
KI-generiertes Bild: Welche Folgen hat es, wenn wir Alltagsprobleme von KI-Chatbots lösen lassen? Bild: chatgpt / imago-images.de
Analyse
Der deutsche IT-Sicherheitsforscher Mike Kuketz nimmt die zunehmende Nutzung von generativer KI unter die Lupe. Seine Analyse gibt zu denken.
29.05.2025, 19:3929.05.2025, 19:39
«KI lässt uns Menschen das Denken verlernen – und wir halten es für Fortschritt.»
Mike Kuketz
Es gibt Texte, die aufhorchen lassen.
Diese Woche hat Mike Kuketz einen solchen veröffentlicht. Der bekannte deutsche IT-Sicherheitsforscher beschäftigt sich darin kritisch mit KI. Mit generativer künstlicher Intelligenz, um genau zu sein.
Kuketz warnt vor einem Phänomen, das in allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen zu beobachten sei. Aber vor allem bei jungen Menschen.
«Fragen, die früher mit einem Blick in ein Buch, durch Ausprobieren oder mit gesundem Menschenverstand gelöst wurden, werden heute reflexartig an eine KI delegiert. Nicht weil es nötig ist – sondern weil es bequemer ist.»
Ja, da trifft er einen wunden Punkt. Während man früher zumindest noch gewisse Google Hacks beherrschen musste, um bei der Web-Suche alles zu finden, machen heute ChatGPT und Co. die ganze Arbeit.
Doch da beginnen die Schwierigkeiten, wie Kuketz treffend beschreibt.
Wo ist das Problem?
Bis vor Kurzem sei Künstliche Intelligenz (KI) noch ein Werkzeug gewesen – ein praktisches Hilfsmittel, das klar definierte Aufgaben übernommen habe.
Nun konstatiert der IT-Sicherheitsforscher:
«Denken wird nicht mehr als selbstverständliche Tätigkeit betrachtet, sondern als Option – eine, die man sich zunehmend erspart. Und genau darin liegt die Gefahr. Denn wer aufhört zu denken, verlernt nicht nur das Problemlösen, sondern auch das Hinterfragen, das Abwägen, das Erinnern – kurz: das Menschsein in seiner geistigen Tiefe.»
Mittlerweile sind wir bei einem Phänomen angelangt, das auch als «Maslow's Hammer» oder «Law of the Instrument» bezeichnet wird. Einfach ausgedrückt: Weil man uns einen KI-Hammer in die Hand gedrückt hat, sieht plötzlich alles wie ein Nagel aus.
Dazu erklärt Kuketz:
«Heute übernimmt KI nicht nur operative Aufgaben, sondern zunehmend auch kognitive Entscheidungen: Welche Formulierung klingt souverän? Welche Tonlage wirkt empathisch? Welche Argumentation überzeugt im Konflikt?»
Was sind die Folgen?
Die Konsequenzen klingen ziemlich dramatisch.
«Die Folge ist keine plötzliche intellektuelle Verarmung, sondern eine schleichende Entwöhnung vom eigenen Urteil. Die Fähigkeit, sich sprachlich, gedanklich und emotional selbst zu orientieren, wird zunehmend durch automatisierte Vorschläge ersetzt – und dadurch kaum noch geübt, geschweige denn weitergegeben.»
Als bekanntes Beispiel führt Kuketz die Marketing-Kampagne zum Galaxy S25 Ultra ins Feld. Samsung vermarkte das Android-Smartphone mit KI-Assistenz als Alltagslösung für «kleine und grosse Pannen».
«Die Idee: Du musst nicht mehr selbst nachdenken, wenn die KI es für dich kann.»
Wer sich früh daran gewöhnt, «komplexe oder gar triviale Entscheidungen» an die KI abzugeben, verlerne, sie überhaupt zu treffen, gibt Kuketz zu bedenken. Und diese Faulheit Bequemlichkeit habe ihren Preis.
«Wir stumpfen ab für Details, verlieren die Fähigkeit zur Orientierung ohne fremde Hilfe, gewöhnen uns an eine Welt, in der jede Unsicherheit sofort extern ‹geklärt› wird.»
Persönliche Anmerkung des hier Schreibenden: Was bedeutet die schleichende Abnahme der menschlichen Problem-Lösungs-Kompetenz für die Schweiz? Ein Land, das mit seinem direktdemokratischen politischen System wie kein anderes auf kritisch denkende und engagierte Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist.
PS: Beim Verfassen dieser Zeilen kam dem watson-Redaktor noch der passende Film zum Thema in den Sinn. Im Pixar-Meisterwerk Wall-E sehen wir eine dystopische Zukunft, in der die Menschen nichts mehr aktiv tun, sondern auf Liegen herumgefahren werden.
Weitere aufschlussreiche Überlegungen zum Thema findest du im Blog-Beitrag von Mike Kuketz (siehe unten).
Und jetzt du!
Wie hältst du es mit der Nutzung von generativer KI? Brauchst du nur noch ChatGPT statt Google? Lässt du dir viele alltägliche Fragen so beantworten?
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Quellen
Aktuelle Gefahren und zukünftige Risiken von KI
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Aktuelle Gefahren und zukünftige Risiken von KI
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quelle: keystone / noah berger
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