Als krönenden Abschluss des Jahres 2022 setzen wir uns hinters Steuer einer Diva unter den Spitzenmodellen der Automobilindustrie. Bisher haben nur wenige Prestigemarken ihren Wandel hin zur Elektromobilität im «grossen Stil» eingeleitet: Porsche hat bereits vor einiger Zeit den Reigen eröffnet, bevor Ferrari und Bentley ihre Pläne in die Realität umgesetzt haben und zur Produktion von Plug-in-Hybrid-Modellen übergegangen sind. Bei den Italienern sind es die fabelhaften Modelle SF90 und 296, bei den Engländern der Bentayga und der Flying Spur. Im Übrigen hat Bentley seine Ambitionen klar formuliert: 2026 soll der erste vollelektrische Wagen auf den Markt kommen, und 2030 sollen alle Modelle als E-Autos angeboten werden.
Dabei kann Bentley von den Synergien innerhalb des Volkswagen-Konzerns profitieren. Tatsächlich ist es keine Überraschung, dass der Flying Spur mit einem Hybridantrieb ausgestattet wird, denn er basiert auf der gleichen technischen Plattform wie der Porsche Panamera, den es bereits seit einigen Jahren als E-Modell gibt. Es ist also nur logisch, dass die schöne englische Limousine in die Fussstapfen ihres deutschen Cousins tritt. Übrigens sind alle Antriebselemente mehr oder weniger identisch: 2,9-Liter-V6-Biturbo mit 416 PS/550 Nm, unterstützt von einem Elektromotor mit 136 PS/400 Nm, der von einer 18,1-kWh-Batterie gespeist wird. Das Ganze leistet 544 PS und 750 Nm. Die elektrische Reichweite (WLTP) beträgt bis zu 40 km, und vollgetankt hat der Flying Spur Hybrid eine Reichweite von fast 700 km.
Porsche verfügt zwar auch über einen Turbo S mit Hybridantrieb und 700 PS, aber ehrlich gesagt sind 544 PS für den Bentley «ausreichend», wie die Engländer früher die Leistung ihrer Modelle definierten. Die Performance bestätigt das: Der Flying Spur Hybrid ist ähnlich leistungsstark wie sein V8-Biturbo-Bruder mit Verbrennungsmotor. Er beschleunigt in 4,3 Sekunden (4,1 Sekunden) von 0 auf 100 km/h und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 285 km/h (318 km/h), obwohl er 175 kg mehr Leergewicht hat.
Beim Anfahren gleitet der Bentley Flying Spur Hybrid wie auf einer Elektronenwolke in andächtiger Stille dahin. Sobald der rechte Fuss stärker aufs Gaspedal tritt, kommt der V6-Motor ganz diskret zur Hilfe, allerdings mit einem Klang, der nicht so edel anmutet wie die Karosse, in der man sitzt. Aber so ist das nun mal.
Die beiden Triebwerke mit einem Gesamtdrehmoment von 750 Nm sorgen gemeinsam für einen klaren und kontinuierlichen Schub, der durch das 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe unterstützt wird. Hierbei gesellt sich die Modernität zum traditionellen Bentley-Feeling von grenzenloser Stärke. Zumindest bis zu den gesetzlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen und ein wenig darüber hinaus – danach scheinen die mechanischen Ressourcen doch ein wenig nachzulassen.
Die gesteuerte Dämpfung sorgt für eine erstaunliche Karosseriestabilität angesichts des Fahrzeuggewichts (über 2500 kg). Kurven und schlechtere Fahrbahnbeläge werden mit der typisch britischen, stoischen Ruhe kaschiert. Auch die Vorderradaufhängung ist im Vergleich zu den Modellen mit Verbrennungsmotor bei lebhafterer Fahrweise überraschend prägnant. Warum? Weil ein 6-Zylinder-Motor eben weniger wiegt als ein V8 oder W12, und mit der 134 kg schweren Batterie, die unter dem Kofferraumdeckel untergebracht ist, die Gewichtung mit einem schwereren Hinterteil anders verteilt ist. Dadurch ergibt sich auch eine gute Bremsstabilität. Geschickter Schachzug!
Im Innenraum des Fahrzeugs gibt es natürlich nichts auszusetzen. Der Flying Spur wurde als Auto sowohl zum Fahren als auch zum Sich-fahren-lassen konzipiert und verzichtet dabei weder auf ästhetische noch auf technische Raffinessen. Nachhaltigkeit spielt auch bei der Innenausstattung eine Rolle, denn für Teile der Polsterung wurde schottischer Tweed verwendet. Bei der Herstellung dieses Stoffs wird Strom aus erneuerbaren Energiequellen verwendet, und es kommt weniger Leder zum Einsatz.
Bentley setzt also seinen Wandel hin zur Elektromobilität fort und übernimmt damit eine Vorreiterrolle in der Luxusautomobilbranche. Die Wahl der technischen Elemente und die subtilen Anpassungen, mit denen der homogene Charakter dieser Limousine gewahrt wird, sorgen für Kohärenz. So kann man der Zukunft gelassen entgegensehen.
Lexus LS600h aus 2007... sprich vor 15 Jahren. Bentley mag Luxus sein, Technologievorreiter eher nicht.