Apple und Google wollen mit einer gemeinsamen Initiative die missbräuchliche Verwendung von kleinen Bluetooth-Ortungsgeräten, sogenannten Trackern, eindämmen.
Der Vorschlag für einen Industriestandard über die Mobilplattformen Android und iOS (iPhone) hinweg werde auch von anderen relevanten Herstellern wie Samsung, Tile, Chipolo, Eufy Security und Pebblebee unterstützt, teilten die beiden US-Techgiganten am Dienstag mit.
Der Schweizer Rechtsanwalt und Digitalexperte Martin Steiger kann der Initiative allerdings wenig Gutes abgewinnen. Und er ruft auch die ungelösten Probleme in Zusammenhang mit dem sogenannten Stalking in Erinnerung.
In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Vorfälle publik, bei denen die AirTags von Apple oder andere Bluetooth-Tracker missbräuchlich benutzt wurden, um Menschen gegen ihren Willen zu überwachen und zu verfolgen.
Offenbar sahen sich Apple und Google wegen ihrer einzigartigen Stellung in der Techbranche zum Handeln veranlasst: Bekanntlich bilden die beiden US-Unternehmen mit ihren mobilen Betriebssystemen Android und iOS (iPhone) ein weltweites Duopol. Sie sind damit auch am besten in der Lage, einen geräteübergreifenden Standard einzuführen.
Exkurs: Etwas Vergleichbares hatten sie 2020 mit der Schaffung einer neuen technischen Schnittstelle für die Corona-Warn-Apps getan. Die entsprechende Technologie, die in die mobilen Betriebssysteme integriert ist, basiert ebenfalls auf Bluetooth Low Energy (BLE) – einem Funkstandard für kurze Distanzen, der wenig Strom verbrauchen soll.
Und nun soll es ein gemeinsamer Anti-Stalking-Standard für die ziemlich populären Mini-Tracker werden. Der verantwortliche Google-Manager brachte es auf den Punkt:
Zwar hat Apple bereits technische Schutzmassnahmen eingeführt, um Stalking durch AirTags zu verhindern:
Dieser Anti-Stalking-Schutz funktioniert aber nur, wenn alle Beteiligten iPhones bzw. Apple-Geräte verwenden.
Apple hat 2021 auch eine Android-App lanciert, die Besitzern von Android-Geräten helfen soll, «fremdplatzierte» AirTags und andere kompatible Tracker zu erkennen. Und Samsung hat bei seinen Android-Geräten eine Anti-Stalking-Funktion namens «Unknown Tag Search» implementiert.
Jedoch fehlte bislang die Bereitschaft der grossen Player, das Problem mit einer plattformübergreifenden Lösung anzugehen.
Das soll sich ändern.
Apple und Google haben einen Vorschlag für eine neue technische Spezifikation bei der Internet Engineering Task Force eingereicht. Die IETF ist eine führende Organisation für die Entwicklung von Internet-Standards. Interessierte Unternehmen können den entsprechenden Entwurf in den kommenden drei Monaten prüfen und kommentieren.
Erklärtes Ziel ist es, die Tracker verschiedenster Hersteller auf den verschiedensten Smartphones zu erkennen und die betroffenen User umgehend zu warnen. Die genaue technische Umsetzung ist aber noch nicht bekannt.
Bis Ende 2023 wollen die beiden US-Techgiganten eine Implementierung des Anti-Stalking-Standards veröffentlichen, die dann in künftige Versionen der mobilen Betriebssysteme iOS und Android integriert werden soll.
Der amerikanische Wissenschaftler Nishant Bhaskar, der zur Sicherheit von Bluetooth und anderen drahtlosen Systemen forscht, begrüsste die Ankündigung:
Es gibt mehrere, wie der Schweizer Rechtsanwalt und Digitalexperte Martin Steiger gegenüber watson erklärt.
AirTags und vergleichbare Bluetooth-Tracker seien ein gutes Beispiel für «Why We Can't Have Nice Things Anymore». Sprich: Nützliche Geräte würden missbräuchlich verwendet, wogegen die Anbieter vorgehen müssten, wodurch allerdings auch die berechtigte Nutzung eingeschränkt werde.
