heilslehre kreieren und unsere individuellen religiösen Bedürfnisse befriedigen.

Dumm nur, dass wir bei spirituellen Praktiken und esoterischen Gruppen oft in die gleiche Falle tappen, die wir von manchen problematischen Religionen und Glaubensgemeinschaften kennen. Die Hauptgefahr besteht darin, dass sich so mancher spirituelle Lehrer wie ein Sektenführer gebärdet.

Reportage über den Bhagwan-Osho-Kult.Video: YouTube/Juan Doa

Sai Baba zum Beispiel betrieb spirituellen Missbrauch. Er behauptete, dass er mit seinen übersinnlichen Kräften alles materialisieren könne. Von kleinen Gegenständen bis hin zu ganzen Städten. Zu seinen spirituellen Praktiken gehörten auch sexuelle Übergriffe.

Maharishi Mahesh Yogi von der Transzendentalen Meditation verlangte von seinen Jüngern, ganze Städte niederzureissen und neu nach den Himmelsrichtungen auszurichten. Seinen Anhängern versprach er, sie könnten mit den spirituellen Energien und der Meditation die Gravitation überwinden und dereinst vom Zentrum in Seelisberg auf den Urnersee hinunterfliegen.

Beatles beim Guru

Der amerikanische Guru begeisterte selbst die Beatles. Als die Pilzköpfe jedoch von sexuellen Missbräuchen erfuhren, kündigten sie dem Yogi die Gefolgschaft.

Ein weiteres Beispiel: Der amerikanische Guru Marshall Applewhite der esoterischen Gruppe Haeven‘s Gate machte seinen Anhängern 1997 weis, sie müssten sich suizidieren, um in feinstofflicher Form zum Komet Hale Bopp gebeamt werden zu können. 39 junge Anhänger starben in ihrem Sektenwahn.

Da wären noch die Gurus Sri Chinmoy und Swami Prabhupada von den Hare Krishna, die ebenfalls in problematische spirituelle Sphären abrutschten, radikale Heilsvorstellungen entwickelten und autoritäre Strukturen aufbauten.

«Wenn jeder mit jedem kann, dann ist auch genug für alle da, und es gibt mehr positive Energie und Liebe»

Das bei uns bekannteste Beispiel sind die Sonnentempler, die Mitte der 90er-Jahre mehrere Morde, einen Massenmord und einen Massensuizid begingen. Besonders krass ist der Umstand, dass Kinder mutmasslich von den eigenen Eltern umgebracht wurden, bevor sich diese selbst ins Jenseits beförderten.

Wenn ich jeweils bei Vorträgen erkläre, dass die sektenhafte Verblendung oft stärker als die Mutterliebe sei, erntete ich meist ungläubige Blicke. Nachweisen lässt sich die Behauptung aber nicht nur mit den Massensuiziden, sondern auch mit spirituellen Gruppen, für die Kinder ein Hindernis auf dem Weg zur Erleuchtung sind.

Als Achtjährige Opfer der Bhagwan-Kommune

Opfer dieser Haltung wurde Leela Goldmund im Alter von acht Jahren, wie sie in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger in dieser Woche schilderte. Ihre Mutter engagierte sich bei der Bhagwan-Kommune in Höngg ZH und richtete ihr Leben auf ihren Guru und seine radikale spirituelle Lehre aus. Sie plünderte ihr Bankkonto, wie von ihr verlangt wurde, und arbeitete weitgehend in Fronarbeit für die vielen Projekte der Sekte.

Das Zerschlagen der familiären Banden gehörte zum autoritären Konzept. Leela Goldmund lebte in einer Kindergruppe und hatte kaum noch Kontakt zu ihren Eltern. Feste Bezugspersonen gab es nicht.

«Ich durfte etwa nicht zeigen, dass ich mein Mami vermisse. Wir sollten immer gut drauf sein und easy going. Sonst wurde man in Therapie oder in spezielle Meditationen geschickt», erzählte Leela Goldmund.

epa02704292 Hundreds of devotees gather inside the Sri Kulwant Hall in Prasanthi Nilayam to attend the funeral ceremony of Hindu holy man Sathya Sai Baba in Puttaparti, about 450 kilometers from Hyder ...
Der indische Guru Sai Baba war eine schillernde Figur.Bild: EPA

Eindrücklicher könnte das egozentrische Verhalten der spirituellen Sucher nicht dokumentiert werden. Sie waren getrieben von der Jagd nach den grossen übersinnlichen Emotionen, doch Gefühle für ihre Kinder brachten sie nicht auf. Es war ihnen auch egal, dass ihre minderjährigen Töchter von geilen «Glaubensbrüdern» sexuell missbraucht wurden. Es kümmerte auch niemand in den Kommunen, dass in ihren Reihen regelmässig Straftaten begangen wurden.

