Ihr Name erinnert an Turnschuhe und US-Basketballer. Und das Design lässt niemanden kalt.
Als die AirPods 2017 auf den Markt kamen, fielen die Reaktionen heftig aus. Kaum jemand wollte sich etwas ins Ohr stecken, das wie eine elektrische Zahnbürste aussah.
Die Vorgänger, EarPods genannt, wurden 2012 mit dem iPhone 5 lanciert. Die weissen Ohrstöpsel mit dem weissen Kabel lagen auch jedem neuen iPod Touch und iPod Nano bei und sind längst Kult. Aber was ist mit den kabellosen Nachfolgern, die extra kosten?
Wir beobachten das gleiche Phänomen wie bei der Apple Watch: Aus einem zunächst belächelten neuen Produkt wird ein Kassenschlager, der dem Hersteller Quartal für Quartal Milliarden in die Kasse spült.
Laut Schätzung des renommierten Finanzanalysten und Branchen-Beobachters Ming-Chi Kuo wird Apple allein in diesem Jahr über 50 Millionen AirPods verkaufen.
Apples Bluetooth-Ohrstöpsel gibt's nun in der zweiten Generation. Und der Hersteller versichert, er habe «die beliebtesten kabellosen Kopfhörer der Welt» weiter verbessert.
Aber lohnt sich das Upgrade? Höchste Zeit, den PR-Sprüchen auf den Zahn zu fühlen ...
Die AirPods 2 verbinden sich noch schneller mit dem iPhone oder anderen Apple-Geräten. Und die in den weissen Stielen verborgenen Mini-Akkus halten etwas länger durch, man kann damit bis zu drei Stunden (am Stück) telefonieren. Beim wichtigsten «Use Case», dem Musikhören, hat sich nichts geändert: Eine Akkuladung liefert gut 5 Stunden Sound.
Neuerdings lassen sich die kabellosen Ohrstöpsel über die eigene Stimme («Hey Siri») bedienen. Und gegen einen Aufpreis gibt es eine Transport- und Ladebox, die man auch ohne Lightning-Kabel mit Strom versorgen kann.
Die AirPods 2 laden kabellos mit einer (Qi-kompatiblen) Ladematte oder über ein Apple-Ladekabel mit Lightning-Connector. Passende Qi-Ladegeräte gibt es von Apple und (günstiger) von verschiedenen Zubehöranbietern.
Am Design hat sich nichts geändert, die Stöpsel sehen genau so aus wie die Vorgänger. Die neue Transportbox, die man auch kabellos aufladen kann, erkennt man am Lämpchen, das neu auf der Aussenseite positioniert ist. Beim Öffnen der Kunststoffbox leuchtet es grün oder orange und zeigt damit an, dass ... ähm, was wird eigentlich angezeigt?
In negativer Hinsicht sind es die mangelnden Optionen (nur 1 Farbe, nur 1 Form, bzw. 1 Grösse) und die Fixierung aufs Apple-Universum. In positiver Hinsicht sind es die Zuverlässigkeit und Akkuleistung (Ladebox). Dazu gleich mehr.
«It just works.» Steve Jobs hatte den Werbe-Slogan einst berühmt gemacht, und er trifft perfekt auf die AirPods zu. Sofern man sich als User innerhalb des Apple-Universums bewegt. Zwar gibt es günstigere, zum Teil auch leistungsfähigere Konkurrenz-Produkte, doch kein anderes Zubehör verträgt sich so gut mit iPhone, Apple Watch, Mac und Apple TV wie die AirPods.
Das Geniale an den AirPods ist die nahtlose Integration über die eigene Apple-ID. Man klaubt die Dinger aus der Ladebox, steckt sie sich in die Gehörgänge und kann Sekundenbruchteile später über das automatisch verbundene Gerät Musik hören, telefonieren, oder was auch immer.
Und die Dinger funktionieren sehr zuverlässig. Verbindungsabbrüche gibt es praktisch keine (siehe Punkt 13 zu Bluetooth 5.0).
So richtig benutzerfreundlich sind die Stöpsel nur in Kombination mit einer Apple Watch. Dann kann man die Lautstärke bequem über das Display am Handgelenk anpassen.
Oder man wird selber laut – und startet die Sprachassistentin mit dem bekannten «Hey Siri»-Befehl. Das funktionierte im Test meistens gut, aber nicht immer. Und wer will schon im Zug oder Büro vor sich hin brabbeln?
