Neulich irgendwann, in einer weit entfernten Küche, fragt mich ein guter Freund, nennen wir ihn – na, ihr wisst schon – wir nennen ihn Horst. Also während Horst rauchend in der Küche steht und Sugo kocht, fragt er mich: «Darf ich an Weihnachten die Klima-Sau rauslassen?»
Er meint natürlich nicht sich persönlich, sondern spricht über die Gesellschaft rund um diese weit entfernte Küche im Allgemeinen. Aber bei mir klingeln gleich sämtliche Alarmglöggli. Nicht etwa wegen der Klima-Sau, sondern wegen des Wörtchens «dürfen».
Man stelle sich nur mal vor, da käme jemand, vielleicht eine Horstine oder Horstin, und sagt so was wie: «Du darfst 200 Gramm Geflügel und 100 Gramm anderes Fleisch pro Woche essen, das können Klima und Umwelt stemmen», oder noch schlimmer: «Du darfst nicht so viel Fleisch essen, das schadet Klima und Umwelt.»
Auf die Idee kommt ja selbst in unserer echten Welt kein Mensch – also das so zu formulieren, nicht dass zu viel Fleischessen dem Klima und der Umwelt schadet. Das wissen die meisten.
Dieses Nicht-Dürfen klingt einfach unglaublich absurd. Sogar etwas zu dürfen klingt, als bräuchte man eine Erlaubnis, um dies oder das tun zu können.
Auf der anderen Seite heisste es dann oftmals: «Ich lass mir doch das Fleischessen nicht verbieten.» Oder: «Soll doch jeder so viel Fleisch essen, wie er will.» Die Worte «Fleisch» und «essen» lassen sich natürlich durch andere ersetzen. Ich habe einfachheitshalber und ein bisschen provokationshalber – das gebe ich zu – das Paradebeispiel mit Fleisch gewählt.
Man kann sich ja inzwischen ganze E-Books downloaden zum Thema, wie man richtig kommuniziert, um Menschen zu mehr Klima- und Umweltschutz zu motivieren – und zu weniger Fleisch oder Fliegen. Und vermutlich wird die eine oder der andere beim Lesen denken: «Die Bücher würd sie gschieder mal läse.»
So oder anders wird in den Büchern eines glasklar: Der Zeigefinger ist beim Kommunizieren verboten. Eines der wenigen Verbote, das breit akzeptiert ist. Und das ist auch gut so. Stellt euch vor, es würden alle mit dem Zeigefinger rumwedeln. Massiv uncool.
Man hat einfach festgestellt, dass das Nicht-Dürfen in Form von Verzichtsparolen nicht gut ankommt. Ganz so wie ein Verbot wird es als bevormundend und maximal unsexy wahrgenommen. Obwohl, bei Verboten ist das noch viel extremer, hab ich das Gefühl.
Das Irrwitzige an Verboten zugunsten von Klima und Umwelt ist ja, dass sie derart verpönt sind, dass nicht selten darüber diskutiert wird, ob es diese Verbote geben darf/soll/kann/muss. Das führt aber in der Konsequenz auch zur Frage: Darf man diese Verbote verbieten? Mit Betonung auf «darf» – und dann haben wir den Schlammassel mit dem Nicht-Dürfen und das ganze Pipapo geht von vorne los.
Aber egal, ich bin wieder mal sondergleichen von meiner Geschichte abgeschweift, exgüsi!
Nachdem ich dem Horst also von diesem Dürfen und Nicht-Dürfen erzählt habe, sag ich zu ihm: «Horst, du musst die Frage anders stellen oder besser: Wenn du möchtest, kannst du die Frage anders stellen. Müssen soll man schliesslich nichts müssen.» Und er, Sugo-rührend: «Aha.»
«Frag: Kann ich mit gutem Umweltgewissen die Klima-Sau rauslassen an Weihnachten?»
Er zieht an seiner Zigi, klopft die Asche in die leere Aludose: «Und? Kann ich?»
«Aber gell, die Büchse können wir dann noch recyceln. Und ja, natürlich kannst du.»
Und ich erzähle ihm die Geschichte von meiner ältesten Freundin und mir. Wir kennen uns, seit wir vier Jahre alt waren. Irgendwann in unseren 20ern hatten wir es mal von Weihnachten und dem vielen Essen über die Feiertage. Dass das doch mega viel sei. Dass man gar nicht anders könne, als einfach zu viel essen. Sie sagte dann in ihrer liebevoll positiven Art: «Meine Mutter sagte einmal, man nimmt nicht zwischen Weihnachten und Neujahr zu, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten.»
Das haben natürlich viele andere Menschen auch schon gesagt. Und weil ich grad nichts machen kann, ausser die kochende Pasta zu beaufsichtigen, zücke ich mein Handy. Moogle, eine der vielen Suchmaschinen in der Internetwelt dieser weit entfernten Küche, sagt, das Zitat stamme von Harald Schmidt. Er benutzt das Wort «Fett».
Aber das ist Hans was Heiri. Denn es geht um den Grundgedanken. Dass es eben nicht auf die paar wenigen Tage ankommt, sondern auf den ganzen Rest vom Jahr oder auf das grosse Ganze.
«Und so ist das auch beim Klima- und Umweltschutz», sage ich zum Horst.
Natürlich ist es aber trotzdem grossartig, wenn wir uns auch während der Festtage den ein oder anderen Gedanken zum Thema Umweltschutz machen.
Bevor die Geschichte weitergeht: Einige Tipps dazu habe ich in meinen letzten Beitrag «In nur 6 Schritten zum umweltfreundlichen Weihnachten» gesammelt.
Inzwischen hat Horst den Herd abgeschaltet. Und vielleicht hat es ihm auch ein bisschen abgelöscht, denke ich beim Pastaschöpfen.
Aber dann sagt er: «Weisch, letztlich ist doch die Frage, ob wir das grosse Ganze allein mit Eigenverantwortung stemmen können. Vielleicht würde uns ja das ein oder andere Verbot sogar dabei helfen.»
Und ich so: «Ach Horst, darf ich dich noch auf einen ‹Tee› einladen?»
Wir haben dann noch bis in alle Ewigkeit weitergequatscht, diskutiert und gestritten. Seither leben wir wie Honigkuchenpferde auf einem Ponyhof. 😉
Södelig, das war meine etwas andere Weihnachtsgeschichte.
Was dieses grosse Ganze angeht, gibt es übrigens wirklich spannende Diskussionen und Beiträge dazu, ob uns Verbote nicht doch helfen könnten, mehr gegen den Klimawandel und die Umweltverschmutzung zu tun. Ein heikles Thema, ich weiss. Aber einige Lesetipps seien mir erlaubt: Etwa «Wieso wir keine Klimaverbote wollen» bei Das Lamm, oder etwas provokativer, «Das schädlichste Denkverbot in der Klimadebatte? Das Verbot» nachzulesen bei der Republik. Und ebenfalls ganz spannend, der Essay «Rette mich vor mir selbst», gibt's kostenpflichtig bei der «Zeit».
Und zum Schluss nach dem Schluss gibt's hier noch die Geschichte von der Sugo und jene vom Rauchen.
Bitte erinnert Euch: Das Ozonloch hat man in den Griff gekriegt mit FCKW-Verbot, das Waldsterben mit Katalysator-Zwang etc.