Jüngst bewirtete ich in Frankfurt Freunde mit Produkten, die ich zuvor in der Schweiz erworben hatte. Zur Erfrischung reichte ich Cola, ebenfalls dort erstanden. Als einer der Gäste den Aufdruck «Made in Switzerland» auf den Flaschen sah, ging es los mit dem Geraune: Wie? Ein urkapitalistisches Konsumerzeugnis, Sinnbild der Globalisierung selbst, gibt sich hier den Anstrich eines regionalen Produkts? Ist das nicht eine Verhöhnung all der klitzekleinen Mikrounternehmen, die tatsächlich von der höchsteigenen Scholle leben, lange Kilometer zum Markttag brausen, um dort mundgebraute Limonaden feilzubieten, die sie unter der gnadenlosen Schweizer Sonne selbst gekeltert haben? Na, um ganz ehrlich zu sein, fand das Gespräch ein paar Niveauetagen tiefer statt: «Höhö, die Schweizer wieder! », «Kantönli, Kantönli!»
Diese Art von Diskussionen ist mir wohlvertraut; sie begannen im Frühjahr 2013, als der Hinweis zum Herstellungsland erstmalig auf den Packungen prangte. Diesmal aber wurde es mir zu bunt. «Unwissende!», schrie ich. «Habt ihr ein schlechtes Google in der Kinderstube gehabt?! Wisst ihr denn nicht, dass Coca-Cola Switzerland tatsächlich ein reines Schweizer Erzeugnis ist? Den Auflagen des Swissness-Paragraphen nicht nur folgend, sondern sie sogar übererfüllend? Ist euch denn nicht bekannt, dass ganz zu Anfang die Schweizer Colaflaschen noch liebevoll von Hand abgefüllt, von einer alten Grossmutter verkorkt und tatsächlich von einem einzigen Traktorfahrer von Haus zu Haus gefahren wurden? Oder so ähnlich?! Dass also die Schweizer Cola tatsächlich mindestens so schweizerisch ist wie Gruyerzer, Blocherfleisch und Christoph Bündner zusammmengenommen?»
Da verstummten die Spötter, und nach einem tiefen, wohltuenden und beruhigenden Schluck Schweizer Cola wurde ich versöhnlicher. Seht ihr denn nicht, sagte ich, dass es genau diese Dinge sind, die in der völlig globalisierten Welt noch einen Unterschied machen? Die winzigen Nuancen im Immergleichen? Die klitzekleinen Spuren Menschlichkeit auf dem Massenmarkt? So sei doch längst schon überall bekannt, dass die Restaurants des international agierenden McDonald’s-Imperiums uns eben nicht auf der ganzen Welt denselben Frass vorsetzen, sondern – mit Billigung der amerikanischen Zentrale – in jeder Erdregion winzigkleine, auf die regionalen Bedürfnisse abgestimmte Veränderungen vornehmen. So kommt auf den Cheeseburger in Indien immer auch eine winzige Prise Kurkuma, und jeder in Irland verkaufte Milchshake wird vor dem Verzehr mit einem kleinem Schluck Desinsfektionsalkohol abgerundet.
So ähnlich ist es auch mit der Schweizer Cola. Es macht nämlich einen Unterschied, ob man eine schwarze Brühe in schmutzverkrusteten Pipelines aus Polen heranschafft – oder ob ein hochwertiges Limonadenerzeugnis, das in jeder Phase seiner Entstehung Schweizer Luft geatmet und Schweizer Licht getrunken hat! Wie schon 1563, als Sir Walter Cokeville die Cola aus der Neuen Welt mitbrachte, reift sie noch immer mindestens 15 Monate in Eichenfässern, bevor sie von Damen in traditioneller Tracht mit grossen Eimern auf dem Kopf durchs Land geschafft wird. Dabei müssen die Colawirtinnen ganz gerade gehen, denn jede unbedachte Kopfbewegung lässt wertvolle Kohlensäure entweichen! Es ist diese Sorgfalt, die man noch in jedem Rülpser schmeckt.
In Deutschland hingegen hebt ein schlecht motivierter Roboter eine wackelige Holzpalette an, lässt dabei zwei Drittel der Flaschen zu Bruch gehen und hievt sie in einen LKW ohne Feinstaubfilter, der von einem depressiven Reutlinger Tagelöhner in eine dieser «Kaufland» genannten Vorhöllen gefahren wird, wo halbblinde, merkwürdig kleine und dicke Konsummutanten orientierungslos durchs flackernde Neonlicht wanken. Und dann zu Hause Cola und Maggi-Fix verwechseln – und es aber gleich ist, weil sämtliche Geschmacksknospen eh abgestorben sind von Alkohol und Fertigpizza.
Kurz: Ein Scheibchen Schweizer Sorgfalt könnten wir Deutsche uns auch mal wieder abschneiden! Und ich scheue mich nicht zu sagen: Wer wirklich etwas auf sich hält, importiert seine Cola ausschliesslich aus der Schweiz. Er wird vergnügter und erfrischter durchs Leben gehen.