Wer keine Apple Watch trägt, muss zum iPhone, respektive dem über Bluetooth verbundenen Abspielgerät greifen, um bei den Ohrstöpseln die Lautstärke anzupassen. Durch zweimaliges Antippen des runden Gehäuses kann man nur zum nächsten Song springen (Skip-Funktion).
Oder man legt in den Bluetooth-Einstellungen fest, dass die Musikwiedergabe durch zweimaliges Antippen erneut gestartet werden kann. Dies ist praktisch, wenn man mit nur einem Stöpsel im Ohr weiter Musik hören möchte. Denn sobald man einen Stöpsel entfernt, wird die Wiedergabe pausiert.
Womit wir bei einem heiklen Punkt sind, den praktisch alle Tech-Journalisten-Kollegen in ihren Reviews komplett ausgeblendet haben ...
Zunächst gilt festzuhalten: Apple ist der führende Hersteller in Sachen nachhaltiger Produktion und Umweltschutzbemühungen. Kein anderer Tech-Konzern kann den Kaliforniern das Wasser reichen. Abgesehen von Tesla, das in der eigenen Fabrik und bislang nicht in China produzieren lässt.
Ausgerechnet in Umweltbelangen, bzw. der Nachhaltigkeit, gibt es für die AirPods Minuspunkte. Ich erachte es als grundsätzlichen strategischen Fehler, wenn Apple als Marktführer und Trendsetter vermehrt auf das kabellose Laden mittels Induktion setzt. Der praktische Nutzen – sprich: ein kleines Plus an Bequemlichkeit – steht im Widerspruch zur schlechten Energieeffizienz. Das Aufladen über Kabel ist der einzig richtige Weg, wenn der iPhone-Hersteller ernst genommen werden will mit seinen Umweltschutzbemühungen.
Natürlich geht es beim Aufladen von Akkus für kabellose Ohrstöpsel um vergleichsweise geringe Energieverluste. Doch sollen die AirPods inzwischen zu Apples meistverkauften Produkten gehören, also millionenfach in Betrieb sein. Und – was noch wichtiger ist – es geht ums Grundsätzliche.
Im Gegensatz zu vielen Gadget-Liebhabern habe ich Apples Entscheidung, die bereits angekündigte kabellose Ladematte Airpower nicht auf den Markt zu bringen, erfreut zur Kenntnis genommen. Es muss in Zukunft darum gehen, möglichst energieeffiziente Geräte und stromsparendes Zubehör zu entwickeln – und es wird sich langfristig in betriebswirtschaftlicher Hinsicht lohnen, davon bin ich überzeugt.
Leider steht dies in Widerspruch zum «Schlankheitswahn» von Apples Design-Guru Jony Ive. Wie ich bei früheren Produkte-Reviews kritisierte, sollten Macbooks und iPhones nicht zwingend immer dünner werden, wenn darunter die Benutzerfreundlichkeit leidet – und auch die Umwelt.
Damit sind wir beim nächsten kritischen Punkt, der auch zur Kategorie «verbesserungswürdig» gehört ...
Hier ist kritisch anzumerken, dass das Ersetzen alter Akkus vermutlich auf Kosten der Umwelt geht. Apple sei nicht in der Lage, die Batterien zu ersetzen, sagte der Geschäftsführer von iFixit, ein unabhängiger Fachmann, zur «New York Times». Was bleibe, sei die Frage, ob man etwas kaufen soll, im Wissen, dass man es wahrscheinlich alle paar Jahre neu kaufen muss.
Im Hinblick auf spätere Reparaturen habe sich nichts verbessert, urteilten die unabhängigen Teardown-Experten von iFixit. Sie bezeichneten die AirPods 2 als «Wegwerfartikel» und erteilten die schlechteste Bewertung (0 von 10 Punkten).
Im Gegensatz zum iPhone sind die Stöpsel offiziell nicht wasserdicht. Sie überstehen aber problemlos einen Regenguss und den einen oder anderen Schweisstropfen.
Im Unglücksfall kommt es auf die Menge an Flüssigkeit und die Zeit an. Ob die AirPods 2 den versehentlichen Aufenthalt in der Waschmaschine überleben, ist fraglich.
Die neue Transportbox sei ein wenig besser gegen Wasser geschützt, fand iFixit beim Teardown heraus. Das Logic Board sei von einer halbwegs wasserfesten Schicht umgeben, wie Techblogs berichteten: «Dieses Case übersteht vielleicht eine Extrarunde in der Waschmaschine.»
