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Die EU will alle Chats überwachen – und es kommt noch schlimmer

In Berlin haben Gegner der von der EU-Kommission geplanten Chatkontrolle am 11. Mai 2022 erstmals auch auf der Strasse protestiert. 
Quelle: Creative Commons Zero by Jakob Rieger (https://creativecomm ...
In Berlin haben Gegnerinnen und Gegner der von der EU-Kommission geplanten Chatkontrolle am 11. Mai erstmals auch auf der Strasse protestiert.bild: Creative Commons Zero by Jakob Rieger
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Die EU-Kommission will alle Chats überwachen lassen – und es kommt noch schlimmer

Was die EU-Kommission im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern plant, ist laut Kritikern ein Riesenschritt in Richtung eines Überwachungsstaats. Hier erfährst du alles Wichtige zum umstrittenen Vorhaben.
12.05.2022, 20:3813.05.2022, 08:27
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Die Befürchtungen haben sich bestätigt, die EU-Kommission plant weitreichende Massnahmen, um die Bürgerinnen und Bürger Europas digital zu überwachen.

Der Kern des am Mittwoch offiziell vorgestellten Vorhabens ist ein flächendeckendes, aus Brüssel gesteuertes «Überwachungssystem». Ein neues «EU-Zentrum gegen Kindesmissbrauch» soll Online-Dienste zwingen können, die gesamte Kommunikation ihrer Nutzerinnen und Nutzer auf illegale Inhalte zu scannen, schreibt der «Spiegel».

Bürgerrechtler und Fachleute seien alarmiert – und selbst Ermittler nicht unbedingt glücklich, hält das deutsche Nachrichtenmagazin fest. Derweil spricht die schwedische EU-Innenkommissarin Ylva Johansson von einer «harten, beispiellosen und bahnbrechenden Gesetzgebung».

Dieser Beitrag dreht sich um die wichtigsten Fragen und Antworten zur «Chatkontrolle» – aus Schweizer Sicht.

Wen will die EU überwachen?

Alle Bürgerinnen und Bürger, die digital kommunizieren.

Konkret: Online-Dienste, die in Ländern der Europäischen Union (EU) betrieben werden, bzw. dort aktiv sind. Und damit sind nicht nur die grossen US-Plattformbetreiber wie Apple, Google, Microsoft und Meta (Facebook) gemeint, die ihre steuergünstigen Europa-Sitze in Irland haben.

Laut dem 135-seitigen Gesetzesentwurf (siehe Quellen) sollen zahlreiche Unternehmen aufgefordert werden, die digitale Kommunikation ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu durchleuchten, schreibt das Nachrichtenmagazin «Spiegel»:

«Neben E-Mail-Anbietern sollen auch Betreiber von Diensten, in denen die Chatfunktion nur eine Beigabe ist, zur Überwachung gezwungen werden können. Damit sind Online-Games gemeint, Anwendungen zum Teilen von Bildern – beispielsweise Instagram – sowie Video-Hoster.

Besonders umstritten dürfte aber sein, dass die Massnahme Messengerbetreiber wie WhatsApp, Telegram, Signal oder Threema verpflichten kann, private Nachrichten ihrer Nutzerschaft zu scannen.»
quelle: spiegel.de

Die EU-Kommission wolle alle Anbieter mit Niederlassung in der EU in die Pflicht nehmen, oder wenn sie dort «eine signifikante Anzahl» an Nutzerinnen und Nutzern haben.

Damit nicht genug: Auch Online-Dienste, auf die nichts davon zutreffe, die aber im Verdacht stehen, zur Verbreitung illegaler Inhalte genutzt zu werden, sollen von den Internet-Providern in der EU gesperrt werden, schreibt der «Spiegel».

«Damit könnten kleinere Anbieter geblockt werden, deren Betreiber anonym bleiben oder sich dem Zugriff von Behörden entziehen – sie sollen in Europa nicht mehr funktionieren.»
quelle: spiegel.de

Was genau will die EU-Kommission bekämpfen?

Es heisst, man wolle die Verbreitung von Bildern und Videos, die sexuellen Missbrauch Minderjähriger zeigen, bekämpfen. Auf Englisch werden solche höchst illegalen Inhalte als Child Sexual Abuse Material (CSAM) bezeichnet. Darüber hinaus sollen auch Online-Annäherungsversuche von pädophilen Tätern und anderen Kriminellen verfolgt werden.