Zurück zu Leela Goldmund: Aussenkontakte gab es kaum: «Die Kommune bot alles, Essen und Kleidung, Personentransport, ein Krankenzimmer, eine Schule, wir lebten in einem Paralleluniversum. Die Aussenwelt war für uns minderwertig.» Wer sich nicht dem Bhagwan, der sich später Osho nannte, unterwarf, wurde ausgeschlossen, sagte Leela Goldmund.

Man habe auch kein Anrecht auf eine monogame Beziehung oder auf Kinder gehabt. Leela Goldmund erinnerte sich an eine Frau, die schwanger geworden war. Sie sei angewiesen worden, abzutreiben oder die Kommune zu verlassen.

«Wir wurden total neu konditioniert, hielten uns für spirituell Auserwählte. (…) Kontakte mit Nicht-Anhängern, etwa der Familie, waren verpönt.» Sie hätten das Ego auflösen müssen, sagte Leela Goldmund weiter.

Gefühle sind eine Illusion

«Auch uns Kindern wurde immer wieder eingebläut, dass jeder Gedanke und jedes Gefühl nur eine Illusion seien, die es abzulegen galt. (…) Wir wurden systematisch dissoziiert und von aussen bespielt. All das als Spiritualität zu titulieren, ist ein starkes Stück.»

Monogamie war ein spiessbürgerliches Unding. «Die Maxime war: Wenn jeder mit jedem kann, dann ist auch genug für alle da, und es gibt mehr positive Energie und Liebe», erklärte Leela Goldmund. Das galt auch für Mädchen nach der ersten Menstruation.

Kinder seien im Alter von zwölf, dreizehn oder vierzehn Jahren mit 50 bis 100 verschiedenen Erwachsenen im Bett gewesen. Sie sei von zwei Männern gefragt worden, ob sie schon die Periode bekommen habe. Und ob sie der Erste sein dürften.

«Meine beiden Eltern haben sich mental bis heute nicht von Osho distanziert», sagte Leela Goldmund. «Laut der Ideologie der Sekte waren sie ja auch gar nicht mehr unsere Eltern. Meine Familie war die Community, und das glaubte ich auch selber, bis in meine Vierziger.»

In einer Sekte aufgewachsen

Leela Goldmund, die zwei Bücher über ihr Leben in den Bhagwan-Kommunen geschrieben hat, bilanzierte: «Ich brauchte wahnsinnig lang, um zu realisieren, dass ich in einer Sekte aufgewachsen war.»

Sektenblog

Religiösen und spirituellen Missbrauch gibt es, seit Menschen an höhere Mächte glauben. Es wird ihn weiter geben – bis in alle Ewigkeit.

Die Bücher von Leela Goldmund: «Wenn ich groß bin, bin ich erleuchtet: Oshos vergessene Kinder» und «Aufgewacht im Hier und Jetzt».