Apropos Waschen ...
Apple weist auf der AirPods-Support-Seite darauf hin, dass Stöpsel und Ladebox «weder wasserdicht noch wassergeschützt» seien. Man solle zur Reinigung ein Mikrofasertuch verwenden. Nur, was tut man gegen Ohrenschmalz und andere Fremdkörper, die sich unweigerlich ansammeln und früher oder später die Klangqualität beeinträchtigen?
Das Internet weiss auch hier Rat und es gibt diverse Geheimtipps, um verdreckte Ohrstöpsel zu reinigen.
Die im Schreibwarenhandel erhältliche klebrige Knetmasse ziehe Verunreinigungen sogar aus den winzigen Lautsprecher-Gittern der AirPods.
Und jetzt wird's persönlich ...
🙈
Ganz ehrlich, ich habe mich auch nach zwei Jahren nicht daran gewöhnt. Manchmal meine ich, belustigte Blicke in meinem Rücken zu spüren, wenn die weissen Stöpsel bei Zug- und Tramfahrten unübersehbar aus den Ohren ragen.
Andere AirPod-User scheint dies nicht zu kümmern. Gefühlt sieht man mittlerweile sehr viele weisse Stöpsel, und viel weniger weisse Kabel. Sind Apples kabellose Dinger tatsächlich zum neuen Statussymbol geworden?
Als Otto-Normal-Musik-Konsument kann ich sagen, dass die neuen AirPods kristallklaren Sound direkt ins Ohr bringen, und die Bässe sind auch nicht von schlechten Eltern.
«Computerbild» hat noch genauer hingehört und die Klangqualität auch mit der ersten Generation verglichen:
Erfreulich klar, ja hervorragend ist die Soundqualität beim Telefonieren. Die AirPods 2 erkennen automatisch, wenn man Anrufe tätigt und filtern Umweltlärm heraus. Meine Gesprächspartner zeigten sich jedenfalls positiv überrascht, als ich ihnen eröffnete, dass ich gerade Ohrstöpsel teste.
Die Chancen stehen ziemlich gut.
Apple hat schon vor Jahren einiges an Forschung betrieben und viele unterschiedliche Gehörgänge mit 3D-Scans ausgemessen und analysiert. So wurde schliesslich ein für viele Menschen passender Stöpsel gefunden.
Wer allerdings schon in der Vergangenheit Probleme hatte, etwa weil die Dinger nach kurzer Zeit nicht mehr bequem waren oder ohne Berührung herausfielen, muss es gar nicht erst mit der zweiten Generation versuchen.
Wie ich schon beim Review der ersten AirPods geschrieben habe, halten die Dinger verblüffend gut in den Gehörgängen. Man kann problemlos damit joggen oder einen anderen Sport treiben. Das Problem: Sobald man sie unabsichtlich streift, zum Beispiel beim Ausziehen einer Mütze, können sie trotzdem relativ schnell rausfallen.
Wenn sie erst einmal in den Ohren stecken, sinkt das Risiko beträchtlich. Beim Herausnehmen aus der Box, vor allem mit feuchten Fingern, können sie schnell mal runterfallen, und dann wird es unter Umständen, wie zum Beispiel auf dem Skilift, ziemlich teuer. 😱 Siehe nächster Punkt ...
Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist knapp ok, wenn man die AirPods 2 mit normaler Ladebox nimmt. So bezahlt man gleich viel wie bei der ersten Generation, knapp 180 Franken.
Die neue Ladebox, die sich kabellos aufladen lässt, kostet allein schon 89 Franken. In Kombination mit den neuen Ohrstöpseln verlangt Apple 229 Franken.
Zum Vergleich: Samsung bietet mit den Galaxy Buds Ohrstöpsel an, die Vergleichbares leisten sollen, aber einiges dezenter aussehen und etwas weniger kosten.
Bei Apples AirPods gehen auch «Reparaturen» und der Verlust einzelner Komponenten ziemlich ins Geld:
Grundsätzlich lassen sich AirPods 2 mit jedem Gerät verbinden, das eine Bluetooth-Schnittstelle hat. Bei Apple-Geräten gilt zu beachten, dass nur die neusten Software-Versionen den vollen Funktionsumfang bieten:
Bei Geräten mit älterer Software sei der schnelle Wechsel nicht verfügbar, schreibt heise.de, es fehle auch Siri und eine Konfigurationsmöglichkeit für die Antipp-Funktionen.
