Wir haben das neue chinesische Tesla-Modell getestet
Leapmotor ist nicht zu unterschätzen. Aufgrund des technologischen Backgrounds wird die Marke bisweilen sogar als chinesischer Tesla bezeichnet: 2018 hat sie den ersten chinesischen KI-Chip entwickelt. Im Automobilbau geht Leapmotor mit der Implementierung der «Cell-to-Chassis»-Technologie neue Wege und macht die Batterie zu einem baulichen Element des Fahrgestells.
Der chinesische Hersteller beherrscht offensichtlich sein Handwerk und zielt unmissverständlich auf Tesla ab. Stellantis hat dies verstanden und sich mit Leapmotor für den Vertrieb und die Vermarktung ausserhalb Chinas zusammengeschlossen. Der C10 ist eine direkte Alternative zum Model Y, dem Verkaufsschlager unter den Elektrofahrzeugen in unseren Breitengraden.
Klarer Stil, erstaunliches Interieur
Der C10 ist mit 4,74 m kompakter als das Model Y und setzt auf klassische Eleganz und Schlichtheit, wobei das Heck eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Porsche Cayenne und dem Porsche Macan aufweist.
Der Innenraum überrascht hingegen mit einem Premium-Ambiente, das sich gleich bei der ersten Tuchfühlung bemerkbar macht, mit hochwertigen Materialien, wohin man nur schaut, und einer sorgfältigen Verarbeitung. Auch hier orientiert sich Leapmotor an den Besten. Lediglich die Vordersitze mit ihren sehr einfachen Einstellmöglichkeiten, vor allem für die Fahrer*innen, enttäuschen und entsprechen eindeutig nicht den Erwartungen in diesem Segment.
Der grosszügige Radstand (2,85 m) sorgt für ein hervorragendes Platzangebot auf den Rücksitzen, allerdings auf Kosten eines für die Klasse etwas knappen Kofferraums (435–1410 Liter), der durch einen 32 Liter grossen Stauraum vorne kaum ausgeglichen wird.
In China ist es üblich, dass der Status eines Autos durch den Platz auf der Rückbank bestimmt wird, auch gern auf Kosten des Kofferraumvolumens.
Hightech, aber nicht ohne Kompromisse
Die Mensch-Maschine-Schnittstelle besteht aus zwei Bildschirmen: 10,25 Zoll für die Fahrer*innen und 14,6 Zoll in der Mitte.
Das System ist leicht zu bedienen und durchdacht und fasst alle sekundären Bedienelemente zusammen. Es lässt jedoch Android Auto und Apple CarPlay aus, obwohl diese Schnittstellen heutzutage in der westlichen Welt unverzichtbar sind. Das GPS enthält dennoch einen Ladeplaner, und die Smartphone-App ermöglicht unter anderem die Fernsteuerung von Verriegelung, Standklima und Batterievorwärmung.
Komfort an erster Stelle
Unter der Haube befindet sich der Elektromotor mit 218 PS/320 Nm, der die Hinterachse antreibt, gespeist von einer 69,9-kWh-Batterie. Dies ist derzeit die einzige Motorisierung, die angeboten wird. Die angegebene Reichweite von 420 km (WLTP) und 574 km (WLTP-Stadtzyklus) scheint laut unseren Tests sogar etwas pessimistisch zu sein, da der durchschnittliche kombinierte Verbrauch, der bei unserer Testfahrt ermittelt wurde, bei etwa 16 kWh/100 km lag.
Der einzige Wermutstropfen: beim Laden ist bereits bei 84 kW Gleichstrom Schluss, was zu etwas (zu) langen Pausen an der Ladestation führt.
Dank Stellantis erhält der C10 in Europa ein vom italienischen Ingenieursteam des Konzerns vorbereitetes Fahrgestell. Die Plattform ist aufgrund ihrer «Cell-to-Chassis»-Architektur besonders steif und entspricht somit den europäischen Standards. Der Komfort ist gegeben, auch wenn es der Lenkung an Gefühl und der Vorderachse an Biss mangelt. Daher sollte man eher einen flüssigen als einen dynamischen Fahrstil bevorzugen.
Und wie sieht es preislich aus?
Leapmotor hat eine einfache Preisliste. Zwei umfassende Ausstattungsniveaus, fünf Aussenfarben und zwei Innenambiente stehen zur Auswahl. Das Ganze gibt es ab 35 900 Franken, inklusive einer Garantie für 5 Jahre/200 000 km und 8 Jahre auf die Batterie. Eine 4×4-Version und eine «Range Extender»-Variante mit einer Reichweite von 910 km werden für den Herbst erwartet, sodass das Angebot noch grösser wird.
Der C10 ist zwar nicht perfekt (bescheidener Kofferraum, langsames Aufladen, nur Grundausstattung bei Smartphone-Konnektivität), aber er mischt das Segment mit einem insgesamt überzeugenden Preis-/Leistungspaket auf. Bei diesem Preis sollte er definitiv in Betracht gezogen werden.
Über den Autor:
Jérôme Marchon ist ...
... seit seiner frühesten Kindheit ein leidenschaftlicher Auto-Fan. Seine berufliche Karriere begann er in der Finanzbranche, trug aber schon früh zum Aufbau eines Auto-Blogs bei – bis er schliesslich seinen eigenen Blog gründete. Sein weiterer Weg führte ihn in die Chefredaktion der «Revue Automobile». Seit 2018 ist er freiberuflich tätig und schreibt für verschiedene Auto- und allgemeine Print- und Digital-Medien in der Schweiz und im Ausland. Jérôme Marchon arbeitet auch als Übersetzer und Berater für redaktionelle Inhalte für Automobilveranstaltungen und Autohersteller.
