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Basisbewegung: «Letzter Aufschrei einer sterbenden Religionsdiktatur»

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Franziskus im Vatikan – oder der «letzte Aufschrei einer sterbenden Religionsdiktatur»

Der Vatikan bestimmt, dass in Zukunft ausschliesslich geweihte Geistliche Pfarrgemeinden leiten dürfen. Für viele Pfarreien ist dies ein Desaster.
03.08.2020, 09:15
Hugo Stamm
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Bischöfe.Bild: EPA

Wie wurde er gefeiert, als er den katholischen Thron bestieg: Die Kirche jubelte, als Papst Franziskus das Pontifikat 2013 übernahm. Als Papst der Armen wurde er gefeiert. Bescheiden, unkonventionell, volksnah. Einer, der den hedonistischen Vatikan aufmischen und einen neuen Stil in die Kirche bringen werde.

Und heute?

Die Bilanz ist alles andere als berauschend. Der argentinische Papst erweist sich als konservativ und in religiösen und theologischen Fragen mehr als traditionell. Von Aufbruch keine Spur.

«Die Kirche in der Deutschschweiz müsste zusammenpacken, sollte dieses Papier umgesetzt werden.»
Monika Schmid, Leiterin der Pfarrei Illnau-Effretikon.

Seine Kirche ist so elitär wie unter seinen Vorgängern. Homosexuelle und Geschiedene werden immer noch ausgegrenzt. Frauen sowieso. Verhütungen sind immer noch tabu, und die Aufarbeitung der vielen sexuellen Übergriffe vieler Kleriker kommt nur schleppend voran. Und das Finanzgebaren der Vatikanbank ist immer noch nicht sonderlich christlich.

Pope Francis delivers his blessing from the window of his studio overlooking St. Peter's Square during the Angelus prayer, at the Vatican, Sunday, July 26, 2020. Pope Francis called for the disar ...
Der Papst überrascht viele Anhänger negativ.Bild: keystone

Und nun noch dies: Der Vatikan hat ein Papier verfasst, das fortschrittliche Kräfte der katholischen Kirche aufschreckt. Das Dokument der Kleruskongregation, das der Papst abgesegnet hat, hält fest, dass ausschliesslich geweihte Pfarrer Pfarrgemeinden leiten dürfen.

Für Pastoralassistentinnen wird es schwierig

Damit will der Vatikan das Rad einmal mehr zurückdrehen. Der akute Pfarrmangel hatte nämlich dazu geführt, dass auch Laien Pfarreien führen durften. Diese Praxis setzte sich vor allem in der Schweiz immer mehr durch.

Dabei handelt es sich um ausgebildete Patoralassistentinnen und -assistenten. Diese gestalten auch – abgesehen von der Spende der Sakramente – Gottesdienste, was Traditionalisten stets ein Dorn im Auge war. Vor allem für die konservativen Bischöfe in Chur.

Werden Pfarreien verwaisen?

Doch es war seit vielen Jahren die einzige Möglichkeit, verwaiste Pfarreien zu retten. In rund einem Drittel der Gemeinden im Generalvikariat Zürich-Glarus teilt der Pfarrer das Leitungsamt mit Pastoralassistentinnen und -assistenten.

«Die Kirche in der Deutschschweiz müsste zusammenpacken, sollte dieses Papier umgesetzt werden», sagte Monika Schmid, Leiterin der Pfarrei Illnau-Effretikon, dem Tages-Anzeiger. Die Basisbewegung «Wir sind Kirche» erklärte, die neue Instruktion aus dem Vatikan erscheine «wie ein letzter Aufschrei einer sterbenden Religionsdiktatur».

Sie überhöhe den Priester, zementiere den Klerikalismus und halte Frauen von Leitungs- und Weiheämtern fern, heisst es im Tages-Anzeiger.

Pfarrer aus Afrika und Indien sollen den Pfarrmangel beheben

Die Befürworter der vatikanischen Politik wollen das Dilemma mit Pfarrern aus Afrika und Indien lösen. Nur: Die «importierten» Geistlichen sind mit unserer Mentalität, Denkweise, sozialen Struktur und Sprache kaum vertraut. Sie können die Pastoralassistenten nur schlecht ersetzen.

Es ist dem Vatikan offensichtlich egal, was die neue Doktrin für die Ortskirchen, die Pastoralassisten und vor allem für die Gläubigen bedeutet. Hauptsache, der «heilige Buchstabe» wird umgesetzt.

Es spielt offenbar auch keine Rolle, dass sich die katholische Kirche selbst massiv schadet. Die Dogmen sind wichtiger als das Wohl der Gläubigen und ihrer Gemeinden. Ausserdem lassen sich die Instruktionen der überalterten Kurie nicht religiös oder theologisch begründen.

Instruktion lässt sich nicht religiös oder theologisch begründen

In der Bibel gibt es keine konkreten Hinweis darauf, wie eine Kirchgemeinde aufgebaut und organisiert werden soll. Und wer sie führen darf. Denn es gab zu Zeiten von Jesus keine Pfarrer, keine Bischöfe, keinen Papst und keine kirchlichen Institutionen im engeren Sinn.

Der Papst und die Kurie massen sich an, genau zu wissen, wie Gott «seine» Kirche haben möchte. Und sie setzen ihre persönlichen Ideen autoritär und über die Köpfe der Geistlichen und Gläubigen hinweg durch.

Wer so regiert und fuhrwerkt, muss sich nicht wundern, wenn man intuitiv an Strategien von Sekten denkt.

Um das verquere Ideal einer von Männern dominierten Kirche mit angeblich gottgeweihten Geistlichen zu wahren, vertreiben der Papst und seine Kaderleute viele Katholiken vorsätzlich und mutwillig aus der Kirche. Wahrscheinlich sind Pastoralassistentinnen, die Familien haben und in die Gesellschaft integriert sind, im Schnitt die besseren Pfarrer und Seelsorger als die geweihten Geistlichen.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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243 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Peter Vogel
01.08.2020 08:56registriert Juni 2020
Austreten und dafür sorgen dass diese Institution vom Staat keinen Rappen mehr bekommt.
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leu84
01.08.2020 08:42registriert Januar 2014
Der älteste Männerverein der Welt der immer noch meint, allwissend zu sein.
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benn
01.08.2020 08:48registriert September 2019
Ist doch super dann löst sich diese bande noch schneller auf!
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70 Jahre Sex, Joints und Liebe! Happy Birthday, Papi!
Ich war, bin und werde wohl immer ein Papa-Kind sein. Sorry, Mum! Heute feiert besagter Superheld seinen 70. Geburtstag. Eine Ode an den Mann, der mich zu meiner besten Version geformt hat.

Man sagt ja, dass Männer quasi ihre Mütter und Frauen ihre Väter heiraten. Würde ich Sandro heiraten, wäre an dieser Floskel ganz definitiv was dran. Und das nicht nur, weil ich sowohl Sandro als auch meinen Papa Bruno von Herzen liebe.

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