Eine höhere Verbindungsqualität. Dank Bluetooth 5.0 gibt es praktisch keine Verbindungsabbrüche. Und man kann sich viel weiter vom iPhone oder anderen mit den Stöpseln verbundenen Abspielgerät entfernen. Wobei dann allerdings auch der Stromverbrauch zunimmt und die Akkulaufzeit sinkt.
Für die Musikwiedergabe spielt Bluetooth 5.0 gemäss dem Berliner Audiogeräte-Hersteller Teufel kaum eine Rolle. Das Abspielen von Musik benötige einen kontinuierlichen Datenfluss. Ausserdem seien die Datenmengen für hochwertigen Klang zu gross für Bluetooth LE.
Oder noch viel wichtiger: Sind Bluetooth-Ohrstöpsel krebserregend? Eine entsprechende Warnung besorgter Mediziner hatte zuletzt im März für Schlagzeilen gesorgt.
Die AirPods 2 haben eine Sendeleistung bis zu 20,94 mW (Milliwatt) und den SAR-Wert 0,58 W/kg (Watt pro Kilogramm), laut Hersteller. Im Vergleich dazu lag der SAR-Wert der ersten AirPods-Generation tiefer, bei 0,466 W/kg.
Fakt ist: Im Vergleich zu Smartphones haben die AirPods 2 einen viel tieferen SAR-Wert. Allerdings hält man sich das Handy ja höchstens von aussen an die Ohrmuschel, die Bluetooth-Ohrstöpsel hingegen steckt man in die Gehörgänge. Die Dinger sind also deutlich näher am Gehirn, was bei der Wärmeentwicklung natürlich zu berücksichtigen ist.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt, Kopfhörer oder eine drahtlose Freisprecheinrichtung (Head-Set) mit einem schwachen Bluetoothsender (Leistungsklasse 2 oder 3) zu nutzen, um die Strahlung am Kopf zu reduzieren.
Nach meiner Meinung hat es Apple versäumt, ein sehr gutes, ziemlich benutzerfreundliches Produkt in entscheidenden Punkten weiter zu verbessern.
Die Steigerung der Akkuleistung ist zu begrüssen. Mit vergleichsweise kleinen Änderungen hätte der Hersteller aber den praktischen Nutzen, bzw. die Alltagstauglichkeit, massiv erhöhen können. Zum Beispiel durch eine griffigere Oberfläche der Ohrstöpsel: Um das Risiko zu senken, die rutschigen Dinger (mit nass-kalten Fingern) fallen zu lassen.
Das Gehäuse ist nach wie vor aus glänzendem Kunststoff. Gerüchte über andere Farben haben sich leider nicht bewahrheitet. Dabei hätte ich mir eine dezentere Variante gewünscht. Motto: Understatement statt Statussymbol-Gehabe.
Was bezüglich Software fehlt, ist ein automatischer Warnhinweis, sobald der Akkustand bedrohlich tief ist.
Bleibt die Frage nach dem Umweltschutz: Wenn Reparatur-Experten die AirPods als «Wegwerfartikel» bezeichnen, müsste das Apple als grünem Hersteller sehr zu denken geben. Zumindest die Akkus sollten sich ersetzen lassen. Und auf das kabellose Aufladen könnte man getrost verzichten.
Diverse Tech-Journalisten und Gadget-Tester haben ihre Urteile bereits gefällt, hier eine kleine Auswahl ...
Oder noch etwas warten: Wie 9to5Mac unter Berufung auf den Apple-Kenner Ming-Chi Kuo berichtet, wird Apple bis Anfang 2020 zwei neue AirPods-Modelle lancieren.
* Die Illustrationen zum Artikel wurden mit der Prisma-App auf einem iPhone erstellt. Der Filter heisst «Heisenberg». Alle Produkte-Fotos wurden mit einem iPhone XS Max gemacht.
Umweltschutzbemühungen ja, womöglich.
Nachhaltigkeit? Nein, keinesfalls!
Wart nicht ihr die, die erst vor kurzem einen Bericht darüber geschrieben haben, dass pro Jahr einige zehntauend noch funktionstüchtige iPhones weggeworfen werden?
Alleine das widerspricht dem Begriff Nachhaltigkeit in allen Punkten, und zuammen mit anderen Aspekten, die Apple genau so wie andere Hersteller, hat, ist auch Apple nicht nachhaltig.
Ist das bei anderen Bluetooth Earbuds nicht so?
Spoiler alert:
Doch, ist es.