Unsere technisch und wissenschaftlich geprägte Welt wird immer wunderlicher, denn trotz geistigem Fortschritt sind heute Wunder überall. Ganz nach dem Motto: Je mehr wir wissen, desto mehr glauben wir an Wunder. Ein Paradox, dachten wir doch immer, je mehr wir wissen, desto weniger müssen wir glauben.
Dieses Phänomen verdanken wir dem Glauben, der oft in den Aberglauben abdriftet. Verantwortlich dafür sind vor allem Esoterik, Alternativmedizin und frömmlerisches Christentum.
Wie sich Wunder bei den Christen freikirchlicher Couleur präsentieren oder anfühlen, dokumentiert die Internet-Plattform wunder-heute.tv. Der Titel einer Rubrik auf dem Portal ist Programm: «Tot und wieder lebendig».
In den entsprechenden Berichten erzählen die frommen Helden, wie sie von Toten auferstanden sind. Ein Beispiel: Ein Pastor schildert, wie er nach einem Autounfall im Spital stirbt und in die Leichenhalle gebracht wird.
Wörtlich: «Er selber sieht sich durch das Krankenhaus in den Himmel ‹gehen› und wird von einer wunderschön singenden Menge empfangen. Er erkennt ein junges Mädchen, das ein paar Wochen vorher zu Grabe getragen worden war. Er begegnet auch Jesus. Dieser zeigt ihm zwei Wege, die von seiner Stadt weggehen. Andreas weiss sofort, dass der eine in den Himmel, der andere in die Hölle führt.»
Doch Kollege Jesus sagt seinem neuen Gast, dass seine Zeit auf der Erde noch nicht abgelaufen sei. Er schickt den Pastor dorthin zurück, wo er hergekommen ist. Der Sohn Gottes gibt ihm den Auftrag mit auf den Weg, den Menschen den schmalen Weg in den Himmel zu zeigen.
Der Arzt in der Leichenhalle erschrickt, als der «Tote» plötzlich Lebenszeichen von sich gibt und karrt ihn schleunigst in den Operationssaal. Ein Ärzteteam entnimmt ihm angeblich Milz, Magen und einen Teil des Darms, die zerquetscht sein sollen. Obwohl «niemand so weiterleben» kann, verlässt der Pastor nach vier Monaten geheilt das Spital.
Ein (angeblich) weiteres Wunder. Es gibt noch ein drittes: Dass viele fromme Christen an die wundersame Stipvisite im Himmel glauben.
Die christliche Plattform wunder-heute.tv stellt praktisch monatlich ein neues «Wunder» ins Netz. Inzwischen finden sich über 500 Lebensberichte über Glaubenswunder und unerklärliche Heilungen auf der Homepage.
Die Hitliste der «Wunder» führt die Rubrik der Gebetswunder mit 113 Fällen an. Ein Beispiel: Ein Gläubiger ist am Ende seiner Kräfte und will sich das Leben nehmen. Er steht auf einer hohen Brücke und will springen. Doch Gott hatte andere Pläne mit ihm und hält ihn nach einem Gebet vom finalen Sprung ab.
Auf Platz zwei der Wunder-Rangliste figurieren mit 53 Fällen die Wunderheilungen, die Gott angeblich an Alkohol- und Drogensüchtigen vollbrachte, indem er sie von der Sucht befreite.
Die Gläubigen outen sich in aller Öffentlichkeit mit Namen und Wohnort. Das schulden sie Gott, glauben sie. Nur: Wer hat all die vielen ungläubigen Süchtigen «geheilt», die ihre Sucht ebenfalls überwunden haben? Oder anders herum: Woher wissen die Gläubigen, dass Gott sie geheilt hat und nicht ihr eigener Wille?
Wie auch immer: Diese Berichte sagen mehr aus über das geistige Bewusstsein der Gläubigen als über das vermeintliche Wirken Gottes. Man kann es auch anders formulieren: Es ist erstaunlich, was ein radikaler Glaube alles mit Menschen anstellen kann. Manchmal ist der Schritt vom Glauben zum Aberglauben klein.
Psychiater sprechen sogar von Suchtverlagerung, aber diese Sucht wäre dann erst mal harmloser als die Substanzgebundene.
Aber dass das ein von Gott persönlich getätigtes Wunder ist, schliesse ich aus.
Es heisst ja auch Glauben und nicht Wissen.
Ich sehe das Problem nicht ganz wenn Leute von Ihrer Sucht wegkommen und dies Ihrem Glauben zuschreiben, hauptsache sie sind die Sucht los. Ich denke Glaube kann in solchen Situationen einfach viel halt bieten, den solche Menschen in Ihrem Leben sonnst nicht haben.