Laut Q&A der EU-Kommission im Visier:

  • Bereits bekanntes Material – «erneut hochgeladene Fotos und Videos, die zuvor als Material des sexuellen Missbrauchs von Kindern identifiziert wurden».
  • Neues Material – Fotos und Videos, die zuvor nicht von den Strafverfolgungsbehörden identifiziert wurden.
  • Cyber-Grooming – das ist eine Vorgehensweise, bei der die Täter übers Internet versuchen, zu Kindern und Jugendlichen eine emotionale Verbindung aufzubauen, um sie zu manipulieren und sexuell auszubeuten.

Hilft das wirklich?

Deutsche Strafverfolger kritisierten die EU-Pläne hinter vorgehaltener Hand, wie der «Spiegel» schreibt. Zwar hätten mehrere Ermittler begrüsst, dass die EU neue einheitliche Regeln gegen Kindesmissbrauch verabschieden wolle und dabei auch diverse Internetdienste in die Pflicht nehme. Jedoch würden die aktuellen Pläne nicht unbedingt dazu führen, dass mehr Pädokriminelle festgenommen werden können.

Die Strafverfolger hätten heute schon genug Ansatzpunkte für Ermittlungen in dem Bereich. Das Problem sei vielmehr, all diese Fälle «mit den vorhandenen Ressourcen abzuarbeiten und die besonders gefährlichen Täter zu finden».

Noch mehr Meldungen von Missbrauchsbildern führten nicht automatisch zu mehr Ermittlungserfolgen – im Gegenteil:

«Die Masse der neuen Meldungen nach den EU-Plänen droht unsere Strafverfolgung eher lahmzulegen.»
Deutscher Ermittlerquelle: spiegel.de

Was schlägt die EU-Kommission vor?

Der EU-Gesetzesentwurf sieht Folgendes vor:

  • Die Diensteanbieter, wie etwa WhatsApp oder Threema, müssen zunächst eine Risikobewertung vornehmen, was die Verbreitung von CSAM und Cyber-Grooming auf ihren eigenen Plattformen betrifft, und gegebenenfalls Massnahmen zum Schutze Minderjähriger einführen.
  • Wenn die zuständige Behörde eines EU-Mitgliedstaates diese Schutzmassnahmen als nicht ausreichend erachtet, kann sie bei Gericht oder einer anderen unabhängigen Behörde eine «Detection Order» beantragen. Der englische Begriff meint eine zeitlich befristete behördliche Anordnung, die Kommunikationsinhalte zu durchsuchen.
  • Europäische Behörden können also anordnen, dass Internetdienste private Nachrichten auf den Verdacht von Kindesmissbrauch hin scannen müssen.
  • Und die Bürgerinnen und Bürger in Europa müssen damit rechnen, dass «jede ihrer privaten Nachrichten vor dem Absenden automatisiert überprüft wird – auch Anwälte, Journalistinnen und andere Geheimnisträger».
  • Wenn eine Plattform in Bildern oder Videos ihrer User «konkrete Anzeichen für Missbrauchsmaterial» findet, muss dies der zuständigen Behörde gemeldet werden.
  • Welche Technologien für die Überwachung und Erkennung von CSAM und Cyber-Grooming (siehe vorhergehende Frage) zum Einsatz kommen, schreibt die EU-Kommission nicht konkret vor im Gesetz, sondern überlässt dies einem neuen EU-Zentrum gegen Kindesmissbrauch.
  • Anbieter von Online-Diensten, die in ihrer Risikobewertung zum Schluss kommen, dass Grooming bei ihnen möglich ist, müssen eine Altersüberprüfung einführen, um minderjährige Nutzerinnen und Nutzer zu identifizieren.
  • App-Store-Betreiber wie Google und Apple müssen dafür sorgen, dass Minderjährige die entsprechenden Apps gar nicht erst herunterladen und installieren können.

Die verantwortliche EU-Innenkommissarin beteuerte gemäss «Spiegel», dass zahlreiche technische Vorkehrungen getroffen werden sollen, um die Privatsphäre der EU-Bürger zu schützen. So müssten nationale Behörden und Datenschützer «vor jedem Scan» ihre Erlaubnis geben.

Zudem dürfe das neue EU-Zentrum nur Überwachungs-Software einsetzen, mit der «die Privatsphäre der Bürger am wenigsten gefährdet» werde, versicherte Johansson.

Warum sind die EU-Pläne problematisch?

Aus mehreren Gründen. Sie betreffen den Schutz der Privat- und Intimsphäre, den Datenschutz und die Sicherheit von IT-Systemen sowie das Rechtssystem im Allgemeinen.

Die geplante Überwachung von privaten Chats stellt einen massiven Eingriff in die Intimsphäre dar und würde die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger verletzen.

