Udemy, Skillshare, Coursera, EdX – die Zahl von digitalen Plattformen, die Online-Kurse zu allen möglichen Themen anbieten, ist in den letzten zehn Jahren explodiert. Mit der Pandemie hat das Thema E-Learning zudem innerhalb weniger Wochen eine Entwicklung durchgemacht, die sonst mindestens fünf Jahre gedauert hätte, weiss Manuel P. Nappo, Leiter des Institute for Digital Business an der HWZ.
Was die vielen Online-Lernplattformen eint: Sie alle setzen auf ein Geschäftsmodell, bei dem hohe Raumkosten wegfallen, die Dozentinnen und Dozenten nur einmal vor die Kamera stehen müssen und der Kurs an beliebig viele Studierende ausgespielt werden kann. Damit konkurrenzieren die digitalen Klassenzimmer klassische Bildungsinstitutionen, die zwar mittlerweile ebenfalls zu E-Unterricht expandiert haben, kostentechnisch aber selten mit den reinen Digitalangeboten mithalten können.
Der Kampf um die Weiterbildungswilligen war nie grösser. Denn in Zeiten, in denen Studierende von überall auf der Welt auf Inhalte zugreifen können, die Aufmerksamkeitsspanne gleichzeitig aber immer stärker sinkt und jeder Kurs mittels Punkten, Sternchen oder Likes bewertet werden kann, wird langweiliger Unterricht sofort abgestraft. «Online-Unterricht muss mindestens so spannend wie eine unterhaltsame Netflix-Serie sein. Sonst sind die Leute schnell weg», erklärt Nappo weiter.
Kein Wunder also gibt es mittlerweile auch Anbieter, die nicht nur auf Wissen allein, sondern auch auf Bekanntheit ihrer Dozierenden setzen. Die Plattform «Masterclass» zum Beispiel. Wer eine monatliche Gebühr bezahlt, kann dort direkt bei Starfotografin Annie Leibovitz einen Fotografie-Kurs besuchen, von Usher die Kunst des richtigen Auftritts lernen, sich von Christina Aguilera das Singen, von Gordon Ramsay das Kochen oder von Martin Scorsese das Filmemachen beibringen lassen.
Das ist eine neue Entwicklung zurück zu alten Mustern, wie Digital-Business-Leiter Nappo erklärt. Bei den alten Griechen und Römern schmückten sich Studierende nämlich schon gern mit den Federn ihrer Lehrpersonen. Wer bei Aristoteles gelernt hat, betonte das gerne. Heute sind es hingegen vor allem die Namen prestigeträchtiger Institutionen, die auf einem Lebenslauf Eindruck machen: Harvard, Yale, Oxford, Cambridge... Und in Zukunft? «Ich glaube, die Zukunft gehört wieder den Lehrerinnen und Lehrern. Die Institution wird an Relevanz verlieren», so Nappo.
Und noch etwas dürfte sich in Zukunft massiv verändern. Während in den letzten Jahren ein regelrechter Diplomwahn geherrscht hat, könnten künftig Skills in den Vordergrund rücken. «Wie man sich diese angeeignet hat, wird künftig eher zweitrangig sein», vermutet Nappo.
Denn in Zeiten, in denen Wissen überall und jederzeit zugänglich ist, in denen man sich auf YouTube kurz ein How-to-Video anschauen, auf einer Open-Online-Learning-Plattform Vorlesungen bei den wichtigsten Universitäten weltweit besuchen und schliesslich noch ein Diplom beim lokalen Weiterbildungsanbieter machen kann, ist nicht mehr die grosse Frage, von wo man das Wissen bezogen hat, sondern ob man es nutzbringend anwenden kann.
Dass er bald keinen Job mehr haben wird, davor fürchtet sich Nappo trotzdem nicht. Stattdessen glaubt er fest an den Wert lokaler Bildungsinstitutionen mit einem direkten Bezug zu ihren Studierenden. «Ich bin absolut überzeugt, dass man sich sehr Vieles selber online beibringen kann. Aber der Austausch und die soziale Interaktion mit Dozierenden und Mitstudierenden hat für viele Menschen einen ebenso grossen Wert», so Nappo.
Das Schöne an unserer Zeit ist, sagt der Experte, dass sich jeder selber aussuchen kann, was für ihn stimmt. «Das sieht man ja schon beim Homeoffice. Manche gehen in diesem Umfeld auf, andere verkümmern darin. So ists auch beim Thema Bildung. Wichtig ist also nicht, wo man lernt, sondern dass man so lernt, wie es für einen selbst am besten passt.»