Spätestens die Pandemie beweist es uns: Von einem Tag auf den anderen kann alles anders sein. Wirst du, etwa wegen einer Krankheit oder eines Unfalls, urteilsunfähig, kommt in der Regel die KESB ins Spiel. Mit einem gültigen Vorsorgeauftrag ist sie aber auch rasch wieder weg.
Bei Erwachsenen gilt grundsätzlich die Vermutung, dass sie urteilsfähig sind. Urteilsunfähig ist, wer nicht (mehr) vernunftgemäss handeln kann.
Wie das Bundesgericht schreibt, kann Urteilsunfähigkeit angenommen werden, «wenn es an der Fähigkeit fehlt, eine bestimmte Lage richtig zu beurteilen (...) ein vernünftiges Urteil zu bilden sowie die Beweggründe und Folgen eines bestimmten Verhaltens richtig zu erkennen.»
Je nach Grad der Urteilsunfähigkeit kannst du nur noch wenige oder gar keine Entscheidungen mehr selber fällen. Manche Entscheide sind aber gleichwohl zwingend, so beispielsweise wo du im Pflegefall wohnen sollst, wer sich um deine Steuererklärung kümmert oder wer dich bei Versicherungen, vor Gerichten oder in anderen Situationen rechtlich vertritt.
Um sicher zu stellen, dass diese Entscheidungen möglichst in deinem Sinne ausfallen, kannst du einen Vorsorgeauftrag erstellen – natürlich zu einem Zeitpunkt, in welchem du noch urteilsfähig bist. In diesem legst du fest, welche Personen welche Entscheidungen für dich fällen sollen. Gültig ist der Vorsorgeauftrag dann, wenn du ihn vollständig eigenhändig (= handschriftlich) geschrieben sowie datiert und unterzeichnet hast. Ist dir das zu kompliziert, kannst du ihn auch bei einer Notarin öffentlich beurkunden lassen. Damit die KESB im Fall der Fälle über den Vorsorgeauftrag Bescheid weisst, meldest du ihn am besten beim Zivilstandsamt, welches ihn gegen eine Gebühr von 75 CHF im Personenstandsregister einträgt.
Erfährt nun die KESB von deiner Urteilsunfähigkeit, prüft sie, ob ein gültiger und in der konkreten Situation ausreichender Vorsorgeauftrag vorliegt. Ist dann die von dir eingesetzte Person auch geeignet und nimmt den Auftrag an, ist die KESB fast raus: Sie weist die beauftragte Person auf ihre Pflichten hin und händigt ihr den Vorsorgeauftrag aus.
Bist du verheiratet (und nicht getrennt) oder lebst in eingetragener Partnerschaft und hast du keinen Vorsorgeauftrag erstellt, hat dein Partner im Falle deiner Urteilsunfähigkeit ein gesetzliches Vertretungsrecht. Er darf über medizinische Fragen entscheiden, sofern keine Patientenverfügung vorliegt. Auch in finanziellen Fragen hat er ein Vertretungsrecht, allerdings nur ein beschränktes: Er darf etwa die Miete weiterhin von eurem Konto bezahlen, jedenfalls sofern hier die Bank mitmacht. Muss er aber beispielsweise eine Hypothek anpassen, braucht er ohne gültigen Vorsorgeauftrag die Zustimmung der KESB, wie auch für jede andere Rechtshandlung «im Rahmen der ausserordentlichen Vermögensverwaltung». Die KESB greift zudem ein, wenn deine Interessen gefährdet oder nicht mehr gewahrt sind.
Bist du alleinstehend im rechtlichen Sinne, also weder verheiratet noch in eingetragener Partnerschaft lebend, ist der Vorsorgeauftrag noch wichtiger: Denn selbst wenn du im Konkubinat lebst, hat dein Partner ausser bei medizinischen Entscheidungen kein gesetzliches Vertretungsrecht. Die KESB errichtet zwar auch in diesem Fall nicht automatisch eine Beistandschaft, sondern klärt ab, ob allenfalls eine Unterstützung durch nahestehende Personen möglich ist. Diese Abklärungen können aber dauern und vor allem: Ohne Vorsorgeauftrag kann die KESB über deinen Willen nur mutmassen.