Gemäss Definition umfasst die Intimsphäre die innere Gedanken- und Gefühlswelt sowie den Sexualbereich und ihre angemessene Wahrung ist ein elementares Menschenrecht.

Zudem ist laut kritischen Fachleuten völlig unklar, wie zuverlässig eine solche Überwachungs-Technologie funktioniert – etwa, wie leicht Unschuldige ins Visier geraten.

Die EU-Kommission würde Unternehmen wie WhatsApp, Signal oder auch Telegram zudem mittels des neuen Gesetzes indirekt dazu zwingen, eine «Hintertür» in ihre Messenger-Dienste einzubauen, damit sie trotz Ende-zu-Ende-Verschlüsselung Chat-Inhalte überwachen können. Wenn ein solches System erst einmal implementiert ist, kann es in Zukunft leicht für andere Zwecke verwendet werden.

Zwar sollen Facebook und Co. die automatische Überwachung ihrer Dienste so gestalten, dass ein Missbrauch durch Angestellte oder durch Dritte ausgeschlossen sei. «Die Vertraulichkeit der Kommunikation von Millionen unschuldiger Menschen werde aber trotzdem unterminiert», konstatiert der «Spiegel», und niemand könne den Missbrauch einer solchen Überwachungsstruktur für alle Zeiten ausschliessen.

Ein im März geleakter Prüfbericht der EU-Kommission zeigte zudem, dass EU-Kommissarin Johansson interne Kritik ignorierte und unbeirrt nach Wegen suchte, «europaweit eine neue Form von Massenüberwachung einzuführen».

Wie netzpolitik.org berichtete, hiess es im internen Bericht, dass «nicht hinreichend klar sei, wie die beschriebenen Durchsuchungsmechanismen das in der EU geltende Verbot anlassloser Massenüberwachung respektieren würden».

Im geleakten Dokument sei zudem die Rede davon, dass die «Effizienz und Verhältnismässigkeit» der geplanten Massnahmen «nicht ausreichend nachgewiesen» seien.

Warum tut die EU das und wer steckt dahinter?

Im Internet seien allein im vergangenen Jahr 85 Millionen Bilder gefunden worden, die sexuelle Gewalt gegen Kinder zeigten, zitiert der «Spiegel» die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Die Schwedin zeichnet politisch verantwortlich für den Vorstoss. Als mächtigste Verfechterin, bzw. Urheberin der vorgeschlagenen Internet-Überwachung gilt die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

European Commission President Ursula von der Leyen, left, speaks with European Commissioner for Home Affairs Ylva Johansson during the weekly College of Commissioners meeting at EU headquarters in Bru ...
Sie zeichnen für die geplante Massenüberwachung verantwortlich: die deutsche EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen (l.) und die schwedische EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.Bild: keystone

Von der Leyen gehört der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) an. Johansson ist Mitglied der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens.

Johansson sagte, in 90 Prozent der entdeckten Fälle sei das Material auf Servern in der EU gespeichert gewesen, weshalb Brüssel nun besonders gefordert sei, «einen Weltstandard» gegen die illegalen Aufnahmen zu entwickeln.

Die Schwedin habe in den vergangenen Monaten «mantraartig betont, Privatsphäre und Verschlüsselung dürften der Strafverfolgung nicht im Wege stehen», ruft netzpolitik.org in Erinnerung. Und Von der Leyens früherer Vorschlag für «Netzsperren» gegen Kindesmissbrauchsinhalte habe schon 2009 für massive Proteste gesorgt und der Politikerin in Deutschland den Spitznamen «Zensursula» eingetragen.

Wer profitiert?

Das spendenfinanzierte Online-Medium netzpolitik.org weist auf einen kaum bekannten Nebenaspekt hin und zeigt auf, dass die von der EU-Kommission geplante Überwachung zu einem Multimilliarden-Geschäft werden könnte.

Demnach belegen interne EU-Dokumente, wie der US-Schauspieler Ashton Kutcher mit seiner Organisation Thorn in Brüssel für seine eigene Überwachungstechnologie lobbyierte.

«Mit Thorn stieg Kutcher in den Markt für Überwachungstechnologie ein: 2020 brachte die Organisation ‹Safer› auf den Markt, nach eigenen Angaben die erste ‹umfassende Erkennungsplattform› für Kindesmissbrauchsinhalte eines Drittanbieters.»
quelle: netzpolitik.org

Gegenüber EU-Institutionen sei Thorn als Wohltätigkeitsorganisation aufgetreten, die sich «aus idealistischen Gründen gegen Kindesmissbrauch» einsetze. Jedoch habe die Organisation bei Treffen mit europäischen Behörden immer wieder seine selbstentwickelte Software Safer ins Spiel gebracht. Dies zeigten E-Mails und Gesprächsnotizen, die netzpolitik.org durch Informationsfreiheitsanfragen bei der EU-Kommission, deutschen und schwedischen Behörden erhielt.

