Seit vielen vielen Jahren kaufe und nutze ich Mac-Computer. Und das privat und beruflich – abgesehen von der schlimmen Zeit bei einem Schweizer Medienkonzern, der die Leute zwang, auf «kastrierten» Firmen-PCs mit Windows XP zu arbeiten. Aber das ist eine andere Geschichte ...
watson setzt zum Glück auf BYOD*. Das heisst: Die Mitarbeiter beschaffen ihre bevorzugte Hardware selbst – und erhalten vom Arbeitgeber eine pauschale Vergütung.
Nun trage ich mich schon seit geraumer Zeit mit dem Gedanken, mein derzeitiges (mobiles) Arbeitsgerät zu ersetzen. Nicht etwa, weil ich mit dem 2014er Macbook Pro unzufrieden wäre, sondern aus, ähm, familiären Gründen: Wir haben zuhause ein uraltes Macbook Air von 2011 in Betrieb. Das funktioniert noch fehlerfrei – aber die Nutzung wird immer häufiger zur nervenzehrenden Geduldsprobe.
Darum mein raffinierter Plan: Ich vermache mein altes Macbook Pro «grosszügig» der Familie und schaffe mir ein stärkeres Profi-Teil an. Eine Win-Win-Win-Win-Situation:
* «Bring Your Own Device» hat natürlich auch Tücken, wie der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte mahnt. Und bezüglich Sicherheit bestehen auch für Mac-User gewisse Risiken.
So weit die Vorgeschichte, und damit zum fetten Strich, den mir Apple durch die Rechnung macht. Denn: Ein neues Macbook Pro zu kaufen kommt für mich zurzeit nicht infrage. Auch keine Occasion vom letzten oder vorletzten Jahr.
Der Grund liegt nicht beim hohen Anschaffungspreis. Ja, neue Macbooks sind teuer, aber erfahrungsgemäss lohnt sich die Investition. Man kann extrem lang damit arbeiten und sie büssen kaum an Wert ein, so dass man sie nach Jahren noch gut weiterverkaufen kann.
Allerdings ist der Fakt, dass gebrauchte Apple-Produkte wertvoll bleiben, bei Macbooks in Gefahr. Stattdessen drohen böse Überraschungen, wie wir gleich sehen ...
Der Grund, warum ich vorläufig kein neues Macbook kaufe und es auch niemandem empfehlen würde, liegt bei einem nicht nur für Schreiberlinge zentralen Element: der Tastatur. Konkret geht es um den von Apple entwickelten Butterfly-Mechanismus, der fehleranfällig ist.
Das Problem ist nicht erst seit gestern bekannt, sondern längst ein Running Gag, wie Tweets zeigen ...
Betroffen sind:
Apple selbst beschreibt die Symptome, die laut Einschätzung unabhängiger Experten früher oder später jedes der oben genannten Modelle lahmlegen können:
Konsequenz: Macbooks müssen in die Reparatur, um die Tastatur oder gleich den ganzen Oberbau zu ersetzen, weil man mit dem Gerät nicht mehr richtig schreiben kann.
Das Problem: Bei reparierten Macbooks könnten die oben geschilderten Tastatur-Aussetzer erneut auftreten. Denn noch immer sind die Ursachen nicht restlos bekannt ...
Das ganze Ausmass des Schlamassels wird klar, wenn man Apples Macbook-Lancierungen der letzten vier Jahre betrachtet. Ausgerechnet der Hersteller, der das Premium-Segment anführt, hat es verpasst, ein fehlerbehaftetes Hardware-Design zu beseitigen. Und bringt stattdessen immer mehr Geräte mit der entsprechenden Technik auf den Markt.
Rückblick:
Es gibt drei Theorien, wie ein Reddit-User, der laut eigenen Angaben als von Apple autorisierter Techniker (AASP) arbeitet und auch Macbooks repariert, in einer lesenswerten, hervorragend bebilderten Analyse zusammenfasst:
Der Reddit-User, der angeblich bei einer offiziellen Apple-Partnerfirma arbeitet, plaudert aus dem Nähkästchen. Am häufigsten von Tastatur-Defekten betroffen seien:
Also alles Leute, die viel auf ihren Macbooks herumtippen. Und besonders stark in die Tasten hauen?
Der oben erwähnte Apple-Techniker geht in seiner Reddit-Analyse detailliert auf den Butterfly-Mechanismus ein. Wie bei einem professionellen «Teardown» üblich, zeigt er verschiedene problematische Punkte in Grossaufnahme. Zum Beispiel geht er in diesem animierten GIF auf die elastische Membran ein, die jede einzelne Taste umhüllt.
