Europa steuert aufgrund der Russlandsanktionen auf eine Energiekrise zu. Vermehrt müssen neue Lösungen gesucht werden. Einen Beitrag dazu leisten kann Luca Schmidlin und die Firma Alphasynt, eine Partnerfirma der Fachhochschule OST. Diese nutzt dazu exklusiv eine neue Technologie, um synthetisches Gas zu produzieren, was zur Speicherung und effizienteren Nutzung von Energiequellen beiträgt. Es ist ein wichtiges Puzzleteil, um künftig von fossilen Energieträgern wegzukommen.
Luca, Umwandlung von Strom in Gas zur Speicherung von Energie ist nicht gänzlich neu. Was macht eure Technologie einzigartig?
Luca Schmidlin: Wir nutzen die einzige Technologie, die CO2 oder CO als auch schwierige Gase aus Biomassevergasung in Methan umwandeln kann, «CO2-Upcycling». Sie wurde am Paul-Scherrer-Institut entwickelt und ist sehr flexibel einsetzbar. Ausserdem haben wir bis zu zehn Prozent tiefere Investitionskosten verglichen mit Konkurrenztechnologien und ebenfalls rund zehn Prozent tiefere Betriebskosten. Wir benötigen weniger Hilfsaggregate. Dies liegt an den Besonderheiten unseres Wirbelschichtreaktors, dem Kernelement unserer Technologie, das uns von anderen unterscheidet.
Möglichst kurz: Wie funktioniert eure Technologie?
Es gibt zwei Hauptgruppen: die katalytische, also chemische Umwandlung und die biologische. Unsere zählt zu den katalytischen. Hier gibt es wiederum mehrere Untergruppen, der Wirbelschichtreaktor ist eine davon. In einem ersten Schritt stellen wir mittels Elektrolyse aus elektrischer Energie Wasserstoff (H2) her. Im zweiten Schritt werden Wasserstoff und CO2 im Wirbelschichtreaktor in Methan (CH4) umgewandelt. Das synthetische Methan ist chemisch identisch mit Erdgas/Biogas und kann auch ins bestehende Gasnetz eingespeist werden. Power-to-X ist ein riesiges Gebiet und es führen viele Wege nach Rom. Es ist wie moderne Alchimie, ausser dass wir statt Gold erneuerbare Energieträger aus erneuerbarer Energie produzieren.
Kostet nicht auch die Umwandlung Energie?
Natürlich hat man immer Verluste bei der Umwandlung. Aber alles ist besser, als überschüssige Energie einfach verpuffen zu lassen. Ausserdem muss man bei Power-to-Gas festhalten, dass es um die Langzeit-Energiespeicherung erneuerbarer Energie geht. Wir vergleichen uns nicht mit Kurzzeitspeicherung, also Akkus.
Geht heute viel überschüssige, erneuerbare Energie verloren in der Schweiz?
Nicht so wie in Deutschland, wo viel Windenergie einfach verloren geht und man die Anlagen teilweise vom Netz nehmen muss. In der Schweiz hinken wir bei den erneuerbaren Energiequellen hinterher. Wenn wir allerdings die Speichermöglichkeiten erst in Betracht ziehen, wenn wir viel produzieren, sind wir schon zu spät. Deshalb ist es wichtig, bereits heute eine Infrastruktur aufzubauen. Man spricht hier auch von «Resilienz des Energiesystems».
Wie seid ihr darauf gekommen?
Das hat sich ergeben. Zum Ende meines Bachelorstudiums in Energie und Umwelttechnik an der FH in Rapperswil war das dortige Institut für Energietechnik (IET) gerade im Begriff, den Bereich Power-to-Gas aufzubauen. Ich konnte ab 2014 dort zu 50 Prozent arbeiten. Dann kam irgendwann der Gedanke, dass ich mehr bewirken kann, wenn ich mich selbständig mache. Durch Zufall ergab sich, dass mich mein heutiger Partner ansprach, der bei seiner Firma diesen Teilbereich herauslösen wollte. Somit konnte ich in die neue Firma Alphasynt einsteigen. Wir ergänzen uns ideal: Er hat viel Geschäftserfahrung, ich das Know-how. Ausserdem erhielten wir die exklusiven Lizenzrechte vom Paul-Scherrer-Institut für die Technologie.
Eure Vision ist es, von den fossilen Energieträgern wegzukommen. Ist das angesichts des wachsenden Energiebedarfs wirklich realistisch?
Es ist natürlich ein sehr hohes Ziel. Aber wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir auf erneuerbare Energieträger umsteigen. Und wir müssen alle nutzen, um diese nicht gegeneinander ausspielen. Der Ukraine-Konflikt zeigt uns, dass wir leider zu Dreivierteln vom Import fossiler Energieträger abhängig sind. Wir glauben nicht, alleine das Problem lösen zu können. Wir können aber ein wichtiges Puzzleteil sein, um die Wende voranzutreiben.
Du sprichst es an: Der Ukraine-Konflikt könnte schon bald zu einer Energiekrise führen. Wie könnt ihr hier direkt helfen?
Wir können das bestehende, inländische Biogas-Potenzial um bis zu 60 Prozent besser ausnützen. Biogas besteht zu rund 60 Prozent aus Methan, zu 40 Prozent aus CO2. Allerdings darf es nur mit einem Methangehalt von 96 Prozent genutzt werden, weshalb man es aufreinigt und dabei das CO2 in die Luft entlässt. Wir aber können das CO2 umwandeln. Zwar ist unsere Technologie unter bisherigen, «normalen» Umständen im Vergleich zu teuer. Aber wenn jetzt der Energiepreis steigt, wird sie attraktiv.
Wer sind eure Kunden?
Hauptsächlich sind es Energieversorger, die im Besitz sind von Biogas- oder Abwasserreinigungsanlagen oder Gasnetze betreiben.
Wäre es auch in Wohnhäusern mit einem Gastank im Keller zur Speicherung denkbar?
So wie das energieautarke Haus in Brütten (schmunzelt). Technisch ist das möglich. Aber ich sehe unsere Technologie weniger für ein einzelnes Haus, weil sie dazu wirtschaftlich nicht interessant ist, es sei denn, jemand hat das nötige Kleingeld. Ökonomisch macht es eher für ein Quartier oder eine Region Sinn. Also dass zum Beispiel der gemeinsam gesammelte, überschüssige Photovoltaik-Strom vom Sommer für den Winter in Gas umgewandelt und gespeichert wird.
Ihr unterhaltet eine Kooperation mit dem Institut für Energietechnik der Fachhochschule OST, wo du studiert hast. Heute bist du Fachbereichsleiter Power-to-Gas am Institut und hast Einsitz in der Institutsleitung. Wie profitieren beide Seiten von der Kooperation?
Einerseits profitiert das Institut, weil durch uns ihre Forschung in die Industrie einfliesst und so der Gesellschaft zugutekommt. Wir bleiben technologisch am Ball und ich habe auch durch meine Anstellung sehr gute Beziehungen in die Hochschul- und Forschungslandschaft. Ausserdem können wir das IET als Partner mit gewissen Fragestellungen beauftragen.
Stattdessen sind die Zeitungen voller Leserbriefe, die das Abschalten der Kernenergie hinterfragen (bin nicht grundsätzlich gegen AKWs, aber sie machen uns zu 100 % auslandabhängig und wo ist das Endlager?).
Es ist traurig, dass es diesen Krieg brauchte, damit solche Ideen 💡 vielleicht wieder grössere Chancen haben.