Und zwar werde die berechtigte Nutzung dort eingeschränkt, wo sich ein AirTag nicht mehr oder immer weniger in der Nähe des Besitzers befinde, erklärt der Jurist.
Hier ist anzumerken, dass Bluetooth-Tracker insbesondere in den USA vermehrt als Mittel gegen Fahrzeug-Diebstähle propagiert werden. Das New York Police Department (NYPD) rief die Bürgerinnen und Bürger diese Woche auf, einen AirTag im eigenen Auto zu verstecken. Und der Bürgermeister Eric Adams kündigte die Verteilung von 500 kostenlosen AirTags an und behauptete, die Technologie werde dabei helfen, die steigende Zahl der Autodiebstähle zu reduzieren.
Doch zurück zur an sich löblichen Eigeninitiative von Apple und Google. Der Digitalexperte Martin Steiger gibt zu bedenken, dass damit das Stalking-Problem nur scheinbar gelöst werde, denn es werde immer Anbieter geben, die entsprechende Geräte ohne Schutzmassnahmen anbieten, oder man könnte die Geräte auch selbst modifizieren. Bei den AirTags könne man zum Beispiel vergleichsweise einfach den Lautsprecher deaktivieren.
Das Verfolgen von anderen Personen mit technischen Hilfsmitteln wie Bluetooth-Trackern sei nur ein Aspekt der ganzen Thematik, erklärt der erfahrene Jurist.
Häufig finde Stalking in erster Linie kommunikativ statt; sei es direkt, sei es auf Social-Media-Plattformen, oder ganz altmodisch per Briefpost, so Steiger. Und die hiesige Gesetzgebung wird der bedrohlichen Situation nicht gerecht. Die Opfer haben grosse Mühe, sich juristisch zu wehren.
Der Rechtsanwalt erklärt:
Solange es in der Schweiz keinen Stalking-Straftatbestand gebe, müsse man auf allgemeine Straftatbestände abstellen, sagt Steiger. «Oder man muss die zivilrechtlichen Mittel nutzen, was aber sehr aufwendig ist.»
Im Alltag würden die rechtlichen Möglichkeiten häufig in den Hintergrund treten, denn es fehle an Möglichkeiten für die Durchsetzung. Opfer müssten in jedem Fall viel Aufwand betreiben und die Behörden seien «nicht opferfreundlich».
Gerade Strafverfolgungsbehörden, also Staatsanwaltschaften und Strafgerichte, seien traditionell auf die beschuldigten Personen fokussiert. So könnten Stalking-Opfer nicht davon ausgehen, dass im Zweifelsfall zu ihren Gunsten entschieden werde. Die ernüchternde Feststellung des Juristen:
Seit Anfang Jahr wissen wir, dass Google einen AirTag-Konkurrenten lancieren wird. Er soll wie der Apple-Tracker in diversen Farben erhältlich sein und einen eingebauten Mini-Lautsprecher haben, um den Usern das schnelle Auffinden zu ermöglichen. Der Google-Tracker soll sich aber auch über Ultra-Wideband (UWB) zentimetergenau orten lassen – zumindest mit neueren Smartphones, die einen UWB-Chip haben. Der interne Codename lautet angeblich «Grogu», so wie die Figur aus der Star-Wars-Serie «The Mandalorian».
Parallel zu seinem AirTag-Klon dürfte Google auch an einem Crowdsourcing-Netzwerk arbeiten. Analog zu dem «Wo ist?»-Netzwerk von Apple soll dabei jedes teilnehmende Mobilgerät bei der Ortung von vermissten Gegenständen helfen: Der Tracker stellt automatisch eine Verbindung zu anderen in der Nähe befindlichen Smartphones und Tablets her und übermittelt seine Position via Internet an den Eigentümer.
Schon 2022 war berichtet worden, dass Google prüfe, eine Bluetooth-Tracker-Erkennung auf Betriebssystemebene einzuführen. Das Unternehmen hat nun angekündigt, nächste Woche an seiner Entwicklerkonferenz I/O weitere Einzelheiten zu seinen Bemühungen bekannt zu geben.
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA