Während es in der Schweiz grundsätzlich keine Ausweispflicht gibt, braucht auch ein Kind für einen Grenzübertritt ein eigenes Ausweisdokument. Innerhalb von Europa genügt, mit Ausnahme von Grossbritannien, in der Regel eine Identitätskarte. Ausserhalb Europas ist meist ein Reisepass nötig. Bis 2002 war das Ganze für Personen mit Schweizer Bürgerrecht einfacher, hier genügte es in der Regel, wenn das Kind im eigenen Pass mit einem so genannten «Kindereintrag» vermerkt war.
Hat das Kind einen eigenen Reisepass, bedeutet dies aber noch nicht, dass es mit dir problemlos aus der Schweiz ausreisen beziehungsweise in ein anderes Land einreisen darf. Bist du sorgeberechtigt, ist eine amtliche Ergänzung im Reisepass sinnvoll. Mit dieser kannst du deine Sorgeberechtigung nachweisen, was in der Praxis insbesondere dann zu empfehlen ist, wenn du und dein Kind unterschiedliche Nachnamen habt.
Nun ist es aber leider mit dieser amtlichen Ergänzung nicht getan. Denn diese belegt lediglich dein Sorgerecht, aber nicht, dass du auch alleine mit deinem Kind reisen darfst. Dafür muss dir der andere Elternteil eine Vollmacht erteilen. Juristenkollegen belehren mich hier übrigens regelmässig, dass es dafür keine ausdrückliche Rechtsgrundlage gebe und die Aussage deswegen falsch sei. Das mag sein. Allerdings nützt es dir herzlich wenig, wenn du formal Recht hast, dir die Fluggesellschaft aber das Boarding oder die Grenzbehörden die Einreise verweigern. Denn Fluggesellschaften können ebenso wie Grenzbehörden den Nachweis verlangen, dass der andere Elternteil mit der Reise einverstanden ist.
Was nun, wenn sich der andere Elternteil weigert und dir die Vollmacht nicht unterzeichnet? Hast du das alleinige Sorgerecht, kannst du versuchen, die Fluggesellschaft oder die Grenzbehörden mit einem entsprechenden und allenfalls übersetzten Auszug aus dem Scheidungsurteil oder mit einer Geburtsurkunde zu überzeugen. Auch beim gemeinsamen Sorgerecht darf grundsätzlich der jeweils obhutsberechtigte Elternteil mit dem Kind in die Ferien fahren und der andere Elternteil darf sich hier nicht ohne Grund querstellen.
Das Problem ist nur: Tut er es trotzdem, werden die geplanten Ferien schwierig. Die KESB haben hier unterschiedliche Herangehensweisen: Die einen bieten keine Hilfe an, da ins Wasser gefallene Ferien das Kindeswohl nicht gefährden würden. Die anderen hingegen bescheinigen, dass die Zustimmung des anderen Elternteils nicht nötig sei. Ob dann das Reiseland diese Bescheinigung als Ersatz für die Vollmacht akzeptiert, ist wiederum eine andere Frage.
Aber möglicherweise verweigert der andere Elternteil die Unterschrift auch aus gutem Grund. So etwa, wenn du bewusst mit dem Kind genau zu dem Zeitpunkt in die Ferien fahren willst, an dem der andere Elternteil schon lange etwas anderes mit dem Kind geplant hat. Denn ein Elternteil darf den vereinbarten oder angeordneten Verkehr des Kindes mit dem anderen Elternteil nicht verunmöglichen. Das Bundesgericht formuliert dies wie folgt: «Die Ferienplanung steht unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs und der Ausfall von Besuchswochenenden muss die Ausnahme bleiben».
Ein noch gewichtigerer Grund für ein Veto ist gleichzeitig auch der Grund für diese auf den ersten Blick abstrus scheinenden Vollmachtvorschriften: die Angst vor einer Kindesentführung. Hat der andere Elternteil die begründete Befürchtung, dass du mit dem Kind nicht bloss in die Ferien fährst, sondern vielmehr heimlich auf Nimmerwiedersehen auswandern möchtest, dann wird er dir die Reisevollmacht verweigern. Und ein Gericht würde ihn in dieser Weigerung stützen. Denn die Schweiz ist Vertragsstaat des Haager Kindesentführungsübereinkommens und damit verpflichtet, sicherzustellen, dass eine Ausreise in einen anderen Vertragsstaat das Sorgerecht nicht verletzt.