Liebe Sandra
Da ich keine Expertin für juristische Fragen bin, kann ich Ihnen auch keine juristisch fundierte Antwort geben. Was ich aber kann, ist, ein paar Fragen in den Raum werfen bezüglich des alleinigen Sorgerechts an sich.
Hier in Zürich koksen viele Menschen über 30. Manchmal, wenn ich mir das Gehabe von gewissen Personen so anschaue, dann habe ich sogar das Gefühl, dass alle koksen. Und der Rest ist auf Psychopharmaka. Trotzdem sind viele dieser Menschen auch noch Mütter oder Väter und scheinen ihr Leben halbwegs auf die Reihe zu bekommen. Darum erlaube ich mir, Ihnen die Frage zu stellen, ob es hier wirklich um den Drogenkonsum geht.
Nimmt Ihr Ex wirklich in einem Rahmen Drogen, die es ihm verunmöglicht, ein halbwegs guter Vater zu sein? Wenn ja, dann sollten Sie mit Ihrer Frage zu einem Rechtsdienst oder einer Beratungsstelle gehen.
Es ist aber auch möglich, dass Sie das Sorgerecht aus ganz anderen Gründen lieber ganz bei sich hätten und die Drogensache darum eher einen guten Vorwand darstellt. Ich kenne Sie nicht, liebe Sandra. Und darum kann ich auch überhaupt nicht beurteilen, ob das der Fall ist. Aber ich werde dennoch immer etwas hellhörig, wenn Frauen das alleinige Sorgerecht wollen. Denn nicht selten geht es um tiefer liegende Verletzungen, die damit geheilt werden sollen. Und da bin ich als Coach von Menschen in Trennung jeweils sehr gründlich in der Suche nach den wirklichen Gründen. Denn ich bin der Meinung, dass es grundsätzlich eine gute Sache ist, wenn man sich das Sorgerecht teilt. Schliesslich hat es zwei Menschen gebraucht, um ein Kind zu zeugen. Es hat zwei Menschen gebraucht, um zu dem Punkt zu kommen, dass man sich wieder trennt. Und ich finde, es sollte auch danach zwei gleichwertig verantwortliche Menschen geben. Nämlich Mutter und Vater. Wir Mütter sind in Sachen Sorgerecht von Gesetzeswegen am längeren Hebel als die Väter. Das ist eine Verantwortung, die man mit sehr viel Sorgfalt und im Einklang mit der eigenen Ethik tragen muss!
In meinem Coachingalltag höre ich oft haarsträubende Geschichten von grauenhaft betrügenden Ehemännern und -frauen. Dennoch bin ich der Auffassung, dass man die Rolle des betrügenden Ex und des Vaters ganz streng trennen muss. Ein betrügender Mann oder eine treulose Frau kann sehr wohl ein gut sorgender Vater sein und man darf da, wie verletzt man auch immer ist, diese Ebenen nicht vermischen.
Das ist mitunter das Wichtigste und gleichzeitig schwierigste, wenn man sich als Eltern trennt. Denn, wie sehr man sich auch scheiden lässt und die Beziehung beendet, Eltern bleibt man ein Leben lang. Da ist es von grosser Wichtigkeit, dass man das Wohl der Kinder immer im Fokus und als obersten Wert vor Augen behält. Die andere sehr anspruchsvolle Aufgabe nach einer Trennung ist das Loslassen. Das Kind dem Ex-Partner überlassen, ohne genau zu wissen, was es dort tut, wie es ihm ergeht. Das ist so saumässig schwierig und tut immer wieder weh. Dennoch muss man lernen, damit umzugehen. Man muss lernen, diese Unsicherheit auszuhalten, ohne das Kind auszufragen, auszuhöhlen und gleichzeitig immer aufmerksam genug sein zu merken, wenn es ihm nicht mehr gut geht. Ein Hochseilakt, ich weiss. Aber das ist man dem Kind schuldig.
Seien Sie drum ehrlich zu sich selber und wägen Sie für sich ab, ob der Drogenkonsum die Rolle des Vaters wirklich tangiert. Wenn ja, greifen Sie ein. Wenn nein, müssen Sie lernen, loszulassen. Das müssen alle Eltern, die sich trennen lernen. Und das ist nicht einfach, das weiss ich selber nur zu gut. Aber das ist der Preis, den wir dafür zahlen, dass wir nicht den Kindern zuliebe ein Leben lang mit einem Menschen zusammenbleiben, mit dem es irgendwie nicht klappt.
Alles Liebe und Gute Ihnen. Ihre Kafi.