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Gott, die Religion und die Sache mit dem freien Willen

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Gott hat uns einen freien Willen gegeben (– doch daran glaubt er wohl selber nicht)

Wir leben zwar in einer säkularisierten Welt und viele Staaten kennen die Trennung von Staat und Kirche, doch religiöse Überzeugungen, Ideen und Machtinteressen sind in der Politik omnipräsent.
13.05.2019, 08:1713.05.2019, 08:18
Hugo Stamm
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Die kürzlichen Anschläge in Sri Lanka demonstrieren die Folgen der religiösen Konflikte auf eindrückliche Weise: Radikale Muslime ermordeten in christlichen Kirchen Katholiken. Die religiös motivierten Gewalttaten sind nicht nur ein Clash der Kulturen, viele religiöse Konflikte haben einen politischen Hintergrund.

So zeigt der brutale Streit zwischen Sunniten und Schiiten, dass es auch politische Machtkämpfe zwischen Glaubensbrüdern gibt. Der jahrzehntelange blutige Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland, der durch den Brexit neu aufflammen könnte, zeigt das politische Konfliktpotenzial auch unter christlichen Religionsgemeinschaften.

Time Trialists pass a loyalist mural during stage one of the Giro d'Italia in Belfast, Northern Ireland, Friday, May, 9, 2014. The Giro d'Italia will have three stages in Ireland, starting i ...
Zeugen einer brutalen Vergangenheit: Mural in Belfast, Nordirland. Bild: AP/AP

Da stellt sich unweigerlich die Frage: Wo befindet sich Gott, wenn sich seine Jünger in seinem Namen die Köpfe einschlagen? Er steht offensichtlich abseits und glänzt durch Abwesenheit.

Christen verteidigen seine «Gleichgültigkeit» mit dem Argument, Gott habe uns aus dem Paradies verwiesen und uns einen freien Willen gegeben, das Leben und die Welt nach unseren Vorstellungen zu gestalten.

Nur: Was hat der Sündenfall von Adam und Eva mit uns Zeitgenossen zu tun? Gerechtigkeit sieht anders aus, und die Kollektivstrafe ist nicht einmal im Militär erlaubt.

Opfer sind die Unterprivilegierten

Ausserdem: Wir durchschnittlichen Menschen haben zwar einen freien Willen, doch wir können mit diesem keinen Frieden stiften. Ein paar skrupellose oder narzisstische Staatsoberhäupter – von Trump bis Putin, von Xi Jinping bis Duterte, von Erdogan bis Orban, von Maduro bis zu den afrikanischen Autokraten – zwingen Milliarden von Menschen ihren Willen auf.

Opfer ihrer Machpolitik sind oft die Unterprivilegierten. Nicht wenige landen trotz des vermeintlich freien Willens auf der Flucht in einer maroden Barke, die im Mittelmeer versinkt. Schaffen sie es doch bis nach Europa, haben sie zwar ihr Leben gerettet, doch sie sind meist entwurzelt und ohne Zukunftsaussichten. Der freie Wille bleibt also auf der Strecke.

Hände sprengen Ketten.
Der freie Wille ist längst enttarnt.Bild: shutterstock.com

Überhaupt gibt es den freien Willen nur im christlichen Glauben. Philosophie, Psychologie und Soziologie haben den Mythos von der Willensfreiheit längst enttarnt.

Wir sind eingebettet in soziale, politische und wirtschaftliche Strukturen, die von uns Einordnung bis Unterordnung verlangen. Dies empfinden wir zu recht oft einengend, doch ohne Spielregeln sind wir nicht überlebensfähig. Unschön und teilweise missbräuchlich ist, dass oft machtbesessene und unempathische Menschen die Regeln bestimmen.

Ängste und Aberglauben legen uns lahm

Der freie Wille wird aber auch durch unsere eigene Bedingtheit eingeschränkt. Ängste, psychische Störungen, körperliche Grenzen und hirnphysiologische Fehlfunktionen prägen unser Leben mit – oder bestimmen es über weite Strecken. Ausserdem legen wir uns auch selber lahm durch Selbsttäuschungen, Vorurteile, Einbildungen, destruktive Sehnsüchte, Ängste und Aberglauben.

Indem den Gläubigen vorgegaukelt wird, alle Entscheide selbst treffen zu können, werden sie in die Irre geführt.

Die religiöse Idee vom freien Willen, den uns Gott angeblich gegeben hat, ist also eine Illusion. Damit werden Gläubige getäuscht und diszipliniert. Dies ist vor allem in Freikirchen zu beobachten. Dort halten die Pastoren trotz gegenteiliger Erkenntnisse unbeirrt an der Idee von der Willensfreiheit aus religiösen Gründen fest.

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Indem den Gläubigen vorgegaukelt wird, alle Entscheide selbst treffen zu können, werden sie in die Irre geführt. Gläubige, die schwach werden und sündigen, fühlen sich schuldig und minderwertig. Sie befürchten sogar, dass sie am Jüngsten Tag ein übervolles Sündenregister haben und ihnen die Tür ins Jenseits vor der Nase zugeschlagen wird. Und dann ist es mit dem freien Willen definitiv vorbei.

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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134 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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R4ff4e1e
11.05.2019 08:24registriert April 2017
Die Kunst ist es nicht den freien Willen zu erlangen, sondern mit dem freien Willen leben und umgegen zu können.
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HundBasil
11.05.2019 09:54registriert Mai 2018
Stamm ist speziell. Er schafft es den Bogen zu schlagen von den Terroranschlägen in Sri Lanka bis zu seinen Lieblingsfeinden, den Freikirchen. Ist das dumm oder dreist? Oder gleich beides? Und lieber Herr Stamm: Gläubige, die, wie in Sri Lanka, im Namen Allahs fast 500 Christen ermorden, sind doch keine „radikalen Muslime“, sondern islamische Terroristen.
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Martin Andri
11.05.2019 17:49registriert März 2015
Mit dem freien Willen, den es für Herrn Stamm nicht gibt, ist gemeint, dass jeder Mensch selber entscheiden kann/muss, was er glaubt oder eben nicht glaubt. Herr Stamm glaubt nicht an Gott, lässt aber keine Gelegenheit aus, Gott schlecht darzustellen und gläubigen Menschen den gesunden Menschenverstand abzusprechen. Langsam geht mir das echt auf die Nerven!
Ich kenne keinen einzigen gläubigen Menschen, der anderen mit ähnlicher Penetranz seine einseitige und nicht objektive Meinung aufzuzwingen versucht.
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