Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz bewegt sich gerade auf historische Tiefstände zu – die Coronakrise scheint weit weg. Dafür rückt der Fachkräftemangel wieder in den Fokus. Gute Zeiten also für einen beruflichen Wechsel. Und was bringt das mit sich? Genau: das ganze Karussell mit Bewerbungsmappe, Jobinterview, Hoffen und Bangen. Deshalb sei hier in Erinnerung gerufen, was du beachten solltest, damit du beim Bewerbungsgespräch glänzt. Unsere Fragen beantwortet hat Philippe Wüthrich, Recruiter beim internationalen Personaldienstleister Randstad. Er ist Betriebsökonom FH und hat in seiner heutigen Funktion insbesondere Erfahrung in der Betreuung von grösseren Firmen.
Herr Wüthrich, mal ehrlich: Arbeitszeugnisse sind doch ein alter Zopf. Sie werden praktisch immer wohlwollend verfasst. Bringt es überhaupt noch etwas, sie der Bewerbung beizulegen?
Philippe Wüthrich: Arbeitszeugnisse gehören nach wie vor zu einer vollständigen Bewerbungsmappe. Es ist weiterhin wichtig, sie einzuholen und mitzuschicken, nicht zuletzt auch als Beleg für die vorangegangenen Stellen. Es stimmt, sie sind immer wohlwollend verfasst, müssen aber auch wahrheitsgetreu sein. Die Sätze sind grundsätzlich positiv formuliert, allerdings gibt es dabei Nuancen. «Entsprach unseren Anforderungen» ist so ein Beispiel und bedeutet in der Regel, dass eine Leistung ausreichend war. Das entspricht einer Schulnote 4. Ein Recruiter kann so aus einem Zeugnis viel über die Arbeitsqualität, Leistung und das Verhalten am Arbeitsplatz herauslesen. Dennoch bleibt Interpretationsspielraum. Spätestens im Jobinterview werden diese Unklarheiten in der Regel geklärt.
Gehen wir ins Bewerbungsgespräch. Soll ich dort zeigen, dass ich den Job unbedingt will oder eher ein Pokerface aufsetzen?
Man soll sein Interesse am Job auf jeden Fall zeigen, indem man sich im Vorfeld Informationen zur Firma beschafft und entsprechende Fragen stellen kann. So zeigt sich auch, dass man gut vorbereitet ist. Nicht gut ist, wenn jemand verzweifelt wirkt. Ich empfehle, sich möglichst natürlich und authentisch zu verhalten beim Interview. Daher ist ein Pokerface ebenfalls wenig ratsam. Es fällt auf, wenn sich jemand verstellt.
Und doch will ich meine Haut im Interview so teuer wie möglich verkaufen. Was hört der Recruiter gerne, wenn ich mich persönlich vorstelle?
Grundsätzlich ist der sogenannte Elevator Pitch eine gute Methode: Eine 30 bis 90-sekündige Selbstpräsentation. Damit gilt erst einmal: Nicht zu ausführlich werden. Zum Elevator Pitch gibt es viele YouTube-Tutorials. Was der/die Recruiter:in in dieser kurzen Zeit hören will, sind einige Zusatzinfos, die nicht im CV erwähnt werden – diese sollen wenn immer möglich im Zusammenhang mit der vorliegenden Vakanz stehen. Wenn etwas potenziell für die Stelle von Vorteil sein kann, ist das immer gut. Zum Schluss werden in der Regel die Hobbies erwähnt. Auch hier hilft eine Brücke zum Job. Zum Beispiel: «Ich gehe als Ausgleich gerne mit Freunden wandern.» So signalisiere ich Ausgeglichenheit und dass ich im Team gut funktioniere.
Welche Fehler machen Bewerberinnen und Bewerber beim Gespräch am häufigsten?
Der Klassiker ist: zu spät auftauchen. Das kann zwar mal vorkommen, wenn etwa der Zug Verspätung hat. Die Recruiter sollten jedoch über die Verspätung informiert werden. Was ich auch erlebe ist, dass Kandidaten prahlen oder bluffen. Das wirkt nicht authentisch und kommt nicht gut an. Was ebenfalls vorkommt, je nach Branche oder Job, ist, dass jemand um die offene Stelle bettelt. Dadurch entwerten sich die Stellensuchenden. Noch ein Klassiker ist die schlechte Vorbereitung, dass die Kandidatin oder der Kandidat etwa den Inhalt der eigenen Bewerbungsmappe nicht wirklich kennt. Hier gilt, wie für das gesamte Bewerbungsgespräch: Vorbereitung ist alles.
Was werten Sie als Recruiter höher: berufsspezifische Weiterbildungen oder Berufserfahrung?
Die gesunde Mischung macht es aus. Es kommt natürlich immer auf die Stelle an. Grundsätzlich würde ich dennoch sagen: Weiterbildung bringt nicht viel, wenn sie nicht durch Praxiserfahrung ergänzt wird. Die Berufserfahrung ist wertvoll: Wir sehen ja auch Menschen, die sich mit einer Grundausbildung in eine Position hocharbeiten, für die es sonst einen Hochschulabschluss braucht. Gleichzeitig gibt es Personen, die es mit der Weiterbildung fast schon übertreiben und die Praxis vernachlässigen, was kein Vorteil ist. So gesehen könnte man die Berufserfahrung vielleicht etwas höher gewichten. Dennoch bringt gerade Weiterbildung Sicherheit. Jobs sind im Wandel, die Berufswelt verändert sich, deshalb ist lebenslanges Lernen aus meiner Sicht heute unerlässlich.
Wir wussten es zwar schon, dennoch kann es nicht genug gesagt werden: Vorbereitung ist ALLES. Deshalb nochmals zum Schluss sieben Punkte, wie man sich richtig auf das Jobinterview vorbereitet und was man dort vermeiden sollte: