Zoll-Deal mit den USA: Die Schweizer Wirtschaft ist stärker als Trump
Es ist unwürdig. Schnippt Donald Trump mit dem Finger, setzt sich Guy Parmelin ins Flugzeug, greift Karin Keller-Sutter zum Hörer, tragen Milliardäre goldene Geschenke ins Oval Office. Ruft der «König von Washington», fühlen sich alle genötigt zu gehorchen – und nicht wenige fühlen sich dabei sogar noch geehrt.
Immerhin: Das kollektive Hofieren scheint sich auszuzahlen. Die Schweiz dürfte ihren Strafzoll von 39 Prozent bald wieder los sein. Demnach müssten die hiesigen Unternehmen künftig ihre Exporte in die USA wie ihre europäischen Konkurrenten «nur» noch mit 15 Prozent verzollen. Die Claqueure aus den Reihen der SVP bejubeln ihren Bundesrat Parmelin, die Schweizer Wirtschaftsleute, die Anfang November bei Trump waren, klopfen sich gegenseitig auf die Schultern.
Angesichts dieses devoten Verhaltens sind die Auftritte von Nick Hayek, dem ewigen Rebellen, eine Wohltat. Denn der Patron der Swatch-Gruppe hat durchaus recht, wenn er betont, dass die Schweiz auch mal ihre Stärken hätte ausspielen können – und die Stärken ihrer Wirtschaft. Diese hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie viel einstecken kann.
Sie hat gezeigt, dass sie aus Krisen immer wieder gestärkt herauskommt. Und davon gab es viele in den vergangenen zwanzig Jahren. Doch die Schweiz wurde von keiner besiegt: Weder von der Beinahe-Pleite der UBS, noch vom Steuerstreit mit den USA, noch vom Franken-Schock oder dem Lockdown, noch vom CS-Fiasko. Hierfür gibt es viele Gründe.
Einer der wichtigsten dürfte sein, dass die hiesige Wirtschaft nicht nur stark exportorientiert und damit konkurrenzfähig ist, sondern auch, dass sie sehr breit aufgestellt ist. Schweizer Grosskonzerne und mittelständische Unternehmen spielen in verschiedenen Branchen weltweit in der Topliga mit – egal, ob in der Pharma, dem Banking oder der Uhren- und Maschinenindustrie.
Und so hat sie auch den Strafzoll von 39 Prozent erstaunlich gut weggesteckt. Der Schaden war zwar für einzelne Unternehmen immens. Insbesondere in der vergleichsweise tiefmargigen Maschinen- oder Nahrungsmittelindustrie mussten einige Firmen ihr US-Geschäft eindämmen, ganz einstellen oder Verluste in Kauf nehmen. Das ist sehr schmerzhaft. Die Ausfuhren der Schweizer Industrie nach Amerika sind denn auch innert Wochen um über 14 Prozent eingebrochen.
Doch insgesamt war der von Trump angerichtete Schaden überblickbar. Das liegt auch daran, dass nur 4 Prozent aller Schweizer Exporte von seinem Zollhammer getroffen worden sind. Dies erstens, weil «nur» rund 18 Prozent aller Schweizer Exporte in die USA gehen, und zweitens, weil davon ein Grossteil vom Zoll ausgenommen ist. Nebst den Dienstleistungen fallen hier vor allem die Pharmaprodukte und das Gold ins Gewicht.
Viele der leidtragenden Firmen haben sich zudem mit der unschönen Situation arrangiert, so wie etwa Nick Hayeks Swatch-Gruppe. Sie hat mit ihrer quadratischen Zolluhr einen Werbecoup und hierzulande viele Sympathien gewonnen. Und sie hat wie andere Uhren- und Luxusfirmen die Preise in den USA erhöht – und damit letztlich die Rechnung für Trumps erratische Zollpolitik an Trumps Wähler weitergeleitet.
Wie gut der nun hochgejubelte Deal für die gesamte Wirtschaft ist, wird sich weisen, wenn dann auch klar ist, was das Kleingedruckte wirklich bedeutet und wie viel die Schweiz in Franken und Verlusten an Souveränität hat bezahlen müssen. Zudem ist Trumps Zollregime auch in abgeschwächter Form noch immer äusserst einschneidend für den Welthandel - und bleibt damit weiterhin eine grosse Herausforderung für eine offene Exportnation wie die Schweiz.
Doch der Deal ist nun da. Und auch Hayek profitiert von der Einigung von Trumps Hofierern. Schon als nur ruchbar wurde, dass es ein Abkommen zwischen der Schweiz und den USA geben könnte, machten die Aktien seiner Swatch-Gruppe einen Sprung nach oben.
Und dafür musste er sich nicht einmal vor dem König hinknien. (aargauerzeitung.ch)