Thorn biete «von Künstlicher Intelligenz gesteuerte Software zum Finden, Entfernen und Melden von Kindesmissbrauchsinhalten». Darüber hinaus arbeite die Organisation an einem «neuen Algorithmus zur Er ...
Thorn biete «von Künstlicher Intelligenz gesteuerte Software zum Finden, Entfernen und Melden von Kindesmissbrauchsinhalten». Darüber hinaus arbeite die Organisation an einem «neuen Algorithmus zur Erfassung von Grooming-Aktivitäten».screenshot: thorn.org

Der US-Schauspieler Kutcher nutzt seinen Promi-Status, um mit Thorn auch in Europa konkrete Ziele zu erreichen. 2020 setzte sich Thorn gemäss netzpolitik.org «vehement für einen Vorschlag der EU-Kommission ein», der wenige Monate später im Rekordtempo zum Gesetz wurde. Und zwar habe die EU eine Ausnahme in ihren (vergleichsweise strengen) Datenschutzregeln geschaffen, um es Social-Media-Plattformen wie Facebook zu ermöglichen, freiwillig die privaten Chats der User auf Kindesmissbrauchsverdacht zu scannen.

Bild von einem Videotreffen zwischen Kutcher und Von der Leyen, das die EU-Kommissionschefin veröffentlichte.
Bild von einem Videotreffen zwischen Kutcher und Von der Leyen, das die EU-Kommissionschefin veröffentlichte.screenshot: twitter

Gemäss netzpolitik.org bestätigte eine Sprecherin von Thorn, «dass die eigene Technologie für die Durchsetzung des neuen EU-Gesetzes verwendet werden könne.»

Damit sind wir bei den Geheimdiensten.

Leider sei dieser neue Versuch, eine Hintertür in die verschlüsselte Kommunikation zu zwingen, «Teil eines globalen Musters», schreibt die Electronic Frontier Foundation (EFF), eine NGO, die sich für Grundrechte im Informationszeitalter einsetzt.

2018 hätten die «Five Eyes» – eine Allianz der Geheimdienste Kanadas, Neuseelands, Australiens, Grossbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika – davor gewarnt, dass sie technische, gesetzgeberische oder anderweitige Massnahmen ergreifen würden, um sich Zugriff zu verschaffen, wenn dies die Anbieter solcher Dienste nicht freiwillig täten.

Welche Strafen drohen bei Zuwiderhandlung?

Wenn sich Plattformbetreiber und andere Unternehmen nicht an die von der EU-Kommission geplanten Überwachungs-Massnahmen halten, sollen sie gebüsst werden.

Die Geldstrafen sollen von den EU-Mitgliedsstaaten festgelegt werden und «effektiv, proportional und abschreckend» sein, wie der «Spiegel» schreibt. Die finanziellen Maximalstrafen sollen nicht mehr als sechs Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes des straffälligen Unternehmens betragen.

Europäischen Bürgerinnen und Bürgern, die von der digitalen «Totalüberwachung» erfasst werden, droht Strafverfolgung und eine Verurteilung, sei dies wegen Besitzes, Verbreitung oder gar Herstellung von CSAM oder Grooming.

Was sagen die betroffenen Diensteanbieter?

Threema-Chef Martin Blatter sagte gegenüber dem «Spiegel», das Vorhaben der EU-Kommission «würde vielleicht einem totalitären Regime zur Ehre gereichen», habe aber in einer Demokratie nichts zu suchen. Zudem sei es technisch gar nicht möglich, zuverlässig illegale Grooming-Versuche und Missbrauchsbilder nur mit einem Algorithmus zu erkennen.

«Die Kommissionspläne könnten demnach zu einer Massenkriminalisierung unbescholtener Bürger führen.»
Martin Blatter, Threemaquelle: spiegel.de

WhatsApp-Chef Will Cathcart hatte eine geleakte Fassung der EU-Pläne bereits am Dienstag scharf kritisiert:

«Starke Verschlüsselung schützt die Privatsphäre und Sicherheit von Milliarden Menschen, inklusive Kinder. Das zu entfernen, ist ein Fehler.»
Will Cathcart, WhatsAppquelle: twitter

Deutliche Worte findet auch Matthias Pfau, Geschäftsführer des verschlüsselten E-Mail-Dienstes Tutanota:

«Dies wäre der schlimmste Überwachungsmechanismus, der jemals ausserhalb Chinas eingeführt wurde, und das alles unter dem Vorwand, Kinder zu schützen.»
Matthias Pfau, Tutanota

Anzumerken bleibt, dass eine Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments sich im Juli 2021 für eine frühere Version der «Chatkontrolle» ausgesprochen hatte.

