Sale-Fieber! Wie Black Friday dein Gehirn austrickst
Es ist wieder so weit. Und gefühlt fängt es jedes Jahr früher an. Morgen ist Black Friday. Und seit gefühlt Wochen füllt sich meine Inbox mit glänzenden Angeboten – über E-Mail, SMS, WhatsApp, Social Media.
Wenn die Anzeigen dieser Tage mit «–80%» und «nur heute» um deine Aufmerksamkeit buhlen, dann ist nicht nur dein Konto auf dem Prüfstand — auch dein Gehirn.
Rabatte und Sonderaktionen wecken intensive Kaufimpulse: Der Preis wird als «gewonnenes Schnäppchen» wahrgenommen, nicht als Ausgabe. Gleichzeitig wirkt die Psychologie: Ein hoher ursprünglicher Preis dient als Anker, der den «Rabatt» grösser erscheinen lässt, obwohl der tatsächliche Wert möglicherweise kaum günstiger ist.
Neue Kopfhörer? Ein Sofa? Eine Fitness-Jahreskarte? Dinge, von denen ich teilweise gestern nicht einmal wusste, dass ich sie «brauche».
Und vielleicht geht es dir ähnlich: Wir wissen eigentlich, was gerade passiert. Und trotzdem fühlt es sich an, als wäre unser Gehirn plötzlich auf Schnäppchen-Modus umgestellt – selbst hochgebildete, rationale Menschen können in dieser Woche erstaunlich impulsiv werden.
Warum? Weil der Black Friday nicht einfach ein Konsumevent ist, sondern ein perfekt optimiertes psychologisches Happening. Und wir sind mittendrin.
Was hinter dem Sale-Fieber steckt
Black Friday kommt aus den USA. Schon in den 60er-Jahren kreierte der Detailhandel den Tag nach Thanksgiving, dem Erntedankfest, als Startschuss fürs Weihnachtsgeschäft: Ein Tag der Dankbarkeit – gefolgt von einem Tag beim Shopping.
In der Schweiz kennen wir den „Black Friday“ seit 2015, als Manor die Idee übernahm. Und seither wächst der Trubel. Über eine Million Besucher:innen verzeichnet nach eigener Aussage die Webseite Blackfridaydeals.ch.
Mit dem historischen „Black Friday“ von 1929 – dem grossen Börsencrash – hat das heutige Event übrigens rein gar nichts zu tun. Hier geht’s nicht um Börsenkurse, sondern um Umsatz:
In den USA wurden 2024 rund 10,8 Milliarden Dollar umgesetzt, +10.2% gegenüber Vorjahr. Für den diesjährigen Black Friday wird eine weitere Steigerung von rund 8% erwartet. Im Schweizer Detailhandel wurden gemäss Hochrechnungen am letzten Black Friday 480 Millionen CHF Umsatz erzielt. Rund ein Viertel davon – 110 Millionen CHF – fallen auf Onlineshops.
Warum sind wir bei solchen Aktionen schneller bereit, die finanzielle Weitsicht hinter uns zu lassen?
Die Psychologie dahinter: Dein Gehirn liebt Rabatte
Forscher sprechen vom Sale-Fieber – einer Mischung aus emotionaler Erregung, Belohnungserwartung und sozialem Vergleich. Rabatte aktivieren das Belohnungssystem stärker als normaler Konsum.
Was passiert:
1. Der Ankereffekt
Der ursprüngliche (oft überhöhte) Preis dient als Referenz. 50% Rabatt klingt spektakulär, auch wenn der «Vorher-Preis» künstlich hoch war.
2. FOMO (Fear of Missing Out)
«Nur heute», «Nur solange Vorrat», «Noch 3 Stück verfügbar». Der Druck, etwas zu verpassen, löst Stress aus – und Stress macht uns kaufbereiter.
3. Verlustaversion
Menschen hassen Verluste viel stärker, als sie Gewinne lieben. Wir empfinden es als «Verlust», wenn wir einen scheinbar guten Deal nicht nutzen. Das kann dazu führen, dass wir kaufen – nicht aus echtem Bedarf, sondern um diesen schmerzhaften «Nicht-Gewinn» zu vermeiden.
4. Selbstwert-Boost
Ein Schnäppchen fühlt sich wie ein persönlicher Sieg an. Wir haben «gespart». Auch wenn wir eigentlich Geld ausgegeben haben.
