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Hipsterlitheater

War Machine 

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HIPSTERLITHEATER

War Machine 

07.05.2014, 08:1207.05.2014, 13:55
Rafi Hazera
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Er war American Motors General Hummer H1. Geballte Power, geschaffen für den Krieg. Mit der Mission Menschen und Waren sicher durch gefährliches Gelände zu geleiten. Zur Perfektion entwickelte Ingenieurskunst, komprimiert auf zwanzig Kubikmeter Kraft, Stahl, Benzin. Schon bei seiner Fertigstellung war klar, dass grosse Abenteuer auf ihn zugerollt kommen werden. Er war gewappnet – für die Schlacht gegen Gestein, Wetter, ja gegen Frau Mutter Natur persönlich. Er war General Hummer.

Und so kam sein grosser Tag. Voller Vorfreude auf seinen neuen Besitzer stand der Stahlgeneral im Verkaufssalon und starrte zur Glastür, als dieser auch schon eintrat. 

Der eingetretene Mann war recht klein für einen Offizier. Auch trug er statt der Uniform Anzug und Krawatte, was seiner untersetzten Figur nicht wirklich schmeichelte. Bestimmt war er nur ausnahmsweise zivil unterwegs. Hummers Chromstahl blitzte ihn an. Nach einer kurzen Probefahrt und langen Verhandlung mit dem Verkäufer verliess der kleine Mann den grossen Autosalon wieder. Allerdings ohne den General.

Das Mondlicht schien nachts fahl durch die Salonscheiben. Verzweifelt suchte General Hummer nach Gründen für die Zurückweisung. Der Offizier schien nach der Probefahrt doch sehr zufrieden? War es der Motorensound? Er könnte auch lauter! Hatte ihn die Manufaktur zu streng poliert? Fehlte der Dreck, das Verruchte? Der Morgen brach an.

Ein Angestellter fuhr mit Hummer in die Polsterei. Es wurden Bildschirme in die Kopfstützen montiert. Wozu würde jemand im Krieg Filme sehen wollen, überlegte Hummer noch, als es auch schon weiter ins Spritzwerk ging. Und zur grossen Freude von General Hummer wartete dort der kleine Offizier. Hummer wollte hupen vor Erleichterung!  

Welche Lackierung sollte es denn nun werden? Vielleicht tarnfarben? Bestimmt Tarnfarben! In der ausgeweiteten Kampfzone überwogen gewiss andere Töne die Landschaft. Eine schneeweisse Lackierung für ein Winterwetter vielleicht? Oder war die Reise in ein beiges Wüstenmeer geplant? Dem musste man sich anpassen! Jawoll! Ein weiser Mann, dieser kleine Offizier. Hummer genoss die Behandlung mit den Spritzpistolen. Die Abdeckungen entfernt erhaschte er in einem  Spiegel endlich einen Blick auf sein neues Gewand. 

Eine Träne aus Benzin tropfte lautlos auf den Boden.

Ein tiefes metallic-violett bildete die Grundfarbe. Die Kotflügel wurden von neongrünen Drachen-Tribals umzüngelt. Auf der pechschwarz verdunkelten Heckscheibe sowie den vorderen Türen prangte in gotischen Lettern

DRAGON CONSULTING HÄBERLI, GLATTBRUGG
Wir geben ihrem Business Feuer!
www.dräch.li  

Sieben Jahre vergingen.

Der General hatte noch nie staubigen Erdboden befahren, geschweige denn Hindernisse bezwungen. Die makellos betonierte Hauptstrasse von Bülach nach Glattbrugg war zu seiner täglichen Piste geworden. General Hummer war dafür mehr als überqualifiziert. Einmal hatte Familie Häberli einen Ausflug nach Bergün gemacht. Aber selbst da kamen sie nie von geteertem Untergrund weg. Der Drache züngelte noch immer den visuell vergewaltigten Betrachter an. Auch wenn die Folie schon etwas abgeblättert war.

Einziges Highlight für den General war, wenn Frau Häberli die Kinder  jeweils vom Fussball abholte und diese die Rücksitze in Schlamm tauchten. Da erwachte in ihm für kurze Zeit der Krieger. Und er träumte. Von Schlachten, Gefahren und langen Schatten in fernen Krisengebieten.

Bis Frau Häberli die paar Striemen auch schon wieder entnervt wegputzte.

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Rafi Hazera
Rafi Hazera ist Grafiker, Comedian, Zürcher und das Herrchen des Zukkihunds. Rafi ist extrem schön. Und auch weise. Das ist Allgemeinwissen. Und er hat den Text für dieses Kästli natürlich nicht selber geschrieben. Wenn ihn jemand fragt, warum sein Blog auf watson «Hipsterlitheater» heisse, obwohl er gar nicht immer über Hipster blogge, dann lacht Rafi laut und sagt der Person, dass ihm ihre Meinung völlig schnurz sei und er manchmal auch an die S-Bahn-Türe lehne, obschon dies ausdrücklich nicht erwünscht wird. So ein ungehobelter Rowdy ist er nämlich.



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Bild: Man of the Year 1901–2014
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Als ich lernte zu heizen und kläglich scheiterte
Unsere Heizung stammt gefühlt aus der kleinen Eiszeit. Meine Wohnung auf eine vernünftige Temperatur zu bekommen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Als ich meinen Vermieter auf einen Heizungsersatz ansprach, kam sowas wie: «Also aus Gründen und so und überhaupt, wissen Sie.»

In meiner Wohnung musste ich jahrelang kaum heizen. Das Haus ist uralt, unisoliert, wird nach wie vor mit Erdgas beheizt und die Fenster waren aus dem tiefsten letzten Jahrhundert. Wieso ich die Heizung so selten brauchte, war mir schleierhaft. Bis zum vorletzten Winter.

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