Seither ist es Anbietern erlaubt, die Kommunikation freiwillig zu scannen. Allerdings betreiben bislang nur einige nicht ende-zu-ende-verschlüsselte US-Dienste wie Gmail, Facebook/Meta Messenger und Xbox (Microsoft) eine solche Überwachung.

Apple hat 2021 eine Chat-Überwachungsfunktion für minderjährige User in den USA eingeführt. Dieser Nacktbild-Scanner, der keine Alarmierungen verschickt, ist optional und auf die Nachrichten-Apps auf iOS, iPadOS und macOS beschränkt. Im April 2022 wurde die Funktion auf User in Grossbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien ausgeweitet.

Der iPhone-Hersteller hatte ursprünglich geplant, die Eltern automatisch zu benachrichtigen, wenn Kinder unter 13 Jahren Bilder mit Nacktheit verschicken oder empfangen. Darauf wurde aber schliesslich verzichtet.

Im Sommer 2021 hatte das US-Unternehmen zudem einen CSAM-Scanner für US-iCloud-User per Herbst angekündigt, verschob die Lancierung aber nach massiven weltweiten Protesten auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt.

Wie geht's weiter?

Der von der EU-Kommission präsentierte Gesetzesentwurf geht im nächsten Schritt an das EU-Parlament. Dieses wird einen Ausschuss zur Bearbeitung des Vorschlags einrichten und kann Änderungen vorschlagen, bevor es eine endgültige Position bekanntgibt, wie derstandard.at schreibt.

Bis das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt, könnte es Jahre dauern. Und ob die «Chatkontrolle» tatsächlich in der geplanten Form realisiert wird, ist alles andere als sicher.

Die neue deutsche Regierung hat sich laut «Spiegel» in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich zum Recht auf Verschlüsselung bekannt und die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gelobt.

Es sei anzunehmen, dass «diverse EU-Bürger­rechts­organisationen versuchen werden, die relevanten Paragrafen vor der Verabschiedung wieder aus dem Gesetz zu kippen», prognostiziert das Schweizer Nachrichtenmagazin «Republik».

Wie reagiert die Schweiz?

Nationalrätin Judith Bellaiche will mit einem parlamentarischen Vorstoss vom Bundesrat wissen, inwiefern die hiesige Bevölkerung vom neuen EU-Gesetz betroffen wäre.

Der oberste Datenschützer des Landes, der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB), steht «der anlasslosen Überwachung der Individualkommunikation der Bevölkerung im Allgemeinen und der Chatkontrolle im Besonderen kritisch gegenüber».

«Schwerste Grundrechtseingriffe» wie die Chat-Überwachung seien aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich und bedürften in der Schweiz auf jeden Fall einer formell-gesetzlichen Grundlage im Sinne eines referendumsunterworfenen Gesetzes, hält der EDÖB in seiner Stellungnahme fest.

«Chatkontrollen dürften gegenüber Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz weder gestützt auf fremdes Recht vorgenommen, noch von schweizerischen Behörden zum Nachteil der Schweizer Bevölkerung verwendet werden.»
Adrian Lobsiger, Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter.

Quellen

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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
12.05.2022 20:55registriert April 2016
Es ist so unglaublich himmelschreiend falsch und untauglich diese Verschärfungen.

Wer mit krimineller Absicht kommunizieren möchte, wird den geringen zusätzlichen techn. Aufwand auf sich nehmen.
Von der Regel betroffen sein werden lediglich unvorsichtige, kleine Fische.

Im Endeffekt nichts anderes als ein gigantisches Big Brother Projekt um die normale Bevölkerung zu überwachen, respektive sämtliche Kommunikation zu scannen.

Hier muss mit aller Deutlichkeit Nein gesagt werden!

Wenn wir die Büchse noch weiter öffnen, wird der Geist irgendwann nicht mehr zurück in Flasche passen!
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Zum Kommentar
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stadtzuercher
12.05.2022 21:15registriert Dezember 2014
Man könnte auf die Idee kommen dass den beiden alten weisen Frauen von der Leyen und Johansson die Demokratie und der Rechtsstaat ein Dorn im Auge sind.
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Kronrod
12.05.2022 20:52registriert März 2015
Diese Art von Denke ist typisch für die EU: zentralistisch und kontrollierend. Ein Bewusstsein, dass die Kontrolleure selbst fehlbar sei können, fehlt.
11412
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