Rabatte lösen also nicht nur ein Spargefühl aus – sie aktivieren echte neurobiologische Belohnungsmechanismen. Untersuchungen haben gezeigt, dass beim Betrachten attraktiver Angebote das zentrale Dopamin-Belohnungszentrum verstärkt aktiviert wird. Gleichzeitig sinkt die Aktivität in Hirnregionen, die für rationale Kostenabwägung zuständig sind. Genau dieser Mix aus erhöhter Belohnungserwartung und verringerter Kontrolle macht Rabatt-Shopping verführerisch – und uns anfällig für Impulskäufe.
Was du über Geld, Geschenke und Glück wissen solltest
Der Harvard-Forscher Michael I. Norton untersuchte über Jahre, wie Geld unser Glück beeinflusst:
- Menschen werden glücklicher, wenn sie Geld für andere ausgeben.
- Erlebnisse machen glücklicher als Dinge.
- Bedeutungsvolle Ausgaben erzeugen langfristige Zufriedenheit, impulsive Käufe nur kurze (Ent-)Spannung.
Interessant ist: Nicht der Preis eines Geschenks entscheidet, ob es glücklich macht – sondern die Intention, die Bedeutung und die Verbindung zwischen Schenkendem und Beschenktem.
Oder anders: Das teuerste Ding aus dem Black-Friday-Warenkorb mit dem grössten Rabatt kann weniger Glück auslösen als ein gemeinsamer Kaffee, ein Brief oder ein Nachmittag zusammen.
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5 Tipps, wie du das Sale-Fieber zielführend nutzt
Klar, echte Schnäppchen gibt es. Das Online-Abo, das du sowieso benötigst, den Kurs, den du schon länger planst, das Möbelstück, das schon lange auf der Liste steht, Haushaltsgeräte oder Reiseangebote können sinnvoll sein.
Aber: Ohne Plan ist Black Friday eine Geld- (und Umwelt-)schleuder.
Du hast nur dann «gespart», wenn du das Gekaufte wirklich brauchst – und den Rest ignorierst.
Hier sind 5 Tipps dafür:
1. Liste & Budget
Mach dir eine klare Liste:
- Was brauche ich wirklich?
- Für wen kaufe ich ein Geschenk?
- Was ist mein Limit?
Alles, was nicht auf der Liste steht, bleibt draussen.
2. Die Rabatt-Relevanz-Frage
Stell dir vor dem Kauf die wichtigste Frage überhaupt:
«Würde ich das ohne Rabatt kaufen?»
Wenn nein → Tab zu, wisch es weg.Impulskäufe entstehen selten aus echtem Bedarf.
3. Erlebnisse statt Dinge schenken
Nortons Forschung ist eindeutig: Ein Erlebnis bringt mehr Glück pro ausgegebenem Franken als jedes Ding.
Ideen:
- Ein gemeinsamer Kurs
- Ein Ausflug
- Eine Einladung
- Etwas Handgefertigtes
- Zeit statt Zeug
4. «Sparbetrag» investieren
Wenn du etwas mit Rabatt kaufst, das du wirklich brauchtest und deine Ersparnis maximieren möchtest: Leg den gesparten Betrag direkt in deine Säule 3a oder in einen ETF-Sparplan. So wird aus dem «Win» ein kleiner Vermögensbooster – statt nur ein Konsumkick.
5. Strategisch shoppen
- Preise vorher vergleichen (toppreise.ch, comparis.ch)
- Produkte im Warenkorb vormerken
- Cashback nutzen, wo möglich
- Online statt überhastet im Laden
- Und: Es gibt auch unter dem Jahr Deals – nicht alles hängt am 4. Freitag im November
Für alle, die Schnäppchen jagen wollen, eine gute Zusammenfassung findest sich auf blackfridaydeals.ch.
Der wahre Black-Friday-Hack
Nicht-Kaufen ist manchmal das grösste Schnäppchen.
Entweder, weil du das Geld statt in Dinge ins Investieren steckst. Oder einfach auf dem Konto lässt. Oder weil du die Zeit, die du mit Shoppen verbracht hättest, in etwas investierst, das dein Leben wirklich reicher macht – Freunde, Erlebnisse, Zeit für dich. Werte für dein Leben – nicht nur Dinge für Daheim. So machen auch viele Menschen den Black Friday zum Kauf-Nix-Tag.
Wie steht ihr zu Black Friday? Strategisches Vorgehen, aktive Verneinung (Kauf-Nix-Tag) oder einfach mal schauen? Bin gespannt – welche Tipps habt ihr?💰
