Die Brille sieht aus wie eine Taucherbrille. Das passt, will ich doch damit in die virtuelle Realität eintauchen. Anstelle eines durchsichtigen Glases weist sie aber eine schwarze Plastikmembran auf. Dahinter befinden sich zwei kleine Displays, eines fürs linke und einer fürs rechte Auge. Ein dickes schwarzes Kabel verbindet die Brille mit einem Computer.
Ich setze das Ding auf und erschrecke. Ich bin in einer anderen Welt. Um mich herum erheben sich die Mauern einer Burgruine, durch das eingestürzte Dach fallen Schneeflocken. Ich kann die virtuelle Welt frei erkunden, indem ich den Kopf drehe; kein schwarzer Rahmen schränkt mein Sichtfeld ein. Blicke ich nach oben, glaube ich, dass der Schnee auf meinen Kopf fällt. Blicke ich nach unten, wundere ich mich, warum mein Körper nicht da ist.
Mit dem Game-Controller, den ich in den Händen halte, kann ich durch die virtuelle Welt gehen. Rechts in einer Ecke sehe ich einen Schatten. Ich bewege mich darauf zu und erkenne eine Gestalt. Und plötzlich merke ich: Das ist ein Dämon, der da sitzt. Er erhebt sich, steht mit seinen Hörnern riesengross vor mir. Ich erstarre.
Die Virtual-Reality-Brille von Oculus VR konnte ich letzten Sommer an der Videospielmesse E3 in Los Angeles ausprobieren. Sie hat einen tiefen Eindruck hinterlassen. Seither hat die kalifornische Firma ihre Datenbrille noch weiter verbessert. So sorgen nun OLED-Displays dafür, dass auch bei schnellen Bewegungen des Kopfes das Bild vor den Augen nicht verschwimmt. Die beiden kleinen HD-Displays empfangen fürs linke und rechte Auge ein jeweils leicht versetztes Bildsignal, das sich den Kopfbewegungen des Benutzers entsprechend anpasst. So entsteht die Illusion, man befinde sich in einer virtuellen Welt.
Die Idee einer Virtual-Reality-Brille ist nicht neu. Seit den 90er-Jahren haben sich schon verschiedene Firmen daran versucht – doch ihre technischen Entwicklungen hielten den Anforderungen der Nutzer nicht stand. Die Zeichen stehen gut, dass das bei Oculus Rift anders wird. Nicht nur haben sich die meisten Tester euphorisch über die Brille geäussert (ausser jenen, die sich über Übelkeit beklagt haben). Auch die meisten Entwickler, an welche die Brille bereits ausgeliefert worden ist, sind begeistert. Namhafte Game-Designer wie John Carmack («Doom») und Cliff Bleszinski («Gears of War») haben Oculus Rift ihre Unterstützung zugesichert.
Dabei gibt es das vom jungen Computergenie Palmer Luckey gegründete Unternehmen erst zwei Jahre. Finanziert hatte es sich anfänglich über eine Kampagne auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter. Eigentlich wollte das junge Team bloss 250 000 Dollar einsammeln. Doch bereits nach vier Stunden wurde dieses Ziel übertroffen – am Schluss waren fast 2,5 Millionen in der Kasse.
Angesichts dieser Erfolge überrascht es nicht, dass Oculus VR nun von einem grossen Unternehmen gekauft worden ist. Auch der Preis von 2,3 Milliarden Dollar ist keine Überraschung. Einzig der Name des Käufers macht stutzig: Facebook. Denn die bisherigen grossen Zukäufe von Mark Zuckerberg – Instagram (2012 für 1 Milliarde Dollar) und Whatsapp (2014 für 19 Milliarden Dollar) – waren aufstrebende Konkurrenten. Oculus VR jedoch hat auf den ersten Blick nichts mit Facebooks Kerngeschäft, dem Vernetzen von Menschen, zu tun. Deshalb hätte man als Käufer ein anderes Unternehmen erwartet. Microsoft zum Beispiel, eine Firma, die selber im Videospielgeschäft tätig ist. Oder Google, der Internetriese, der sich offenbar möglichst alle zukunftsträchtigen Technikfirmen zusammenkauft.
Mit dem neusten Zukauf investiert Facebook in seine Zukunft. Denn neue technologische Entwicklungen werden auch die Art und Weise verändern, wie wir kommunizieren und Medien konsumieren. Zuckerberg erklärte die Übernahme unter anderem damit, dass es neben Games noch jede Menge weitere Anwendungsmöglichkeiten für Datenbrillen gebe. Sportfans könnten sich die besten Plätze im Stadion sichern, virtuelles Lernen oder virtuelle Konversationen mit einem Arzt würden verbessert. Man fühle sich «wahrhaft anwesend», meint der Facebook-Chef. Auch Filmemachern könnte die Virtual-Reality-Brille eine neue Perspektive bieten. So hat der für einen Oskar nominierte Regisseur Danfung Dennis einen ersten Trailer eines Dokumentarfilms für die Oculus Rift vorgestellt, dessen Thema die virtuelle Realität selbst ist.
Gaming dürfte aber – neben der Pornografie vielleicht – der erste Bereich sein, in dem sich Virtual Reality durchsetzen kann. Denn die heutigen 3-D-Spielwelten faszinieren deshalb so sehr, weil sie ein sogenanntes immersives Erlebnis bieten, sie lassen den Spieler in eine virtuelle Umgebung eintauchen und geben ihm das Gefühl, dass er Teil dieser Welt sei. Die Virtual-Reality-Brille verleiht diesem Erlebnis eine neue Qualität.