Sein beunruhigendes Fazit zum Teardown:
Er sei nicht sicher, welche dieser beiden Erklärungen schlechter sei, hält der Reddit-User fest. In Anbetracht der Tatsache, dass die Apple-Ingenieure vier Jahre Zeit hatten, sich des Problems anzunehmen, tendiere er zu Letzterem ...
Was wir kennen, ist das mutmassliche Motiv, das die Probleme verursacht hat: Es ist Jony Ives Schlankheitswahn. Apples Chefdesigner, ein brillanter Kopf, zeichnet für den ungebrochenen Trend zu immer noch dünneren Geräten verantwortlich. Gestützt natürlich von Apple-CEO Tim Cook und den anderen Mitgliedern des Top-Managements.
Um die Macbook-Tastatur möglichst dünn zu machen, haben Apples Designer und Ingenieure versucht, die Tasten viel flacher zu halten als bei älteren Generationen. Gleichzeitig zielt aber der darunter liegende Schmetterlingsmechanismus, nach dem die Tastatur benannt ist, darauf ab, den Schwung einer herkömmlichen Tastatur zu reproduzieren.
Irgendwo während der Entwicklungsphase der Butterfly-Tastatur muss es zu Fehleinschätzungen gekommen sein. Und die Qualitätskontrolle kann den Problemen offensichtlich nicht auf die Schliche kommen, weil sie erst im (längeren) alltäglichen Gebrauch der Macbooks auftreten.
Nach meiner persönlichen Einschätzung ist es sehr schlimm. Da kann Apple noch so lang versichern, dass nur eine geringe Prozentzahl von Macbooks betroffen sei: Das grundlegende Problem ist doch, dass ich bei einem mehr als 2000 Franken teuren Notebook-Kauf kein Risiko eingehen will. Und selbst wenn man die weniger teuren Macbooks nimmt: Auch da fällt die Risikoabschätzung negativ aus: Warum soll ich ein neues Gerät kaufen, bei dem ich zum Abschluss einer Zusatzversicherung (AppleCare+) gezwungen bin, um mich gegen Ausfälle, jenseits der normalen Garantie, abzusichern?
Bleibt vielen Macbook-Fans nur die bange Frage, wann sich der Versorgungsengpass entschärfen wird ...
Der bekannte Apple-Blogger John Gruber, ein langjähriger Kenner des Unternehmens, der über beste Verbindungen nach Cupertino verfügt, schreibt:
Sicher ist: Wegen der Sammelklagen drohen Apple Entschädigungsforderungen in Milliardenhöhe. Darum würde der Konzern niemals öffentlich Konstruktionsfehler zugeben.
Die grösste Gefahr sei, dass der Ruf der ganzen Macbook-Reihe langfristig Schaden nehme, kommentiert Gruber. Darüber hinaus werden die Bemühungen des Unternehmens in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit gefährdet.
Apple präsentiert sich – meiner Ansicht nach zurecht – als Hersteller, der den Umweltschutz in der ganzen Produktionskette vorantreibt und auf Erneuerbare Energien setzt. Zu diesem grünen Image passt schlecht, dass Produkte extrem schlecht zu reparieren sind: So gab iFixit dem 2015er-Macbook bezüglich Reparierbarkeit nur 1 von 10 Punkten.
Macbook-Interessenten müssen sich bewusst sein, dass bei Geräten ab 2015 Probleme auftreten können. Dies sollte man auch beim Kauf von Occasionen berücksichtigen. Es drohen kostspielige Reparaturen von mehreren hundert Franken, die nicht durch eine Garantie abgedeckt sind.
Weil die Butterfly-Tastatur bereits seit 2015 verbaut wird, ist auch das Angebot auf dem Occasions-Markt dürftig. Ein Besuch bei revendo.ch und digimac.ch ergibt jedenfalls, dass Macbook-Pro-Modelle von 2014/215, die eine herkömmliche Tastatur besitzen, absolute Mangelware sind.
Mein beunruhigendes Fazit bezieht sich auf einen Kritikpunkt, den ich schon bei früheren Reviews äusserte:
Apple tut gut daran, zu bewährten Grundsätzen zurückzukehren, wonach Benutzerfreundlichkeit an oberster Stelle steht. Sonst droht der Verlust vieler treuer Kunden.
Die Recherche in den öffentlichen Diskussionsforen für Apple-Kunden, die unter discussions.apple.com zu finden sind und nicht von Apple selbst moderiert werden, lässt den Ärger erahnen. Eine Auswahl von Postings:
Im Ernst? Es ist bekannt, dass ein Problem existiert, es wird aber nicht kostenlos unter Garantie repariert?
Ist das überhaupt in der Schweiz legal? 🤔🤦
Und da hat angefressenen 🍏 schon oft versagt...