Berlin/Jerusalem (den). Jahrhundertelang wurde das Judentum von Verschwörungsanhängern, von Fanatikern, ja gar von ganzen Staaten als Wurzel allen Übels verantwortlich gemacht. Ob die Finanzbranche, Hollywood oder gar die Politelite gewisser Länder, alle seien sie von den Juden infiltriert, heisst es aus diesen Kreisen. «Schon mein Grossvater, der wohlverstanden ein einfacher Schreiner war, musste sich anhören, dass er Teil einer jüdischen Verschwörung sei, die das Ziel habe, die Weltherrschaft an sich zu reissen», sagt der deutsche Politologe Benjamin Feigenbaum. «Selbst ich werde immer wieder von linken und rechten Politikern willkürlich in die konspirative Ecke gestellt, ohne dass die Vorwürfe je mit einem konkreten Beweis gestützt wurden. Und dies nur, weil ich Jude bin.»
Doch nun scheint sich ein Richtungswechsel anzubahnen. «In letzter Zeit habe ich in meinen Studien vermehrt festgestellt, dass wir Juden zwar nach wie vor, jedoch immer weniger in Zusammenhang mit Verschwörungen und fiesen Machenschaften genannt werden», so Feigenbaum. Durch das Aufkommen des radikalen Islamismus gewinne das Judentum in rechten und konservativen Kreisen stark an Sympathien. «Diese Gruppen müssen sich nun für ihre Vorurteile und Verlustängste einen neuen Sündenbock suchen. An die Stelle der Juden sind darum die Homosexuellen, speziell die Schwulen getreten.»
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht Feigenbaum dieser aktuellen Entwicklung entgegen. «Einerseits freut es mich natürlich für meine Religion und auch für mich, wenn sich unsere Wahrnehmung in der Welt und dadurch unser Alltag verbessert. Andererseits macht es mich traurig, dass es nun Schwule trifft», sagt Feigenbaum. Auch Schwule müssten mit Vorwürfen kämpfen, die bar jeglicher Vernunft seien. «Konservative stellen Schwule noch immer mit Pädophilen gleich und sehen die klassische Ehe bedroht, wenn Homosexuelle heiraten dürfen. Russland verbietet schwule Propaganda um die Jugend zu schützen und warnt vor einer schwulen Verschwörung. Und in etlichen afrikanischen Ländern steht auf Schwulsein die Todesstrafe. Sie sind also nicht zu beneiden, die Schwulen. Und die Konservativen auch nicht, wenn man sich mal anschaut, wo deren Horizont endet.»
Trotzdem rät Feigenbaum den Schwulen aus den Fehlern der Juden zu lernen. «Sollte eines Tages ein Schwuler behaupten, er sei der Messias, sollten sie es sich gut überlegen, was sie mit ihm machen. Uns Juden wird noch heute vorgeworfen, dass wir vor 2000 Jahren einen Zimmermann unsanft verstossen haben.»
Auch bei territorialen Wünschen ist laut Feigenbaum Vorsicht geboten. «Sollten die Schwulen eines Tages einen eigenen Staat fordern, rate ich zu Vorsicht bei der Wahl der Region. Wir Juden haben zwar mit Israel ein schönes Fleckchen Erde, dafür haben wir uns schon ein paar mal mit unseren Nachbarn überworfen. Ich rate darum dazu, den Griechen ein paar Inseln abzukaufen. Am besten nicht jene, in der Nähe der Türkei. So wie sich die Situation dort entwickelt, werden die auch bald gegen Schwule vorgehen.»