Sektenblog
Wenn Seliggesprochene nicht ganz so heilig sind
461
Wenn Seliggesprochene nicht ganz so heilig sind
von Hugo Stamm
Welches ist eigentlich die gefährlichste Sekte? Warum ein Ranking wenig Sinn ergibt
335
Welches ist eigentlich die gefährlichste Sekte? Warum ein Ranking wenig Sinn ergibt
von Hugo Stamm
Wenn selbst die Pfarrerin nicht mehr an Gott glaubt, wackelt sein Thron
271
Wenn selbst die Pfarrerin nicht mehr an Gott glaubt, wackelt sein Thron
von Hugo Stamm
Die Gefahr hinter den geistigen Abgründen der Gurus ist real
335
Die Gefahr hinter den geistigen Abgründen der Gurus ist real
von Hugo Stamm
Auch esoterische Heiler  nennen sich nun Coaches – das steckt dahinter
221
Auch esoterische Heiler nennen sich nun Coaches – das steckt dahinter
von Hugo Stamm
Nackte Füsse, heisse Glut: Vom Unsinn des Feuerlaufens
420
Nackte Füsse, heisse Glut: Vom Unsinn des Feuerlaufens
von Hugo Stamm
Der König gibt sich die Kügelchen: Wie Charles mit der Homöopathie scheiterte
415
Der König gibt sich die Kügelchen: Wie Charles mit der Homöopathie scheiterte
von Hugo Stamm
Ein Glaube bleibt ein Glaube – und das ist gut so
662
Ein Glaube bleibt ein Glaube – und das ist gut so
von Hugo Stamm
Rudolf Steiner, Corona und das Problem mit der Impfung
608
Rudolf Steiner, Corona und das Problem mit der Impfung
von Hugo Stamm
Die Aura-Chirurgie verspricht Wunderheilungen – ist aber gefährlicher Hokuspokus
168
Die Aura-Chirurgie verspricht Wunderheilungen – ist aber gefährlicher Hokuspokus
von Hugo Stamm
Nein, hier opfert niemand Kinder auf Friedhöfen
575
Nein, hier opfert niemand Kinder auf Friedhöfen
von Hugo Stamm
Sekten? Das sind immer die anderen
1.1k
Sekten? Das sind immer die anderen
von Hugo Stamm
Faktencheck der Astrologie: Und die Sterne lügen doch
313
Faktencheck der Astrologie: Und die Sterne lügen doch
von Hugo Stamm
Gott und das Problem mit dem verpassten Copyright
1.1k
Gott und das Problem mit dem verpassten Copyright
von Hugo Stamm
Warum Sekten in diesem Blog nicht gelobt werden
371
Warum Sekten in diesem Blog nicht gelobt werden
von Hugo Stamm
Corona als Strafe und die Impfung als Tool des Teufels: Wie ICF und Co. die Seuche sehen
321
Corona als Strafe und die Impfung als Tool des Teufels: Wie ICF und Co. die Seuche sehen
von Hugo Stamm
Kennst du die Antwort auf die Frage: Gibt es gute Sekten?
268
Kennst du die Antwort auf die Frage: Gibt es gute Sekten?
von Hugo Stamm
Gebrabbel, Channeling und Plattitüden: Wenn Gott mit vielen Stimmen zu uns  spricht
194
Gebrabbel, Channeling und Plattitüden: Wenn Gott mit vielen Stimmen zu uns spricht
von Hugo Stamm
Die Frage nach dem Sinn des Lebens irritiert – doch vielleicht kann uns der Wurm helfen
294
Die Frage nach dem Sinn des Lebens irritiert – doch vielleicht kann uns der Wurm helfen
von Hugo Stamm
Das Problem mit der linken Hälfte – oder: Gott entsteht im Hirn
570
Das Problem mit der linken Hälfte – oder: Gott entsteht im Hirn
von Hugo Stamm
Dramatische Flucht aus dem Sektengefängnis: Der Sohn von Ivo Sasek packt erstmals aus
261
Dramatische Flucht aus dem Sektengefängnis: Der Sohn von Ivo Sasek packt erstmals aus
von Hugo Stamm
Die Sterne lügen nie – sie kennen nur Corona nicht. Oder liegt es doch an den Astrologen?
267
Die Sterne lügen nie – sie kennen nur Corona nicht. Oder liegt es doch an den Astrologen?
von Hugo Stamm
Jedes Jahr verliert die katholische Kirche mehr Gläubige – oft an eine Ersatzreligion
358
Jedes Jahr verliert die katholische Kirche mehr Gläubige – oft an eine Ersatzreligion
von Hugo Stamm
Verschwörungsideologien sind eine geistige Pandemie – und vergiften Demokratien
336
Verschwörungsideologien sind eine geistige Pandemie – und vergiften Demokratien
von Hugo Stamm
Warum ich selten über  islamistische Hetzer schreibe
186
Warum ich selten über islamistische Hetzer schreibe
von Hugo Stamm
Wenn Leichen lächeln und Leberkäse leben – willkommen bei der Bioresonanz
135
Wenn Leichen lächeln und Leberkäse leben – willkommen bei der Bioresonanz
von Hugo Stamm
16 Dinge, die mich an der Geschichte von Sodom und Gomorrha irritieren
371
16 Dinge, die mich an der Geschichte von Sodom und Gomorrha irritieren
von Hugo Stamm
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

Du kannst Hugo Stamm auf Facebook folgen und seinen Podcast findest du auf YouTube.
infobox image
Bild: zvg
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
276 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
276
Krankenkassenprämien: So lässt sich das Leben von 85 % der Schweizer verändern
Nach einer erneuten Erhöhung der Krankenkassenprämien fordert der sozialdemokratische Nationalrat und Ökonom Samuel Bendahan dazu auf, das Funktionieren eines Systems zu hinterfragen, das er für zutiefst ungerecht hält. Er schlägt eine radikale Lösung vor, um die Geldbeutel der Schweizer Bevölkerung zu entlasten.
In der Schweiz wurden im Jahr 2023 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Krankenkassenprämien aufgewendet. Das BIP stellt den gesamten Mehrwert dar, der in der Schweiz geschaffen wird: Es ist die Summe aller Ausgaben oder auch die Summe aller Einnahmen. Wenn man sich an diesen 3,5 % orientiert, müsste jemand, der den Medianlohn zu 100 % verdient, also etwa 6800 Franken pro Monat, eine Prämie von 238 Franken zahlen, während eine Familie mit zwei Kindern und einem Einkommen von 10’000 Franken insgesamt 350 Franken pro Monat zahlen müsste.
Zur Story